Siegen-Wittgenstein. In Wilnsdorf wird am besten verdient. Die Leute geben ihr Geld aber woanders aus. So werden auch Netphen und Hilchenbach zu Schlusslichtern.

Siegen ist der Hauptanziehungspunkt, wenn es im Siegerland ums Einkaufen geht. Das meiste Geld zum Einkaufen haben dagegen, im Siegerland-Vergleich, die Wilnsdorfer auf dem Konto und in der Tasche. Am prekärsten ist die Einzelhandels-Szene in Hilchenbach und Netphen ausgestattet. Die Einwohnerinnen und Einwohner dieser beiden Städte kaufen das Meiste woanders ein.

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Das sind Ergebnisse der Kaufkraftanalyse, die die Industrie- und Handelskammer (IHK) Siegen vorgelegt hat. Insgesamt ist die Kaufkraft seit 2016 deutlich gestiegen, zwischen 11,4 Prozent in Kreuztal und fast 15 Prozent in Freudenberg. „Die Einkommen in unserer Region legen ein Stück weit stärker zu als im Bundes- und Landesdurchschnitt“ sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener, „aber: Der Einzelhandel vor Ort profitiert nicht von diesem Zuwachs. Der Internet-Handel ist der eigentliche Pandemie-Gewinner.“

Die Region

Für das Jahr 2021 wird in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe ein allgemeines Kaufkraftvolumen von etwa 10,09 Milliarden Euro prognostiziert. Das sind etwa 190 Millionen Euro mehr als 2020. Je Einwohner ergibt sich ein überdurchschnittlich hohes verfügbares Einkommen von 24.750 €, das 295 € über dem Bundes- und 679 € über dem Landesdurchschnitt liegt. Klaus Gräbener in der Pressemitteilung der IHK: „Die Zahlen zeigen, dass wir im IHK-Bezirk über eine vergleichsweise geringe Arbeitslosigkeit und eine gute Beschäftigungslage verfügen. Die überdurchschnittliche Kaufkraftsteigerung verdeutlicht zugleich: Der Großteil unserer Unternehmen ist bisher offensichtlich gut durch die Krise gekommen.“

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Etwa 27 Prozent der allgemeinen Kaufkraft stehen dem Einzelhandel inklusive Versand- und Internethandel zur Verfügung. Für den stationären Einzelhandel in der IHK-Region wird 2021 ein Umsatz in Höhe von 2,39 Milliarden Euro prognostiziert. Stephan Häger, Leiter des IHK-Referats Konjunktur, Arbeitsmarkt und Statistik: „Während der Online-Handel seine Umsätze 2021 nach aktuellen Prognosen erneut um etwa 20 Prozent steigern kann, drückt das dynamische Pandemiegeschehen in weiten Teilen die Konsumstimmung. Das ist für den Einzelhandel gerade in der umsatzstarken Weihnachtszeit fatal.“

Siegen boomt nur in der Stadtmitte und in Weidenau. Auch aus Geisweid  fließt fast jeder zweite Euro ab.
Siegen boomt nur in der Stadtmitte und in Weidenau. Auch aus Geisweid fließt fast jeder zweite Euro ab. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Etwa 14 Prozent der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft verbleiben nicht im stationären Einzelhandel. 376 Millionen Euro fließen in den Online- und Versandhandel ab oder werden außerhalb der Region ausgegeben, Tendenz steigend. Die strukturelle Verschiebung in den Online-Handel macht allen Kommunen zu schaffen. Klaus Gräbener: „Die Pandemie wirkt hier seit knapp zwei Jahren wie ein Brandbeschleuniger. Gelingt es den Kommunen nicht, mit innovativen Konzepten gegenzusteuern, dürfte sich das Gesicht zahlreicher Innenstädte nachhaltig verändern.“

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Kaufkraft im Siegerland
Kaufkraft im Siegerland © Manuela Nossutta | Manuela Nossutta

Die Siegerländer Standorte

Burbach: Die Gemeinde liegt im Mittelfeld. In der Einzelhandelskaufkraft auf Platz 6, bei der Kaufkraftbindung auf Platz 5. Mit der „Zentralität“ wird ausgedrückt, wie die Einzelhandelsumsatz im Verhältnis zur örtlichen Kaufkraft steht. Für die Analysten ist das ein Hinweis auf die Attraktivität eines Standorts – im Index markiert der Deutschland-Durchschnitt die 100. Mit 73,5 liegt Burbach darunter, wie alle Kommunen im Siegerland außer Siegen, Freudenberg und Kreuztal.

