Ennepetal/Herdecke. Der ehemalige Spieler, Trainer und Funktionär verlagert seinen Lebensmittelpunkt - und blickt auf wunderbare Jahrzehnte zurück.
Mit dem Jahreswechsel endet in Ennepetal eine sportlichen Ära. Ja, das kann man so bezeichnen, wenn eine Person in der Jugend der 1980er Jahre kickte, ab 1990 in verschiedenen Trainer- und Funktionärs-Ämtern ehrenamtlich im Einsatz war. Der TuS Ennepetal wie der FC BW Voerde, VfL und RW Rüggeberg zählten zu seiner sportlichen Heimat ebenso wie der FC Schalke 04, VfB Schwelm, FC Silschede oder die SE Gevelsberg. Giuseppe "Pino" Bianco hört auf. Aus familiären Gründen verlegt der 60-Jährige seinen Lebensmittelpunkt von Ennepetal nach Herdecke.
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Sie haben viel in Ennepetal erreicht, viel erlebt. Warum kann es in Herdecke mit dem Engagement nicht weiter gehen?
Natürlich ist Herdecke nicht so weit weg. Aber zu weit weg, um mich weiterhin so intensiv wie bisher für RW Rüggeberg einzusetzen. Es braucht die Gespräche und Kontakte vor Ort. Das kann ich von Herdecke aus so nicht mehr leisten, wie ich den Anspruch an mich habe.
Kommt der Schritt überraschend?
Nein, es gab im Vorfeld viele Gespräche. Es war überdies ein längerer Prozess, ehe es zu dieser Entscheidung kam. Für manche Außenstehende mag dies jetzt tatsächich überraschend sein.
Ist der Ortswechsel und der damit verbundene Abschied aus dem fußballerischen Südkreis der Klassiker, mit einem weinenden und einem lachenden Auge zu gehen?
Es ist eher das lachende Auge. Denn die positiven Erlebnisse überwiegen. Es war immer wieder schön, wenn ich an Sportplätzen Leute getroffen habe, die ich lange nicht gesehen und gesprochen habe. Ein Bierchen, eine Bratwurst, nette Gespräche, das hat vieles ausgemacht.
Und die negativen Erlebnisse werden einfach beiseite geschoben?
Natürlich weiß ich um viele Schwierigkeiten, die auch ich in den vergangenen drei Jahrzehnten erfahren hatte. Schließlich gibt es im Ehrenamt immer drumherum Menschen, die einem etwas nicht zutrauen oder die vorgeschlagene Projekte negieren. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, damit umzugehen.
Sie waren auch als Sportlicher Berater aktiv, als der VfL Rüggeberg nach seiner Hochzeit in der Landesliga in 2006 in Konkurs ging und sich auflöste. Seinerzeit hatte Rudolf Masur für das finanzielle Debakel und schließlich auch für die ungewisse Zukunft des Fußballs in Rüggeberg gesorgt. War das einer die Tiefpunkte?
Rudolf Masur hatte eine gewisse Aura, der man sich kaum entziehen konnte, er hat viel bewegt in Rüggeberg. Das muss man so sehen. Allerdings waren ich und die SPD beispielsweise dagegen, dass ein Naturrasen in Rüggeberg entsteht. Wir hatten einen Kunstrasen bevorzugt. Und die vergangenen Schlechtwetter-Perioden haben uns recht gegeben. Schließlich war der Platz zu oft gesperrt, konnte weder Training noch Spiel dort stattfinden. Aber in der Tat war es ein Art Tiefpunkt.
Begonnen hat die Laufbahn als Trainer mit der F-Jugend des TuS Ennepetal als Assistent von Holger Dahl und hat sich in der Jugend am Bremenstadion fortgesetzt. Es folgte der Erhalt der C-Lizenz sowie Engagements in der Jungenden von Schalke, Silschede und Gevelsberg, ehe es 2003 zur ersten Station bei den Senioren kam. Was war schöner? Jugend oder Senioren?
Das kann man so pauschal gar nicht sagen. Es war immer wieder schön, in glänzende, strahlende Kinderaugen zu sehen, wenn sie die Übungen nach- und mitgemacht haben. Die Kinder waren immer sehr wiss-und lernbegierig. Das hat richtig Spaß gemacht und mich auch erfüllt. Das ist mit den Senioren nicht vergleichbar. Aber dort habe ich an meinen verschiedenen Stationen sehr tolle Erfahrungen und Bekanntschaften gemacht.
Sie haben bereits früh Spielgemeinschaften erlebt. So mit der Jugendspielgemeinschaft von SE Gevelsberg und FC Silschede. Mit der C-Jugend gab es eine Vize-Meisterschaft, mit der A-Jugend der Aufstieg in die Kreisleistungsklasse. Haben Sie damals bereits einen Trend zu den Spielgemeinschaften gesehen?
