Medelon. . Geschlagene 15 Jahre klagt Wilhelm Müller, stellt immer neue Anträge, bis er 1919 dann endlich die Schankerlaubnis in Medelon bekommt.

  • Der Medeloner Gemeindevorsteher hält 1904 eine „neue Schnapskneipe“ im Ort nicht für nötig
  • Sieben Zimmer stehen anfangs für reisende Gäste oder Urlauber bereit
  • Heute führen Marcus und Britta Elsenheimer das auch bei Bikern beliebte Hotel

„Im Namen des Königs“ erging am 8. November 1904 das Urteil, dass dem Schuhmachermeister Wilhelm Müller aus Medelon die „Erlaubnis zum Betriebe der Gastwirtschaft“ versagt bleiben solle. Tja, damit wäre die Geschichte von Müllers Landhotel eigentlich schon auserzählt – wenn, ja wenn es nach der Ansicht der Ortspolizeibehörde in Medebach gegangen wäre. In feiner Sütterlin-Schrift ist da zu lesen, dass die Einwohnerzahl von Medelon nicht das „Bedürfnis nach einer weiteren Schankwirtschaft und dem Kleinhandel mit Branntwein“ rechtfertige. Auch der damalige Medeloner Gemeindevorsteher hielt eine „neue Schnapskneipe“ im Ort nicht für nötig und schrieb an den „königlichen Landrath“: „Die Leute hier sind äußerst nüchtern und sparsam und bleiben des Sonntags zu Hause oder hüten das Vieh.“

Doch Wilhelm Müller kannte die Bedürfnisse seiner Medeloner offensichtlich besser und gab nicht auf. Geschlagene 15 Jahre klagte er und stellte neue Anträge. Die politischen Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg machten es schließlich möglich: Im Alter von 62 Jahren hielt er am 1. Juli 1919 endlich die ersehnte Konzession in der Hand. Ihm waren jedoch nur noch sechs Lebensjahre als Wirt vergönnt.

© Kolja Schmidt

Seine Nachfolge trat Franz Wilhelm Müller als erster Sohn seiner insgesamt neun Kinder an, der ebenfalls Schuster gelernt hatte und das Lokal später an seinen Ältesten Karl Müller weiter gab. Sieben Zimmer standen für reisende Gäste oder Urlauber bereit, die oft von der Ruhrkohle AG aus Duisburg ins Sauerland kamen.

Dreh- und Angelpunkt im Ort

Über all diese Jahrzehnte war die Gastwirtschaft Müller oder „Brümmes“, wie sie landläufig überall mit ihrem Hausnamen heißt, Dreh- und Angelpunkt für das Leben in Medelon. Hier schlug 1955 die Geburtsstunde des Medeloner Karnevals. Bis 1970 fanden die Kappensitzungen im Großen Saal statt, das ganze Haus platzte dann fast aus den Nähten. Die Waschküche wurde zur Sektbar und Theke umfunktioniert; es gab extra eine Theaterbühne, denn es wurde auch Theater gespielt. „Tante Elisabeth“ Padberg, die Tochter und Nachfolgerin von Karl Müller und bis heute der gute Geist des Hauses, erinnert sich noch lebhaft an das Getümmel, das dann im ganzen Haus herrschte.

Pension mit Tradition - alle Folgen

Kleine und mittlere Hotels, Pensionen und Gasthöfe haben im Laufe der Jahre eine Menge erlebt. Vor allem, wenn sie im Familienbesitz sind und schon über Generationen geführt werden. Da gibt es viele kleine Geschichten zu erzählen, über Gäste, über lustige, aber auch traurige Anlässe. Viel hat sich verändert in den Jahrzehnten. Die Besitzer müssen sich immer neuen Herausforderungen stellen. Haben Sie noch Zukunft? Wie sieht es in den Familien mit der Nachfolge aus?

