Siegen. Anwohner zwischen Häutebachweg, Obergraben und Löhrtor blicken auf Ansiedlung des künftigen Teilcampus Süd der Uni Siegen mit gemischten Gefühlen
Der Verkehr liegt den Anwohnern schwer im Magen, der Baulärm sowieso, die Parkplätze, die Fußgängerströme, der Hochwasserschutz entlang der künftig freigelegten und verbreiterten Weiß. Manche müssen ihre Wohnungen irgendwann verlassen, wenn die Uni in die Stadt zieht, das Projekt „Siegen – Wissen verbindet“ in einigen Jahren Realität wird. Viele Fragen und Partikularinteressen, auf die die Verantwortlichen von Stadt und Uni heute noch keine Antworten haben. „Wir beteiligen sie zu einem sehr frühen Zeitpunkt“, bittet Stadtbaurat Henrik Schumann bei der Quartiersversammlung für Anwohner des künftigen Teilcampus Süd zwischen Häutebachweg, Löhrtor und Obergraben mehrmals um Verständnis.
Schumann und Uni-Kanzler Ulf Richter bemühen sich, die Vorteile für die Menschen, die in dem Bereich wohnen, arbeiten, dort Eigentum haben, herauszustellen: Ziel des Großprojekts sei es, einen Mehrwert für alle zu erzielen, ein gutes Miteinander zu schaffen – eine attraktivere, belebtere Innenstadt mit besseren Wegeverbindungen und Aufenthaltsflächen; bessere Lehr- und Lernbedingungen an einer attraktiven Hochschule; Impulse und Nachwuchssicherung für die heimische Wirtschaft, ein großer Beitrag zur Mobilitätswende in Siegen durch einen klimaneutralen Campus, sowohl beim Bauen als auch dem Verkehr. Siegen solle bei diesem neuerlichen Städteumbau von vornherein gedacht werden als Fahrradstadt.
Skepsis beim Verkehrskonzept: Wirklich weniger Autos durch die Uni in Siegen?
Vor allem die Zeitfrage brennt den Anwohnern unter den Nägeln. Wann sie sich denn mal wieder eine neue Wohnung suchen müsse, fragt eine junge Frau, die schon aus dem Herrengarten weichen musste, der in Kürze abgerissen wird und die nun am Häutebachweg wohnt. Eine Tagesmutter berichtet, eine fünfstellige Summe investiert zu haben, um fünf Kinder in ihrer Wohnung angemessen betreuen zu können – sie stehe nun vor schweren beruflichen Problemen. Frühestens in zwei Jahren, eher in drei – und man bemühe sich intensiv, alle Betroffenen bei der Suche nach Ersatz zu unterstützen, bekräftigt Ulf Richter und verweist auf das Beispiel IKK – gemeinsam finde man neue Räume für die Versicherung. Das alte Domizil muss im Lauf des Projekts weichen.
Der Ton wird mitunter ruppig. Keiner wolle Studierende in der Stadt, sagt ein Mann, die würden ohnehin nicht zu Fuß gehen, Rad oder Bus fahren, er sei immer mit dem Auto bis zur Uni gefahren, das ganze Projekt sei rot-grün indoktriniert. Die meisten aber bleiben sachlich-nüchtern. Ein Mann, dessen Grundstück an Obergraben und Häutebachweg grenzt, erkundigt sich nach möglichen Straßenausbaubeiträgen, die im Zuge der Umgestaltung auf ihn zukommen könnten. Was abhängig sei von den Förderanträgen und möglichen restlichen Eigenanteilen der Stadt, antwortet Stadtbaurat Schumann – auch hier seien konkretere Angaben zu einem so frühen Zeitpunkt noch nicht möglich.
Uni Siegen zieht in die Stadt – „private Investoren hätten nicht vorher gefragt“
Die meisten sind skeptisch, dass es funktioniert mit dem Verkehrskonzept; dass viel mehr Menschen mit Bus und Bahn anreisen, nicht zusätzliche Autos die Innenstadt verstopfen. Auch der Obergraben werde angesichts der Fußgängerströme wohl verkehrsberuhigt werden müssen, vermutet ein Anwohner.
Bei der Mensa-Baustelle sei man nicht informiert worden, bis eines Tages der Kran vor der Tür stand, für anderthalb Jahre, sagt ein Mann. Definitiv soll vor Ort ein Baubüro eingerichtet werden, an das sich Anlieger wenden können, betont Henrik Schumann und verspricht, regelmäßig und frühzeitig die Anwohner über alle anstehenden Schritte zu informieren. „Wir werden Sie nicht überrollen.“
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Von Vorteil für die Betroffenen sei, dass Stadt und Universität hier agieren würden, sagt Michael M. Baier vom Büro für Stadt- und Verkehrsplanung BSV – hätten private Investoren Grundstücke und Gebäude erworben, werde niemand vorher gefragt. „Da stünde dann gefühlt irgendwann der Bagger vor der Tür und Sie müssten damit leben.“