Ennepetal. Giuseppe Bianco war erster EU-Ausländer im Rat von Ennepetal. Bei der Kommunalwahl 2020 tritt er nicht mehr an. Im Interview zieht er Bilanz.

21 Jahre lang gehörte Giuseppe Bianco als SPD-Vertreter dem Rat der Stadt Ennepetal an. Der Italiener war einer der ersten EU-Ausländer in NRW, die in ein Kommunalparlament gewählt wurden. Nun möchte der 60-Jährige kürzer treten. Bei der Kommunalwahl am 13. September tritt er nicht mehr an und auch für den Integrationsrat, an dessen Einführung er maßgeblich beteiligt war, kandidiert er nicht mehr. Im Gespräch blickt er auf sein Wirken zurück.

In drei Wochen findet die Kommunalwahl statt, Sie treten nicht mehr an. Mit welchen Gefühlen sehen Sie dem entgegen?

Giuseppe Bianco: In der letzten Sitzung des alten Rates, die im Juni stattgefunden hat, war schon viel Wehmut dabei. Die kontroversen, aber konstruktiven Auseinandersetzungen in den Fachausschüssen werde ich vermissen. Ich bin immerhin 21 Jahre im Rat aktiv gewesen, und das als einziger EU-Ausländer im Kreis ununterbrochen. Und ich war nicht zuletzt erster EU-Ausländer als Vorsitzender eines Fachausschusses, dem Sportausschuss, in NRW. Ich kann behaupten, dass ich etwas Stadtgeschichte geschrieben habe, das macht mich auch stolz.

Steckbrief Giuseppe „Pino“ Bianco

Giuseppe „Pino“ Bianco ist in Messina/Sizilien geboren. Im Alter von sieben Jahren kam der Italiener nach Ennepetal.

Seit 38 Jahren ist der 60-Jährige mit seiner Frau Judith verheiratet, mit der er die Söhne Giovanni und Francesco hat. Drei Enkelkinder zählen zur Familie.

Der gelernte Industriekaufmann, der zuletzt als Logistikleiter bei einer Firma in Schalksmühle arbeitete, ist Erwerbsminderungsrentner.

Der bekennende Schalke-Fan trug maßgeblich dazu bei, dass der TuS Ennepetal für das Internationale A-Junioren-Pfingstturnier namhafte italienische Mannschaften verpflichten konnte.

Der Ennepetaler Dokumentarfilmer Horst Groth drehte über Giuseppe Biancos Integrationsgeschichte den mehrfach ausgezeichneten Film „Man nennt mich auch Pino“.

2016 erhielt Giuseppe Bianco vom Förderverein der VHS Ennepe-Ruhr-Süd eine ausdrückliche Anerkennung für seine Lebensleistung in Sachen Integration.

Haben sich denn Ihre Vorstellungen, die Sie zu Beginn hatten, in dieser langen Zeit erfüllt?

Ich musste erst einmal lernen, als ich 1999 erstmals zur Wahl antreten durfte, dass man in der Politik einen sehr langen Atem und viel Zeit braucht, um Dinge umzusetzen. Unabhängig von inhaltlichen Zielen hatte ich zwei Wünsche: Ich wollte als erster Italiener in der Stadt und auch im ganzen Ennepe-Ruhr-Kreis, in den Rat gewählt werden. Das habe ich geschafft. Und ich wäre gerne als erster Italiener stellvertretender Bürgermeister geworden. Gegen Anita Schöneberg (die dieses Amt für die SPD seit 2004 inne hat, Anm. d. Red.) wollte ich aber nie antreten. Es müssen ja nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen.

Was sehen Sie als Ihre größten politischen Erfolge an?

Da gibt es einiges. Ich war zum Beispiel ja einige Wahlperioden lang Vorsitzender des Sportausschusses. In der Zeit haben wir das Außensportstättenkonzept erarbeitet, um die Sportanlagen in der Stadt nach und nach auf den modernsten Stand zu bringen. Um unsere Kunstrasenplätze haben uns die Nachbarstädte damals beneidet. Ein Erfolg ist auch, dass in Ennepetal ein Integrationsrat anstelle des Ausländerbeirats eingerichtet wurde – auf Antrag der SPD. Das war für eine Stadt dieser Größenordnung eine freiwillige Entscheidung. Und für den Integrationsrat habe ich ja die Lista Italiana gegründet, mit der wir bei der letzten Wahl 75 Prozent erreicht haben. Ich habe gesagt, wir müssen zu den Menschen hin, sie für die Wahl gewinnen. Das ist uns gelungen.

Was war Ihre Motivation, parteipolitisch aktiv zu werden und für den Rat zu kandidieren?

