Hagen. Für die Sorgenbrücke auf der A45 bei Hagen gibt es jetzt einen geänderten Plan. Ob er umsetzbar ist, stellt sich erst noch heraus.
Als Ingenieurin ist man es gewohnt, Zuversicht an den Tag zu legen - auch oder gerade in schwierigen Fällen. „Wir starten mit dem Projekt neu, aber nicht bei Null. Wir können viele Grundlagen nutzen, um in diesem komplexen Bauumfeld eine neue Brücke zu planen und zu bauen“, sagt Nadja Hülsmann, Bereichsleiterin Bau bei der Autobahn GmbH Westfalen, über die Brücke, die hinter ihr in die Höhe ragt. Dabei handelt es sich um die Talbrücke Brunsbecke der Autobahn 45, dem gerade größten Problemfall auf der Sauerlandlinie. Längst sollte das Bauwerk abgerissen und neu gebaut sein. Doch die Arbeiten kamen zum Erliegen.
Jetzt gibt es Neuigkeiten von der Brücke, nämlich konkrete Pläne, wie das Projekt wieder in Gang gesetzt werden soll, nachdem zuletzt große Ungewissheit herrschte. Schon 2017 begannen die vorbereitenden Maßnahmen im Gelände, 2019 wurde der Auftrag für den Neubau vergeben und erfolgte der Spatenstich. Der damalige NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) lächelte dabei bereitwillig in die Kameras.
„Wir starten mit dem Projekt neu, aber nicht bei Null. “
Aber die Arbeiten gerieten ins Stocken und stoppten dann komplett: Probleme mit der Gründung wegen der Bodenbeschaffenheit. Erweitertes Bodengutachten 2020. Danach die Nachricht: So wie geplant, kann nicht gebaut werden. Alles muss neu berechnet werden. Das macht sogar die Neuvergabe des Baus notwendig. Ein höchst seltener Vorgang.
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Seitdem wurde daran gearbeitet, Lösungen zu finden in dem steilen Gelände, in dem sich Ausläufer des Siebengebirges zu einem hoch komplexen Untergrund formiert haben, der eine Tausende Tonnen schwere Brücke in einer Windschneise tragen soll. Erstmals ist nun klar, was die Autobahn GmbH unternehmen will, um die bisherige Problematik zu umgehen und wie es an der Sorgen-Brücke weitergeht.
Fakt 1: zusätzliches Pfeilerpaar
„Der neue Entwurf sieht ein zusätzliches Pfeilerpaar vor“, sagt Nadja Hülsmann. Die bisherige Brücke Brunsbecke hatte sechs Pfeiler, neu geplant war sie mit fünf Pfeilerpaaren. Nun also wieder zurück auf Anfang. „Dem besonders komplexen Baugrund gehen wir damit aus dem Weg“, erklärt die Ingenieurin. Dabei werden nicht alle Pfeiler signifikant versetzt, sondern wird links und rechts neben einem bisher geplanten Pfeiler gebaut.
Ob das reicht, um die Probleme zu beheben? Weiß noch niemand ganz sicher. „Im Bereich der neuen Stütze werden jetzt Baugrunduntersuchungen durchgeführt“, sagt Hülsmann. Bis zu 50 Meter tiefe Bohrungen werden in naher Zukunft vorgenommen, um Sicherheit zu haben. Taugt der Boden an den entsprechenden Stellen, kann die Brücke neu geplant werden.
Fakt 2: Baurecht erlischt
Längst war für die neue Brücke Baurecht geschaffen worden. Durch die mögliche Versetzung der Pfeilerstandorte ändert sich die Planung. Somit liegt kein Baurecht mehr vor bzw. muss dieses erneuert werden. „Wir müssen das mit allen Behörden abstimmen. Aber wir reden da nicht von einem Vorgang, der Jahre in Anspruch nimmt“, beruhigt Nadja Hülsmann.
