Hagen. Auf der A45 sollen bis 2035 eigentlich alle Brücken neu gebaut sein. Was der Fall „Talbrücke Rahmede“ für das Mammutprojekt bedeutet.

Die A45 - wie wichtig und wie besonders sieist, wurde in den vergangenen Wochen sichtbar: Durch die Sperrung der maroden Talbrücke Rahmede kam und kommt es rund um Lüdenscheidzum Verkehrschaos. Das A in A 45 könnte auch stehen für: alternativlos. Und so ist das fast überall auf der Sauerlandlinie, der Königin der Autobahnen, die über den Tälern Südwestfalens thront. Zwischen Westhofener Kreuz und hessischer Grenze müssen 32 Talbrücken – bis zu 1000 Meter lang und 100 Meter hoch – bei laufendem Autobahn-Betrieb erneuert werden. Das steht lange fest. Bis 2035 soll das erledigt sein. Klappt das? Und in welchem Zustand sind die anderen Brücken? 6 Fragen zum Planungsstand eines Mammutprojektes.

1.Wie ist der Zustand der Brücken? Die 32 Talbrücken wurden mehrheitlich binnen weniger Jahre Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre fertig. Problem: Geplant waren sie zum Teil nur für eine Last von 20.000 Autos am Tag. Mittlerweile sind es aber auf vielen Abschnitten mehr als 65.000 – ein Fünftel davon Lkw mit damals unvorstellbaren Achslasten. Der Verschleiß ist immens, wie die Talbrücke Rahmede zeigt: Verformungen im Stahl, Risse, Korrosionsschäden. Ein Einsturz war bei weiterer Benutzung nicht auszuschließen. 15 von 32 Talbrücken weisen Brückenteile aus, die lediglich mit ausreichend benotet wurden.

Region Talbrücken auf der Sauerlandlinie
Region Talbrücken auf der Sauerlandlinie © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW/ WP Zentrale

2.Wie werden Brücken geprüft und benotet? Alle sechs Jahre findet eine Hauptprüfung an allen Brücken statt. Dazwischen – nach drei Jahren – eine einfache Prüfung. Zudem gibt es jährliche Sichtprüfungen, um Schäden rechtzeitig zu erfassen. Jede Brücke erhält eine Zustandsnote. Die Skala reicht von sehr gutem Zustand bis ungenügend. Allerdings: Die Benotung bezieht sich nicht allein auf die Standfestigkeit, sondern berücksichtigt auch Fahrbahnqualität oder Schäden am Geländer.

Das Projekt „neue A45“ läuft seit 2013

3.Wie ist der Baufortschritt auf der A45? Das Projekt „neue A45“ läuft seit 2013 mit dem Spatenstich für die Lennetalbrücke in Hagen. Diese konnte mit dreijähriger Verzögerung 2021 fertiggestellt und freigegeben werden. Weitere Bauwerke sollten nach ursprünglicher Planung bereits fertig sein: die Talbrücken Kattenohl und Brunsbecke in Hagen, an denen die Arbeiten 2017 begannen, aber nun schon lange wieder ruhen, weil die Bodenbeschaffenheit unvorhergesehene Probleme bereitet. Ähnlich ist es bei der Talbrücke Sterbecke zwischen Hagen und Lüdenscheid: Dort soll 2022 mit dem Bau begonnen werden – mit deutlicher Verzögerung.

Nahe der hessischen Grenze haben die Arbeiten zudem an den Talbrücken Eisern und Landeskroner Weiher begonnen, auf den Talbrücken Rälsbach und Rinsdorf ist schon eine Teilfreigabe erfolgt und eine Sprengung der alten Bauwerke für Februar geplant.

Die Unterkonstruktion der Talbrücke Rahmede. Wegen Verformungen an den Seitenwänden ist die Brücke entlang der Autobahn 45 seit Dezember 2021 gesperrt. 
Die Unterkonstruktion der Talbrücke Rahmede. Wegen Verformungen an den Seitenwänden ist die Brücke entlang der Autobahn 45 seit Dezember 2021 gesperrt.  © WP | Autobahn GmbH

4.Gerät das Projekt „neue A45“ in Verzug durch den Zwischenfall Rahmedetalbrücke? Die Autobahn GmbH brütet seit Wochen über einem neuen Zeitplan für die A 45: Auf Nachfrage konnte sie keine final aktualisierte Fassung vorlegen. Diese Redaktion fragte deswegen zumindest nach zehn Brücken, deren Baubeginn in den Jahren 2021 und 2022 liegen sollte. Ergebnis: Nur ein Projekt (Büschergrund) wird wie geplant begonnen, die anderen neun (z.B. Sürenhagen, Eichelnbleck, Schlittenbach) frühestens 2027. Alle anderen Brücken? Könnten womöglich noch später erst gebaut werden. Noch liegen deren Daten nicht vor, weshalb die Grafik die Daten der bis dato letzten Planung zeigt.

Gleichzeitig, betont Elfriede Sauerwein-Braksiek, Direktorin der Autobahn GmbH Westfalen, sei man „gut aufgestellt, um die Projekte umzusetzen“, da die A 45 im Fokus der Arbeiten stehe. Langfristiger Verzug? „Nein, im Gegenteil. Die Planungen, die A 45 für die Zukunft leistungsfähig auszubauen und die große Zahl an Talbrücken zu erneuern, laufen mit besonderem Hochdruck“, heißt es vom Autobahn-Management. Der Fall Rahmede verdeutlicht, wie dringend diese Autobahn von Spediteuren, Berufspendlern und Normalbürgern benötigt wird. Der politische Druck ist immens, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholt.

Die Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid. Die Brücke ist marode und kann nicht mehr befahren werden.
Die Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid. Die Brücke ist marode und kann nicht mehr befahren werden. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

5.Kann es einen zweiten Fall Rahmede geben? Besonders wahrscheinlich ist das nicht. Die Talbrücke Brunsbecke bei Hagen – eine der am schlechtesten bewerteten Brücken – bereitete dem Autobahn-Management die größten Sorgen: gleiches Baujahr (1968) und gleiche Bauweise (Stahlverbundbau) wie die Talbrücke Rahmede. Die eilig begonnene Sonderprüfung der Brücke per Laserscan wies bislang aber keine Schäden nach. Mit den Ergebnissen eines weiteren Baugrundgutachtens des „höchst anspruchsvollen“, fast alpinen Geländes wird die Planung angepasst. Dann erst gehen die Arbeiten weiter.

Die schlechteste Note weist die Talbrücke Bremecke (3,5) in Lüdenscheid auf: ungenügend. Spatenstich sollte in diesem Jahr sein, doch der verzögert sich. Baubeginn dort: frühestens 2028. Vorher wird die Brücke statisch verstärkt.

6.Wie werden all diese nötigen Arbeiten priorisiert? „Das Kernproblem ist, dass wir nicht alle Brücken gleichzeitig planen und bauen können“, sagte Elfriede Sauerwein-Braksiek Anfang Dezember. Denn nicht nur die Brücken der A 45 stellen auf Dauer ein Sicherheitsrisiko dar, sondern auch die vielen weiteren Brücken im Land. Es sei eine Priorisierung nötig, bei der „vor allem die Dauerhaftigkeit einer Brücke betrachtet“ werde. „Der Ersatzneubau der Brücken an der A 45 muss klug gemanagt werden, damit Verkehrsteilnehmer nicht dauerhaft in einer Baustelle fahren müssen. Auf dieser anspruchsvollen Strecke müssen Erholungsphasen möglich sein.“