Ich bin Kind eines Gastarbeiters, ich lebe hier, zahle Steuern, meine Kinder sind hier zur Schule gegangen. Da wollte ich auch politisch aktiv werden. Ich war ja schon seit den 80er Jahren im Jugendzentrum engagiert, damals, um Spannungen zwischen ausländischen und deutschen Jugendlichen abzubauen. Ich war in der Initiative gegen Ausländerfeindlichkeit dabei. Und ich habe mit auf den Weg gebracht, dass der Ausländerbeirat von den hier lebenden Ausländern gewählt werden konnte und die Mitglieder nicht wie bis dahin von der Politik bestimmt wurden.

Entweder – oder

Kaffee oder Espresso?
Espresso. Der gehört einfach zur italienischen Lebensart.


Pasta oder Kartoffeln?
Pasta. Davon kann ich nie genug kriegen. Das hängt mit meiner Kindheit zusammen. Kartoffeln esse ich zu einigen Gerichten aber auch gern.

„Squadra Azzura“ oder „Die Mannschaft“?
Squadra Azzura. In mir fließt nun mal italienisches Blut.

Warum haben Sie sich der SPD angeschlossen?

Mein Mentor Peter Schnurbusch hat mich 1992 zum Eintritt in die SPD bewegt. Und er hat mich 1999, als erstmals EU-Ausländer zur Kommunalwahl antreten durften, überzeugt, für den Rat zu kandidieren. Dafür hat er mir sogar seinen angestammten Wahlkreis in Milspe, rund um die Schule Friedenstal, überlassen. Bei der letzten Wahl 2014 hatte ich da übrigens 49,7 Prozent, das war mein bestes Ergebnis.

Integration ist für Sie ein großes Thema. Haben Sie sich innerhalb der SPD und auch im gesamten Rat von Anfang an integriert gefühlt?

In der SPD bin ich sehr gut aufgenommen worden. Ich konnte nach kurzer Zeit als sachkundiger Bürger – das erlaubte das Kommunalwahlrecht da schon – im Sportausschuss erste Erfahrungen sammeln. Im Rat habe ich bei den anderen Fraktionen anfangs zum Teil Skepsis gespürt. Etwas offen gesagt hat aber niemand. Ich habe als Gastarbeiterkind ohnehin gelernt, immer einen Tick mehr leisten zu müssen als andere, um anerkannt zu werden.

Offen feindselig ist Ihnen der Vertreter der NPD, der 2009 in den Rat eingezogen war, entgegen getreten. Unter anderem hatte er, als die SPD unter Ihrer maßgeblichen Mitwirkung die Einrichtung eines Integrationsrats beantragte, einen Reintegrationsrat gefordert und dann für den Integrationsrat kandidiert. Haben Sie in dieser Zeit ausreichend Rückendeckung der übrigen Ratsmitglieder gespürt?

Ja. Da war ich ja schon einige Wahlperioden dabei. Aber das war in der Tat meine schwerste Zeit. Auf der Homepage der NPD, später ist deren Vertreter zu Pro NRW gewechselt, gab es ständig verbale Angriffe. Aber diese schlimme Zeit ging dann zum Glück auch wieder vorbei.

Hatten Sie Sorgen, als die AfD 2014 zwei Ratsmandate erhielt, dass Sie erneut angefeindet werden könnten?

Befürchtungen hatte ich schon. Aber die AfD ist nicht so extrem wie die NPD und Gott sei Dank haben sich die Befürchtungen nicht bewahrheitet. Aber ich bin trotzdem froh, dass diese Partei in Ennepetal diesmal nicht antritt.

Für den Integrationsrat, dessen Vorsitz Sie aus gesundheitlichen Gründen abgegeben haben, kandidieren Sie auch nicht mehr. Machen Sie im Beirat für Menschen mit Behinderungen, dessen Vorsitzender sie bislang waren, weiter?

Als Betroffener bleibe ich gern dabei, ich habe mich zu Jahresbeginn schließlich wieder zur Wahl gestellt. Im September werden wir unsere konstituierende Sitzung haben, da würde ich gern wieder für den Vorsitz kandidieren. Das Gremium ist wichtig. Wir legen bei Problemen nicht einfach nur den Finger in die Wunde, sondern machen, wenn möglich, praktikable und finanzierbare Verbesserungsvorschläge.

Nach dem Rückzug aus dem Rat werden Sie künftig mehr Zeit haben. Was wollen Sie damit anfangen?

Ich habe jetzt schon gemerkt, dass ich mehr Zeit habe, um sie mit den Enkelkindern zu verbringen. Das werde ich künftig noch mehr genießen. Die Zeit mit der Familie ist mir das Wichtigste.