Das ist ein längerer Prozess. In Schwelm beispielsweise war der bereits und ist immer noch zu beobachten. Aus GW, SF, FC und SG 06/09 ist der VfB entstanden. Ähnlich in Gevelsberg, als aus den SE und dem VfL der FSV wurde. Es macht durchaus Sinn Kräfte zu bündeln. Das tut den Vereinen gut, aber auch den spielenden Kindern und Erwachsenen.
In Ennepetal gibt es keine Fusion. Wird es die dort geben?
Die Vereine dort sind sehr eigenständig und haben jeweils ihren eigenen Charakter. Da sehe ich das tatsächlich keine Fusionen. Beispiel Voerde: Wer dort wohnt, spielt beim FC BW. Zunächst auf jeden Fall. Und RW Rüggeberg, wo ich mich zuletzt engagiert habe, habe ich als ausgesprochen familiär empfunden. Jeder Klub hat sein bestimmtes Merkmal, seine bestimmte Identität. Wer weiß, ob ich es noch erlebe, dass in Ennepetal Fußballvereine fusionieren - wenngleich es im Mädchen- und Damen-Bereich bereits punktuelle Zusammenschlüsse gab.
Bei den SE Gevelsberg, FC BW Voerde oder TuS Ennepetal waren Sie an der Seite von Trainer Uli Müller engagiert. War das eine besondere Zusammenarbeit?
Uli und ich haben uns stets wortlos verstanden. Er war zwar der Chef zu den Zeiten, hat mich aber immer gleichberechtigt integriert, hat mich viele Trainingseinheiten machen lassen. Er war es auch, der mich zur Seite gezogen hat, als ein Ball mich an einer Seitenlinie fast getroffen hatte.
Das kann doch immer passieren? Eigentlich. Doch diese Szene aus dem Frühsommer 2005 war einschneidend, da gab es die ersten Symptome Ihrer Augenkrankheit. Sie hatten den Ball einfach nicht gesehen.
Ja, das war der Grund. Ostern 2005 hatte ich erste Probleme, die sich verschlimmert hatten. Ich war zwei Monate später bei einem Spezialisten in Münster. Mittlerweile kann ich mit dem linken Auge nichts mehr sehen. Rechts habe ich eine Sehkraft von 40 Prozent. Das war auch der Grund, warum ich mich mehr und mehr ins Management der Fußballvereine verlagert habe.
Nimmt Uli Müller also einen besonderen Platz ein an Ihrer Seite als Cheftrainer?
Kann man so sagen. Allerdings habe ich mit vielen tollen Persönlichkeiten an der Linie engagiert. Neben Müller und Dahl waren dies unter anderem Christian Voshage, Lars Möske und Achim Münch sowie nicht zu vergessen auf Schalke Uwe Hübscher.
Zu den Engagements als Funktionär zählt auch die Organisation von Turnieren. Woran erinnern Sie sich besonders, wenn Sie an das Pfingstturnier der A-Junioren beim TuS Ennepetal denken?
Eine tolle Zeit. Hier habe ich mich gerne eingebracht und habe auch gerne meine Verbindungen nach Italien spielen lassen, um von dort Klubs zum Bremenstadion zu lotsen.
Der erste Klub In Ennepetal war in 1991 Atalanta Bergamo, der zu seiner Premiere gleich den Turniersieg ergatterte. Eine Art Genugtuung oder Bestätigung fürs Engagement?
Es gab in der Tat Bedenken, weil zu der Zeit hierzulande Bergamo nicht den glanzvollen Namen hatte. Ich wusste aber, dass Bergamo in Italien mit die besten Jugendarbeit leistet. Ich habe ein Volksfest versprochen. Es kam auch zum Volksfest. Besonders im Finale war die Stimmung kochend. Es ging schließlich gegen Besiktas Istanbul. Ich habe es sogar geschafft, dass der italianischen Konsul zum Endspiel gekommen ist.
Das sprang Ihr Herz voller Freude!
Für uns Südländer, die hier wohnen, leben und voll integriert sind, kommt erst die Heimat, dann Ennepetal. Und so habe wir Bergamo gefeiert. Wir haben in den folgenden Jahren neben Bergamo auch AC Florenz, AC Parma als Turnierzweiter in 1995, SSC Neapel als Turniersieger in 1996, Udinese Calcio und Sampdoria Genua die Daumen gedrückt. Mit Neapel im Jahr 2001 gab es den letzten italienischen Teilnehmer, den ich organisiert und um den ich mich während des Turniers als Betreuer gekümmert habe.
Seit über drei Jahrzehnten bis 2020 in Ennepetal, ab 2021 Herdecke. Und das soll ganz ohne Sport, ohne Fußball gehen?
Ich habe nichts geplant und bin da völlig offen. Natürlich werde ich das sportliche Geschehen rund um Ennepetal, aber jetzt auch in Herdecke und Wetter verfolgen.