Hagen. . Die Erweiterung der Klinik im Deerth spaltet die Stadt. Am Donnerstag gibt der Rat sein finales Votum ab. Die AWO und ihre Gegner äußern sich.
- Am morgigen Donnerstag entscheidet der Rat der Stadt Hagen final über das Klinik-Vorhaben im Deerth
- Ein letztes Mal vor der Entscheidung kommen in unserer Zeitung die AWO und die Bürgerinitiative zu Wort
- Die AWO glaubt, dass alle Gutachten für sie sprächen – Die Initiative sieht die politischen Gremien auf ihrer Seite
Am Donnerstag (28. November 2017) entscheidet der Rat der Stadt Hagen final über das Klinik-Vorhaben im Deerth. Ein letztes Mal vor der Entscheidung kommen in unserer Zeitung jetzt die AWO und die Bürgerinitiative zu Wort. Die AWO glaubt, dass alle Gutachten für sie sprächen – Die Initiative sieht die politischen Gremien auf ihrer Seite
>>> DAS SAGT DIE AWO: Gutachten geben grünes Licht
Zuversichtlich gibt man sich bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Doch der selbstbewussten Aussage von AWO-Suchthilfe-Leiter Markus Stremmel-Thoran („Ich gehe von einem Mehrheitsbeschluss zu unseren Gunsten aus“) folgt im Gespräch mit der WESTFALENPOST auch ein Satz voller Unsicherheit von AWO-Geschäftsführerin Birgit Buchholz: „Es steht auch zu befürchten, dass diejenigen, die 2015 den Aufstellungsbeschluss für unser Projekt mitgefasst haben, nicht mehr dafür stehen.“ Die Entscheidung zur Einleitung des Bebauungsplanverfahrens war damals mit 32 Ja- zu 23-Nein-Stimmen gefallen.
„Niemand konnte in dem gesamten Diskussionsprozess ein einziges belegtes Argument liefern, dass es mit dem Erweiterungsbau nicht klappen sollte“, sagt Stremmel-Thoran, „sämtliche Gutachten sprechen für uns und auch fachlich spricht alles für die Erweiterung. Es geht nur noch darum, dass man das Klientel nicht in Hagen haben möchte. Die Diskussion wird nicht sachlich, sondern emotional geführt.“
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Die AWO habe alle Unterlagen stets zügig vorgelegt, alle Gutachten konstruktiv begleitet, dafür gesorgt, dass sich ein Maßregelvollzug harmonisch ins Landschaftsbild einfügen würde und alle Diskussionspunkte stets in öffentlichen Teilen politischer Gremien behandeln lassen. Buchholz: „Trotz einer Ablehnung des Vorhabens in vier Gremien und Ausschüssen ist es möglich, dass der Rat morgen anders entscheidet.“
Gegner eine „Minderheit“
Die Initiative gegen das Projekt, die knapp 12 000 Stimmen von Bürgern an OB Erik O. Schulz übergeben hatte, hält man bei der AWO für „eine relevante Größe“, aber auch für „eine Minderheit in der Bevölkerung“.
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350 000 Euro Planungskosten seien bereits in das Projekt geflossen. In einem Brief an OB Schulz am Dienstag bekräftigte die AWO ihre Bereitschaft zur Zahlung des Differenzbetrages, sollte die Stadt noch feststellen, dass der Wert des Erweiterungsgrundstücks nach Schaffung des Baurechts höher sein sollte als im Grundstückskaufvertrag festgelegt. Ein Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte der Stadt sei allerdings dazu gekommen, dass der gezahlte Preis rechtens war. Sollte das Projekt abgelehnt werden, laufe der Betrieb weiter wie bisher. „Wir sind im Deerth erfolgreich“, sagt Geschäftsführerin Buchholz.
>>> DAS SAGT DIE BÜRGERINITIATIVE: Mit der Ratsentscheidung endet der Kampf
Ein beruhigendes Gefühl hat man bei der Bürgerinitiative gegen den geplanten Erweiterungsbau im Deerth. Sprecher Jörg Liese: „In fünf Ausschüssen wurde das Thema bislang diskutiert und abgelehnt. Das ist überraschend deutlich, aber bestätigt uns auch in unserer Haltung.“
Liese erklärt, dass es der Initaitive bis zum Schluss einzig und allein um die Frage gehe, ob man ein wertvolles Stück Hagener Wald (Liese: „Ein Filetstück“) zu Gunsten einer Klinik-Erweiterung opfere. „Unser Thema ist nicht die Forensik, sondern die Natur. Die bestehende Einrichtung im Deerth leistet gute Arbeit und ist akzeptiert, aber der therapeutische Nutzen im Wald ist dennoch nur schwer nachvollziehbar.“ Die Menschen in einem möglichen Maßregelvollzug dürften die Einrichtung schließlich nicht verlassen.
Anders als die AWO blickt man bei der Bürgerinitiative auf die bisherigen Gutachten. „Das, was wir beanstandet haben, ist durch Gutachten auch bestätigt worden. Wir folgen den Stellungnahmen des Umweltausschusses und des Landschaftsbeirates, die das Projekt ablehnen. Und wenn der Rat morgen nicht den Beschlüssen der Gremien folgt, wozu sind diese Gremien dann eigentlich da?“
Die wichtigsten Fakten und Thesen
- Die Ratssitzung beginnt am Donnerstag um 14 Uhr. Deerth wird im öffentlichen Teil entschieden.
- Die Klinik im Deerth ist eine Entziehungseinrichtung, in der drogensüchtige Straftäter untergebracht werden, um sie auf die Eingliederung in die Gesellschaft vorzubereiten.
- In die geplante geschlossene Abteilung, die in vier Gebäudetrakten auf einem 16.000 Quadratmeter großen Areal entstehen soll, würden nur Straftäter eingewiesen, die als "therapiewillig" gelten.
In der Bürgerinitative verfolge man keinen Plan B. „Unser Kampf ist mit der morgigen Ratsentscheidung beendet. Folglich kann ich auch nicht sagen, was passiert, wenn die Entscheidung nicht zu unseren Gunsten fällt. Ich will nur noch einmal deutlich machen, wie viele Bürger gegen dieses Projekt sind.“
Unterstützer-Zahl weit größer
Rund 12 000 abgegebene Stimmen seien nur der offizielle Wert. Viele weitere Unterstützer gebe es, die sich beispielweise aus Datenschutzgründen nicht eingetragen hätten. „In kürzester Zeit ist eine Bewegung enstanden“, sagt Jörg Liese. Einen Tag vor der Entscheidung reagiert Liese auch auf eine etwas zugespitzte Frage, die AWO-Suchthilfeleiter Markus Stremmel-Thoran im Gespräch mit unserer Zeitung geäußert hatte. Sie lautet: „Wird sich die Initaitive im Anschluss an die Entscheidung auch gegen den angedachten Baumwipfelpfad richten?“ Schließlich sei der Parkplatz für dieses Projekt größer als das diskutierte Erweiterungsareal der Drogenklinik. Jörg Liese: „Aus unserer Initiative gegen das Projekt im Deerth kann ich für den Baumwipfelpfad kein Mandat ableiten. Das eine hat mit dem anderen rein gar nichts zu tun.“