Arnsberg/Bremerhaven. Der Sauerländer Richard Eickel ist Geschäftsführer eines Feuerwerks-Unternehmens. Was er zu Forderungen nach einem Böller-Verbot sagt.
Wenn Richard Eickel magische Kräfte hätte, würde er zum Jahreswechsel eine trockene und ruhige Wetterlage zaubern. „Wenn bei der Vorhersage für die Silvesternacht die Worte Sturm, Glatteis oder Starkregen fallen, ist das für unser Geschäft kritisch“, sagt der Sauerländer und Geschäftsführer der Comet Feuerwerk GmbH in Bremerhaven, der Nummer 2 unter Deutschlands Feuerwerks-Unternehmen. Will heißen: „Das Wetter beeinflusst die Kaufentscheidung für Feuerwerksartikel mehr als eine Rezession oder Inflation.“
Seit 20 Jahren steht der 60-Jährige aus Arnsberg-Herdringen an der Spitze des norddeutschen Unternehmens, dessen Mutterkonzern in Hongkong sitzt. Der Sauerländer war zuvor fast ein Vierteljahrhundert beim Arnsberger Topf- und Pfannenhersteller Berndes beschäftigt. „Ich hatte die Stellenanzeige in der ,Lebensmittelzeitung‘ gelesen, dann den Headhunter angerufen und ihn gefragt, um welche ,reizvolle Stadt im Norden‘ es sich handele.“
Als Quereinsteiger angefangen
Ohne sich vorher in Bremerhaven umgeschaut und ohne eine richtige Bewerbung abgeschickt zu haben, wie er sagt, unterschrieb er „nach sehr guten Gesprächen“ den Vertrag als Geschäftsführer: „Ich hatte zuvor von Silvesterraketen keine Ahnung“, gesteht Eickel ein.
- Feuerwerksverkauf in NRW: Böller, Raketen – diese Regeln gelten
- Feuerwerk: Wo in Menden nicht geböllert werden darf
- Trotz Umweltbelastung: Verband erwartet steigendes Geschäft mit Feuerwerk
- Warum Sie die Finger von illegalen Böllern lassen sollten
Comet sei „im Herzen ein Logistikunternehmen rund um das Produkt Feuerwerk“, beschreibt Eickel, „mich hat damals die Transformation bei einem früheren Marktführer gereizt“. Heute kann der 60-Jährige gelassen über die schwierigen Anfänge reden. Sein erstes Silvestergeschäft 2004 sei geradezu katastrophal gewesen. Am 2. Weihnachtstag hatte ein Tsunami im Indischen Ozean gewütet und zu schweren Verwüstungen geführt: „Daraufhin haben die Bundesbürger in großer Zahl gespendet und weniger Geld für das Silvesterfeuerwerk ausgegeben.“
Heute sei Comet ein grundsolides Unternehmen mit mehr als 1000 Feuerwerksprodukten im Sortiment und mit in der Spitze bis zu 200 Mitarbeitern. Es sei rückblickend von Vorteil gewesen, dass er als Quereinsteiger zu Comet gewechselt sei, findet Eickel: „So konnte ich mir unbelastet anschauen, wie der Kunde tickt. Er kauft ein Versprechen in einem bunten Karton.“ Also habe er zusammen mit seinem Team mit Hochdruck in das in die Jahre gekommene Produktportfolio investiert. Innerhalb von fünf Jahren sei das komplette Sortiment umgestellt worden.
Böller und Raketen aus China
Die gesamte Ware, erklärt Richard Eickel, wird bei Produktionspartnern in China hergestellt. Sie gelange auf dem Seeweg nach Bremerhaven: „Zwischen Juni und Dezember werden uns 600 Container aus Asien erreicht haben.“
Seit Ende November bringen Speditionspartner die Comet-Feuerwerksartikel zu allen Verkaufsstätten. Eickel nennt das Beispiel Edeka: „Wir beliefern fast alle der über 10.000 Verkaufsstellen des Unternehmensverbundes. Die Menge an Feuerwerk ist dabei von Standort zu Standort unterschiedlich, sie berechnet sich nach der Größe des Marktes und des Einzugsgebietes, aber auch nach dem Verkauf im vergangenen Jahr.“ Alles, was nicht verkauft werde, müsse wieder zurück in das Comet-Lager.
Der Geschäftsführer spricht von einer „logistischen Höchstleistung“, die alle Jahre wieder zu erbringen sei: „Unser gesamtes Geschäft ist auf eine halbe Stunde nach Mitternacht konzentriert. An den drei Verkaufstagen vor Silvester muss der Umsatz eines ganzen Jahres erwirtschaftet werden. Wir haben sozusagen nur einen Schuss im Jahr, der muss sitzen.“
Richard Eickel blickt in diesem Moment vier Jahre zurück. „Das einzige Mal, dass ich wirklich Schweiß auf der Stirn hatte, war am 13. Dezember 2020“, sagt er und erinnert an den Tag, als die Bundesregierung wegen der Pandemie ein Verkaufsverbot für Feuerwerk verkündete: „Es sollte bedingt durch Corona an Silvester keine größeren Menschenansammlungen geben. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir bereits 90 Prozent der Ware ausgeliefert. Ich wusste damals nicht, wie es für uns ohne einen Cent Umsatz im Jahr 2020 weiter gehen sollte.“ Am darauffolgenden Jahreswechsel galt ebenfalls ein Böllerverbot. Letztlich habe das Krisenmanagement im Unternehmen funktioniert, findet Eickel.
