Möhnesee. Der ADAC will den Campingplatz für Wohnmobile und Kurzzeit-Urlauber umgestalten. Die Dauercamper müssen weichen - und sind verärgert.

Zehn Tage war er alt, als ihn seine Eltern zum ersten Mal mit an den Möhnesee nahmen. „Der ADAC-Campingplatz ist zu meinem zweiten Zuhause geworden“, sagt Holger Zwaka 53 Jahre später, „sobald ich die Schranken passiere, bin ich in einer anderen Welt.“

Kurz vor Weihnachten haben Zwaka und nach seinen Angaben gut 170 andere Dauercamper ihre Kündigung erhalten. Bis zum 31. Dezember 2025 sollen sie ihre Wohnwagen-Stellplätze besenrein übergeben. „Es wäre für mich eine Katastrophe, wenn ich hier nicht mehr sein dürfte“, sagt der Dortmunder, „ich würde ein Stück Heimat verlieren.“

ADAC Camping-Platz Möhnesee.
Ein Blick von oben auf den ADAC-Campingplatz am Nordufer des Möhnesees. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

In Möhnesee-Körbecke ist der einzige Campingplatz eines ADAC-Regionalclubs im Bundesgebiet beheimatet. Hier finden sich Wohnwagen-Stellplätze - bislang ausschließlich für Dauercamper -, aber auch Ferienwohnungen für Kurzurlauber.

„Der untere Bereich“, beschreibt Till Westermann vom ADAC Westfalen die Planungen für eine Umgestaltung, „soll als touristischer Campingplatz für Wohnmobile, Gespanne, Camper-Vans und Zelte erschlossen werden. Der obere Bereich wird weiterhin an Dauercamper vermietet.“ Man achte darauf, dass die Dauercamper des unteren Bereichs die Möglichkeit bekämen, in freiwerdende Parzellen umzuziehen.

Stellplätze in unmittelbarer Nähe des Sees heiß begehrt

Die Stellplätze „unten“, so Dauercamper Zwaka, seien wegen ihrer unmittelbaren Nähe zum See immer heiß begehrt gewesen. Nach den Kündigungen hätten viele auf dem Gelände die Sorge, dass sie wegen der mutmaßlich sehr begrenzten Zahl an freien Plätzen im oberen Teil ihre Zelte am Möhnesee abbrechen müssen.

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Ein schlimmer Gedanke für Holger Zwaka. Für ihn ist der 1956 eröffnete Campingplatz am Nordufer ein Stück Familiengeschichte. Den ersten Pachtvertrag am „westfälischen Meer“ unterschrieb seine Großmutter 1962. Zwakas heute fast 80 Jahre alten Eltern waren einst die jüngsten Pächter, jetzt sind sie die ältesten.

Seine beiden Söhne (17 und 20) waren an Wochenenden und in den Ferien immer auf dem Gelände. Das sollte auch in Zukunft für deren zweieinhalbjährige Schwester gelten: „Ich habe gedacht, dass ich auch meine Tochter in diesem kleinen Paradies aufwachsen sehe“, sagt Zwaka.

Viele Freundschaften entstanden

Holger Zwaka erinnert sich gerne an die goldenen Jahre des Campingplatzes: „Es sind viele Freundschaften entstanden, hier wurde generationenverbindende Gemeinschaft gelebt.“ Der 53-Jährige denkt in diesem Moment an seine Eltern: „Wenn sie und andere ältere Pächter Ende des Jahres den Platz verlassen müssten, leistet man der Vereinsamung der älteren Generation Vorschub.“

ADAC Camping-Platz Möhnesee.
Er sei schon sieben Tage nach seiner Geburt zum ersten Mal auf dem ADAC-Campingplatz in Möhnesee-Körbecke gewesen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Die guten alten Zeiten: „Wir leben in einer schnelllebigen Welt“, sagt Holger Zwaka, „alles verändert sich, nur nicht auf diesem Campingplatz. Zumindest bislang.“ Für ihn sei der Aufenthalt auf dem ADAC-Grundstück immer pure Lebensqualität gewesen: „Man entschleunigt und wird geerdet, sobald man hier ist.“

Es sind andere Zeiten: Besucher erkennen sehr bald, dass der Platz in die Jahre gekommen ist. An einer Front des einstigen Platzwart-Hauses ist etwas erhöht eine Holztür zu sehen, zu der eine Treppe führen müsste. Die gibt es längst nicht mehr, wie auch das Restaurant auf dem Gelände. Und auch die Wege und die Beleuchtung hätten augenscheinlich seit längerer Zeit eine Grundrenovierung nötig. „Der ADAC hat hier jahrzehntelang nicht mehr investiert“, kritisiert Holger Zwaka. Schaut man auf die Internetseite des Campingplatzes, gewinnt man den Eindruck, dass es auf dem Gelände nur Ferienwohnungen gibt. Und keine Dauer-Stellplätze.

