Siegen. Alle drängen sich auf Siegener Straßen: Autos, Busse, zunehmend Fahrräder. Der Verkehr soll klimafreundlicher werden. Ein kniffliger Job...

Die Verkehrsplaner sitzen in Siegen ein Stück weit zwischen den Stühlen. Die Universitätsstadt ist ein Mobilitäts-Nadelöhr der Region, nicht nur für den Busverkehr. Die Topografie schränkt ein, im knappen Raum der Täler ist wenig Platz, was für Verkehr zur Verfügung steht teilen sich Auto, Bus, Bahn und zunehmend das (E-)Fahrrad. Die Straßen- und Verkehrsabteilung verfolgt hier eine Politik der kleinen Schritte, ohne dabei das große Ziel aus den Augen zu lassen.

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Die Situation in Siegen: Mehr Platz für Bus und Rad

Der politische Auftrag: Mehr Platz für Bus und Rad – das bedeutet auch: Weniger Platz für das Auto. Ein kniffliger Job. Verkehrssysteme sind hoch kompliziert, kleine Veränderungen hier führen zu erheblichen Auswirkungen dort. Schon häufig haben die Siegener Verkehrsplaner beobachtet, dass es oft etwas dauert, bis die Menschen Veränderungen im Verkehrssystem annehmen – nach ein paar Wochen Eingewöhnungszeit funktioniert es aber.

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Aktuellstes Beispiel: die geänderte Verkehrsführung an Kochs Ecke mit der zusätzlichen Linksabbiegespur zur HTS. Nach anfänglichen Problemen kommen inzwischen 15 Prozent mehr Autofahrer über die Linksabbiegespuren, so die Stadt.

Die Verkehrsplaner der Stadt Siegen: Ein Dilemma

Die Abteilung steht vor einem Dilemma. Sie soll den Verkehrsraum Straße klimafreundlich gestalten, also ÖPNV und Radfahrern gute Infrastruktur bieten. Ohne die fahren die Leute auch wenig Rad, weil es unkomfortabel ist. Die Stadt muss gemäß aktuellem politischen Auftrag eine Infrastruktur schaffen, für die eine Nachfrage erwartet wird, die aber noch nicht da ist. Und damit den Autofahrern weh tun.

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Dafür bräuchte es mehr als eine regionale Verkehrswende – eine Stadt allein kommt kaum weiter, wenn das Auto verdrängt werden soll. Manche Länder und Städte haben teils sehr drastische Maßnahmen für einen klimafreundlichen Stadtverkehr ergriffen und sind damit durchaus erfolgreich. „Münster und Kopenhagen haben aber eine ganz andere Basis, um mutig zu sein“, sagt Stadtbaurat Henrik Schumann. Nicht nur, weil dort das Gelände flach ist – diese Städte haben auch sehr viel früher angefangen, den Rad- und Fußverkehr und ÖPNV zu stärken und es gibt traditionell breite politische Mehrheiten für entsprechende Maßnahmen.

„Wir müssen realistisch überlegen, was funktionieren kann – und dürfen die Verkehrssysteme nicht überfordern“, meint der Stadtbaurat. Schon deshalb, weil der hohe Motorisierungsgrad gegeben ist und auch nicht so schnell verschwinden wird und natürlich auch aus Kostengründen. Verkehrsplanung muss in die Zukunft blicken, gleichzeitig die aktuelle Lage berücksichtigen.

Die Siegener Visionen: Fahrräder auf der HTS und Siegbergtunnel?

„Die Parkplätze auf der Siegplatte sind aus heutiger Sicht ein Segen gewesen“, sagt Schumann. Wären hier damals Häuser gebaut worden wie der „Schuhkarton“ an der Brücke Bahnhofstraße, wäre die Sieg heute nicht offen gelegt, da man die Gebäude nicht so vergleichsweise leicht hätte abreißen können. Ähnliches könnte auch eines Tages mit der HTS passieren: Sollten irgendwann mal weniger Autos darüber fahren, weil das Auto insgesamt unattraktiver geworden ist, könnte man das Bauwerk sehr gut für andere Verkehre nutzen. „Siegtal Pur“ könnte ein Vorgeschmack für diese Vision sein.

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Angesprochen auf den Siegbergtunnel sind sich Anke Schreiber, Leiterin Straßen- und Verkehrsabteilung, und Stadtbaurat Schumann einig: Auf den ersten Blick wäre das ein Bauwerk zur Stärkung des Autos. Aber was dem Auto zu Gute kommt, kann gleichzeitig dem Fahrrad oder E-Scooter dienen. „Wenn wir mit dem Siegbergtunnel zusätzlich erreichen, dass die stark belastete Frankfurter Straße, Kochs Ecke, die Schleichwege entlastet werden und dort bessere Bedingungen für das Fahrrad herrschen, hätten wir ja auch etwas gewonnen“, sagt Schumann. Und auch Busse könnten durch einen zusätzlichen Tunnel fahren und würden an anderer Stelle für Entlastung sorgen.

Die möglichen Maßnahmen in Siegen für klimafreundlicheren Verkehr

Die Stadt Siegen verdrängt das Auto schonend, wenn man so will; Stück für Stück. Schon aus Kostengründen fasst die Stadt die Straßen nur dann an, wenn sie ohnehin saniert werden müssen – und wenn es so weit ist, „denken wir ÖPNV und Radverkehr natürlich mit“, sagt Anke Schreiber. „Nur einen neuen Strich auf die Straße und links und rechts bröckelt alles – da nützt der neue Radstreifen dann wenig“, meint Henrik Schumann.

Siegen hat sich beispielsweise für Schutzstreifen entschieden: Die räumen Fahrrädern uneingeschränkt Vorrang ein, ermöglichten es aber trotzdem, den ganzen Rest auch noch vernünftig abzuwickeln. In die gleiche Kerbe schlägt die gegenläufige Öffnung von Einbahnstraßen – Fahrräder benötigen in der Breite schlicht sehr viel weniger Platz als ein Auto. Überbreite Fahrstreifen können bei entsprechender Fläche etwa neben einem Radschutzstreifen zum Einsatz kommen. Dadurch gibt es zwar für Autos nur noch eine Spur, durch die Möglichkeit versetzten Fahrens kann der Verkehr aber dennoch in ausreichender Qualität abgewickelt werden. Die Umsetzbarkeit muss im Einzelfall geprüft werden.

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