Nachholbedarf nach der Pandemie
Nach der Pandemie ging es stetig bergauf: „Die Menschen hatten Nachholbedarf und wollten feiern“, sagt Eickel, „die Silvestergeschäfte 2022 und 2023 waren exzellent.“ Und auch zum Jahreswechsel 2024/25 erwartet er sehr gute Umsätze: „Durch Kriege, Regierungskrise und allgemeine Preissteigerungen sind es schwierige Zeiten. Da wollen die Menschen mit dem Abbrennen von Feuerwerk, nach guter Tradition, die bösen Geister vertreiben.“
Wenn man so will, ist es auch Tradition, dass sich Eickel mit Kritikern auseinandersetzen muss, die auf eine Umwelt-, Lärm- und Gesundheitsbelastung“ durch das Silvesterfeuerwerk hinweisen. Oder mit den Forderungen nach einem Böllerverbot, wie in diesem Jahr wieder von der Deutschen Umwelthilfe. „Ich muss gestehen, dass ich nach 20 Jahren als Geschäftsführer eines Feuerwerk-Unternehmens entspannter geworden bin“, sagt er. Aber: „Ich störe mich in diesem Jahr besonders an der Aussage, dass es ,gerade in Zeiten, in denen verschiedene Konflikte teils auf offener Straße ausgetragen werden, es an Wahnsinn grenzt, den Menschen hochexplosive Sprengkörper in die Hand zu drücken‘“.
Feuerwerkskörper, so betont Eickel, seien „bei sachgemäßem Gebrauch ausgewiesen nicht gefährlich und bringen vielen Menschen viel Freude zum Jahreswechsel“. Überhaupt führe aus seiner Sicht ein Verbot zu nichts: „Dann wird Feuerwerk illegal erworben. Das ist gefährlich, weil man keine Kontrolle mehr über die Ware hat. Ich halte nichts von einer Dämonisierung von Silvesterfeuerwerk.“ Ausdrücklich begrüßt Eickel dagegen lokale Verbote von Silvesterfeuerwerk: „Zum Beispiel aus Sicherheitsgründen an sozialen Brennpunkten. Da sind nicht die Knaller das Problem, sondern die Knallköpfe.“
Und was sind die Trends in diesem Jahr? „Feuerwerksbatterien“, sprudelt es aus Eickel heraus, „die müssen sie einmal anzünden, und dann können Sie zum Beispiel 50 Schuss und mehr genießen, ohne noch etwas tun zu müssen.“ Solche Batterien machten mittlerweile fast die Hälfte der Umsätze aus. Rückläufig sei dagegen das Geschäft mit Böllern.
Eine Herzensangelegenheit
Trotz der 20 Jahre in Bremerhaven ist das Sauerland Richard Eickels Lebensmittelpunkt geblieben. Seit zwei Jahren sitzt er für die CDU im Arnsberger Stadtrat, Anfang des Jahres hat er den Vorsitz im Musikverein Herdringen übernommen. Wie schafft man das? „Es ist für mich kein Problem, alles weitestgehend unter einen Hut zu bekommen“, so Eickel, „als Geschäftsführer in der freien Wirtschaft fällt es nicht schwer, Termine zu koordinieren und Verantwortung zu übernehmen.“
„Köpfe müssen oben bleiben“
Silvesterfeuerwerk ist für Richard Eickel naturgemäß ein Geschäft. Aber auch zu einer Herzensangelegenheit geworden: „Mich freut am meisten die Fröhlichkeit in den Gesichtern der Menschen.“ Eine gelungene Choreographie hinzubekommen sei schon eine besondere Kunst, findet er: „Am Höhepunkt seiner Entfaltung verschwindet ein Feuerwerk wieder. Daher muss es – wenn man so will – Knall auf Fall gehen. Am Himmel muss ständig etwas Aufregendes passieren, damit die Köpfe der Betrachter oben bleiben.“
Er selbst feiert Silvester immer im Freundeskreis in Herdringen. Wenn alle anderen ihr Feuerwerk abgebrannt haben, zündet Eickel noch zwei, drei größere Batterien an: „Dann fällt die ganze Anspannung bei mir ab, auch wenn wegen der zum Teil schwierigen Phase der Auslieferung unserer Produkte mein Puls nicht mehr auf 180 geht wie in den Anfangsjahren. Aber das Silvesterfeuerwerk ist für mich eine sehr emotionale Sache geblieben.“
Weitere Themen aus der Region:
- Übernahme der Eurobahn? Sauerland mit „Faust in der Tasche“
- Skispringen in Willingen: Dieser Mann ist der Rekord-Fan
- KI im Schulunterricht: Werden Kinder das Lernen verlernen?
- CDU-Chef Merz in Menden: „Keine Zusammenarbeit mit der AfD“
- So wird das Sauerland zu Deutschlands Dinosaurier-Schatzkammer
- Elfjährige Mutter: Eine Aussage, zwei Meinungen
- A-45-Brücke in Lüdenscheid: Zusammenschluss schon im Februar
- Sauerländerin muss Licht meiden: Warum sie vor Gericht zog
- Anwältin der elfjährigen Mutter: „Der Druck auf das Mädchen ist enorm“
- Nadelöhr Westhofener Kreuz: Was ist da eigentlich los?