Stellplatz-Miete: zwischen 1000 und 1200 Euro im Jahr

Für die Anmietung mussten die Dauercamper pro Jahr zwischen 1000 und 1200 Euro zahlen, berichtet Zwaka, „plus 120 Euro Zweitwohnungssteuern“. Verspricht sich der ADAC womöglich höhere Einnahmen, wenn in Zukunft mehr Kurzzeit- als Dauercamper auf dem Platz sind? „Denen geht es nur ums Geld“, fasst Zwaka die Meinung der Gekündigten zusammen.

ADAC Camping-Platz Möhnesee.
Nicht nur Wohnwagen-Stellplätze finden sich auf dem Campingplatz, auch Ferienwohnungen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Davon will ADAC-Sprecher Westermann nichts wissen. „Im Gegenteil. Der ADAC Westfalen muss sehr viel investieren, um den Platz für Urlauber zugänglich zu machen. Da wir selbst nicht als Pächter auftreten und dementsprechend auch nichts mit der Vermietung vor Ort zu tun haben, werden wir auch nicht mehr Einnahmen durch die Camping-Urlauber haben.“

Und was steckt dann hinter den Umbauplänen? „Der Grund liegt in unserem Vereinsstatus verwurzelt“, so Westermann, „denn die Förderung des Regionaltourismus ist ein satzungsmäßiger Auftrag des ADAC, der mit einem Dauercampingplatz nicht erfüllt werden kann.“ Die Erschließung des unteren Teils des Campingplatzes für Touristen ermögliche es, künftig mehr Mitgliedern Zugang zum See zu verschaffen. Und man mache auf diese Weise den Möhnesee auch für überregionale Urlauber attraktiver.

ADAC Camping-Platz Möhnesee.
Wegen der Lage direkt am See sind die Stellplätze am unteren Teil des Campingplatzes sehr begehrt. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Setzt der ADAC seine Pläne um, werde das massive Folgen für die Menschen in Möhnesee haben, findet Dauercamper Zwaka: „Sollten ab 2026 jedes Wochenende zahlreiche Wohnmobile – also Großfahrzeuge - den Platz ansteuern, wird die ohnehin schon angespannte Verkehrssituation noch einmal verschärft.“ Der Dortmunder erinnert daran, dass sich in der Gemeinde im Kreis Soest schon vor Jahren die Bürgerinitiative „Verkehrsberuhigung Möhnesee“ gebildet habe: „Die Einwohner wollen nicht noch mehr Lärm und verstopfte Straßen.“

Möhnesees Bürgermeisterin Maria Moritz kann den Ärger der Dauercamper über die Kündigungen verstehen, wie sie sagt - „schließlich haben sie sich jahrelang an einem wunderschönen Fleckchen Erde aufhalten können“. Gleichzeitig könne sie den Wunsch des ADAC nachvollziehen, nicht nur einem kleinen Teil seiner Mitglieder einen Platz in besonderer Lage zur Verfügung stellen zu wollen.

ADAC Camping-Platz Möhnesee.
„Es wäre für mich eine Katastrophe, wenn ich hier nicht mehr sein dürfte“, sagt der Dortmunder Holger Zwaka. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Dass die Verkehrssituation am Möhnesee bisweilen angespannt ist, will die Bürgermeisterin erst gar nicht in Abrede stellen. Aber: Im Rahmen des NRW-Strukturförderungsprogramms „Regionale 2025“ werde ein Mobilitätskonzept erarbeitet - „mit dem Ziel, die Verkehrsströme digital und intelligent zu lenken. Das wird, zusammen mit einem Parkleitsystem, zu spürbaren Entlastungen führen“.

Der ADAC Westfalen sei bei den Planungen mit im Boot, ergänzt die Bürgermeisterin. Dessen Sprecher Till Westermann zufolge gehe man in seinem Haus davon aus, „dass es durch den Umbau des Platzes keine übermäßige Mehrbelastung der Straßen geben wird. Man darf nicht außer Acht lassen, dass auch ein Dauercampingplatz vor allem für Wochenendaufenthalte genutzt wird. Die Anzahl der Fahrzeuge, die am Wochenende den Campingplatz ansteuern, wird sich also nicht großartig ändern.“

Till Westermann, ADAC Nordrhein-Westfalen

„Schon 2022 wurde das Kündigungsdatum an die Dauercamper kommuniziert. Daraus folgt auch, dass die Kündigung nicht überraschend kam.“

Till Westermann
Sprecher des ADAC Westfalen

In der ADAC-Westfalen-Zentrale in Dortmund hat man sehr wohl mitbekommen, dass es Unmut bei Dauercampern über die Kündigungen gibt. „Schon 2022 wurde das Kündigungsdatum an die Dauercamper kommuniziert“, sagt Westermann, „daraus folgt auch, dass die Kündigung nicht überraschend kam.“ Man dürfe auch nicht vergessen, dass es sich beim Anmieten der Stellplätze um Jahresverträge handele.

Holger Zwaka hat bislang 53 Jahre seines Lebens mehr oder weniger jede freie Minute auf dem Campingplatz in Körbecke verbracht. „Wir werden die Kündigungen nicht auf sich beruhen lassen“, sagt er entschlossen. 170 Dauercamper gegen den größten Verkehrsclub Europas. „Es ist ein Kampf David gegen Goliath. In der Bibel hat der vermeintlich Schwache gewonnen.“

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