Die Fußballspieler vom SV Rot-Weiß Medelon…..nein, sie trainierten nicht bei Brümmes, aber sie nutzen die multifunktionale Waschküche als Dusche und Umkleide und liefen von dort noch fast 20 Minuten zu ihrem Waldsportplatz „Espe-Kampfbahn“ und zurück. Klar, dass sie sich 1947 in der Gaststube neu gegründet und hier ihr Vereinslokal haben.

Genau wie der Musikverein Medelon, der hier jede Woche probte, bis er 2007 in sein neu gebautes Vereinsheim umzog. Schützenfestsamstag und -sonntag tritt bis heute der Festzug vor dem Hotel an, lange fand hier auch das sonntägliche Frühschoppenkonzert statt. 2000 übernahm Marcus Elsenheimer, der Neffe von Franz und Elisabeth Padberg, in fünfter Familien-Generation die Gastwirtschaft. Der gelernte Koch und Hotel-Betriebswirt baute das Haus mit seiner Frau Britta nach und nach zum heutigen „Müllers Landhotel“ mit mittlerweile 19 Zimmern, Restaurant, Bierstube und dem großen sonnigen Wintergarten mit herausnehmbaren Scheiben aus.

Die Küche entspricht neuesten Standards, denn hier muss alles fluppen: Neben dem normalen Restaurantbetrieb gibt es auch noch den Partyservice für bis zu 400 Personen.

Gäste kommen von weit her

Als ambitionierte Motorradfahrer sind Marcus und Britta Elsenheimer Mitbegründer der Hotelreihe „Bikers World Sauerland“ und außerdem zertifizierter Wandergasthof. Sie haben das Hotel, das direkt am Sauerländer Höhenflug liegt, zu einer Topadresse entwickelt, das nicht nur unter Motorradfahrern und Wanderern wegen seiner bekannt guten Küche einen hervorragenden Ruf genießt.

Jedes Jahr treffen sich im Frühjahr hier Goldwing-Motorradfahrer aus ganz Deutschland, erst vorletzte Woche war die Alt-Opel-IG mit ihren Opel Kapitän und Rekord-Modellen aus den 50er und 60er Jahren zu Gast. Aber nicht nur Gäste von weit her zieht es in Müllers Landhotel, auch für die Einheimischen ist es nach wie vor ein beliebter Treffpunkt.

Hätten die Verantwortlichen von 1904 auch nur ansatzweise geahnt, welchen Erfolg die Idee von Wilhelm Müller in den vergangenen fast 100 Jahren haben würde, dann hätte das Urteil im Namen des Königs garantiert ganz anders ausgesehen!

Hausname „Brümmes“ bleibt bestehen

Der Hausname „Brümmes“ geht auf den Vorbesitzer der Hofstätte in der Orkestraße 26 zurück. 1841 kaufte Franz Schweinsberg (genannt Franzes) den vermutlich schon vor 1800 gebauten Komplex aus zwei Wohnhaushälften, Scheunen und Stallungen. Damals behielt die Hofstätte erst noch den Hausnamen der Vorgänger „Severins“. Sein Sohn Franz Schweinsberg hatte - aus welchen Gründen auch immer, über seine Figur ist nichts überliefert - den Beinamen „Brümmer“. So verfestigte sich nach und nach der Hausname „Brümmes“. Er blieb auch, als Wilhelm Müller, der selbst eigentlich den Hausnamen „Leuers“ trug, im Jahr 1881 das gesamte Anwesen kaufte.

1904 baute er auf einem Teil des großen Grundstücks das bis heute bestehende und 1973 erweiterte Wohnhaus mit der 1919 eröffneten Gastwirtschaft. Die restlichen Gebäude dienten noch einige Jahrzehnte als Stall und Wirtschaftsräume und wurden 1975 abgerissen.

Der Hausname „Brümmes“ ist seit dieser Zeit trotz der über die Jahrzehnte wechselnden Nachnamen der Besitzer von Schweinsberg zu Müller, Padberg und Elsenheimer immer geblieben.

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