Freudenberg: Was die Kaufkraft seiner Einwohner angeht, ist Freudenberg die Nummer 2 im Siegerland, ebenso bei Kaufkraftbindung und Zentralität. Vor allem die Wilhelmshöhe mit den Möbelgeschäften macht Freudenberg für die auswärtige Kundschaft so interessant. Trotzdem: Auch aus Freudenberg fließt Kaufkraft ab, wie aus allen anderen Kommunen außer Siegen.-

Hilchenbach: Mit dem Rang 4 gehören die Hilchenbacher nach Wilnsdorf, Freudenberg und Netphen immer noch zu den Kaufkräftigsten im Kreisgebiet. Die Stadt mit dem weitgehend verödeten Gerberpark-Einkaufszentrum bleibt aber trotz des Neustarts in der Herrenwiese das Schlusslicht bei der Kaufkraftbindung. Nur noch 41,8 Prozent ihres Budgets geben die Hilchenbacher in den Geschäften in der eigenen Stadt aus.

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Kreuztal: Bei der verfügbaren Kaufkraft ist Kreuztal zwar nur die Nummer 5, neben den Stadtteilen mit vergleichsweise wohlhabenden Einwohnern gibt es hier auch Quartiere mit finanziell schlechter bis prekär ausgestatten Haushalten. In den Zahlen zu Attraktivität und Kaufkraftbindung machen sich die gut ausgestattete Innenstadt, das Einkaufszentrum in Kredenbach und stadtmitteferne Großflächen-Geschäfte (Textilien, Baumarkt, Non-Food-Discounter) bemerkbar.

Netphen: Gutes Einkommen, schlechte Ausstattung - die drittgrößte Stadt im Kreisgebiet ist bei Kaufkraftbindung und Zentralität bei den Schlusslichtern. Der Stadtmitte fehlt offenkundig der Magnet, der tägliche Bedarf wird in Deuz und Dreis-Tiefenbach ebenso gut abgedeckt. Derzeit laufen Überlegungen zur Erweiterung des Einkaufszentrums an.

Direkt vor dem Gerberpark schickt die Stadt Hilchenbach ihre Kundschaft woanders hin – zu Rewe in die Herrenwiese.
Direkt vor dem Gerberpark schickt die Stadt Hilchenbach ihre Kundschaft woanders hin – zu Rewe in die Herrenwiese. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Neunkirchen: Bei der Zentralität und der Kaufkraftbindung spielt Neunkirchen auf dem 4. Rang vorn mit. Bei der Kaufkraft allerdings ist die Neunkirchener Einwohnerschaft nur wenig besser ausgestattet die Nachbarn in Siegen.

Siegen: Die einzige Kommune im Siegerland, in der mehr eingekauft wird, als die Einwohner selbst an Kaufkraft aufbringen. Beim Blick auf die Stadtteile wird soziales Gefälle sichtbar: Die Stadtmitte ragt heraus mit einer Kaufkraftbindung von 266 Prozent, gefolgt von Weidenau mit 154 Prozent. Geisweid liegt am unteren Ende mit 52 Prozent. „Landesweit belegt Siegen vor Paderborn und Oberhausen den Spitzenplatz“, stellt IHK-Geschäftsführer Klaus Gräbener fest. Bundesweit wiesen nur fünf Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern eine höhere Zentralität auf. „Von der City-Galerie über das Apollo-Theater und ,Siegen zu neuen Ufern‘ bis hin zu ,Siegen.Wissen verbindet‘ – die Dynamik in der Stadtentwicklung trägt bemerkenswerte Früchte. Aus unserer Sicht wurde hier in den vergangenen 20 Jahren sehr viel richtig gemacht.“

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Wilnsdorf: Der Spitzenreiter bei der Kaufkraft ist Drittletzter, was Attraktivität und Kaufkraftbindung angeht – ein ähnliches Problem, wie es auch Netphen und Hilchenbach haben.

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