Ein Pfeilerpaar wird zum Beispiel sehr viel näher an dem namensgebenden Fluss Brunsbecke im Tal stehen, daher müssen zum Beispiel Umweltfragen erörtert werden. Am vergangenen Mittwoch lud die Autobahn GmbH die rund ein Dutzend Anlieger, deren Grundstücke zum Teil in Anspruch genommen werden müssen, zu einem Gespräch ein.
Fakt 3: Sanierungsarbeiten an bestehender Brücke
Wie viel Zeit das alles in Anspruch nehmen wird, bleibt unklar. Zu einem ganz frühen Zeitpunkt der Planung hatte es mal geheißen, dass die Brücke 2020 fertig gebaut sein solle. Nach dem Spatenstich 2019 hätte die Brücke nach drei, vier, fünf Jahren fertiggestellt sein können. Doch davon ist die Brunsbecke weit entfernt. Der Verzug ist schon jetzt immens - und wie groß er werden wird, steht in den Sternen.
Problem dabei: Brücken haben eine begrenzte Lebensdauer. Die Brunsbecke gilt aufgrund der ähnlichen Bauweise als die Schwesterbrücke der Talbrücke Rahmede in Lüdenscheid, die im Dezember 2021 wegen akuter Einsturzgefahr gesperrt werden musste. Dort ist die Autobahn 45 zwar noch immer gekappt, aber geht der Neubau in großen Schritten voran. Einer Freigabe für den Verkehr spätestens im Sommer 2026 scheint nichts im Wege zu stehen. Das ist eine klare Perspektive. Eine, die an der Brunsbecke fehlt.
Dort ging es zuletzt erstmal darum, Zeit zu gewinnen. Längst wird durch angepasste Verkehrsführung, ein Lkw-Überholverbot, Geschwindigkeitsbegrenzungen sowie Abstandsgebote Last von der Brücke genommen. An den Pfeilern wurden jüngst Betonarbeiten vorgenommen und zudem Stahlstreben in engem Abstand auf den Seiten des Hohlkastens angebracht, der die Fahrbahn trägt. Dies soll verhindern, dass das Tragwerk Beulen bekommt und nachgibt. „Die Maßnahmen sorgen dafür, dass die Brücke den Verkehr so lange wie nötig trägt“, erklärt Nadja Hülsmann.
Wenn die als Pfeilerstandorte auserkorenen Stellen sich als tragfähig erweisen, wird der Bau der Brücke neu geplant. Ein Ingenieurbüro übernimmt dies. Diese Planung wird dann öffentlich zum Bau ausgeschrieben. Wann das alles sein wird? Die Autobahn GmbH Westfalen mag dazu öffentlich keine Prognosen mehr abgeben.
Da es sich aber um eine Brücke handelt, die neben der ursprünglichen Fahrbahn gebaut werden muss, um sie später seitlich zu verschieben (wie vor Jahren die Lennetalbrücke in Hagen), ist klar: Es werden viele weitere Jahre vergehen, ehe das neue Bauwerk fertig ist.
Talbrücke Kattenohl
Nur wenige hundert Meter entfernt von der Talbrücke Brunsbecke steht die Talbrücke Kattenohl auf Hagener Stadtgebiet. Beide Projekte waren einst aufgrund ihrer Nähe zueinander als Einheit betrachtet worden. Der Auftrag zum Neubau beider Brücken war an den Bauriesen Hochtief vergeben worden. Wegen der erheblichen Veränderung bei der Gründung, muss der Auftrag für die Brunsbecke aber neu vergeben werden. An der Talbrücke Kattenohl wird derweil weiter gearbeitet. Bereits 2019 war eine Brückenhälfte abgerissen worden, der Verkehr läuft über die verbliebene Hälfte. Stützwände seien laut Autobahn GmbH Westfalen zuletzt erstellt worden, um den Hang zu sichern. Derzeit liefen u.a. Arbeiten zur Gründung.