Hagen. Mehr Windräder in NRW - oft nicht zur Freude der Bürger. Jetzt liegen Daten in und ums Sauerland vor, wo besonders viele entstehen.

Nordrhein-Westfalens Windenergiebranche trifft sich gerade in Bad Driburg und feiert einen erheblichen Zuwachs an genehmigten Windrädern und solchen, die in diesem Jahr tatsächlich bereits ans Netz angeschlossen wurden und zur sicheren Stromversorgung beitragen. Laut Fachagentur Wind und Solar wurden im Bundesvergleich in NRW mit 558 Anlagen mit mehr als 3300 Megawatt (MW) mit Abstand die meisten Windräder neu genehmigt. Ganz vorne ist der Kreis Siegen-Wittgenstein dabei, der in NRW nach dem Kreis Höxter die meisten Anlagen in diesem Jahr genehmigt hat.

Bei dem Branchentreff mit mehr als 300 Teilnehmenden äußerte sich Jürgen Quentin, Experte der Fachagentur Wind und Solar, optimistisch, dass NRW die alte Rekordmarke von 881 MW brutto aus dem Jahr 2017 im nächsten oder übernächsten Jahr übertreffen wird. Den langjährigen Windenergie-Experten stimmen die bis Ende Oktober erteilten Genehmigungen für mehr als 550 neue Anlagen mit über 3300 MW Leistung „sehr positiv“: „Noch nie in der bundesdeutschen Geschichte wurde in einem Jahr nur annähernd so viel Windenergieleistung genehmigt wie in diesem Jahr in NRW - dabei ist das Jahr noch nicht zu Ende.“

An der Spitze in NRW liegt dabei demnach der Kreis Siegen-Wittgenstein mit 65 Windenergieanlagen (WEA) und einer kumulierten Leistung von 422,8 Megawatt. Gleichzeitig ist nach den der Redaktion vorliegenden Daten in der Region Siegen-Wittgenstein in diesem Jahr bis einschließlich Oktober bislang aber keine einzige Anlage neu ans Netz gegangen, ebenso wenig wie im Kreis Olpe und im Märkischen Kreis.

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Nach wie vor gibt es Turbulenzen bei der Frage, wo neue Anlagen in Zukunft entstehen sollen. Die Landesregierung hat sich zwar auf die Fahne beziehungsweise in den Koalitionsvertrag geschrieben, bis 2027 mindestens 1000 neue Windräder in NRW zu realisieren, will gleichzeitig aber „Wildwuchs“ verhindern, der durch eine Regelungslücke droht, seit das „Wind-an-Land-Gesetz“ des Bundes gilt. Demnach müssen in NRW bis 2032 1,8 Prozent der Fläche des Landes für Windenergieprojekte ausgewiesen werden, und zwar über den Landesentwicklungsplan und in den Regionen über sogenannte Regionalpläne. Eine komplizierte rechtliche Auseinandersetzung, die aktuell für Verunsicherung sorgt. Die Landesregierung wollte eine Aussetzung bestimmter Windenergievorhaben, solange wie Regionalpläne zu noch nicht endgültig beschlossen sind, und scheiterte damit in diesem Jahr bereits zwei Mal vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster. Die Bezirksregierung Arnsberg hatte pauschale Aussetzungsverfügungen erlassen. Vielerorts sorgt die rechtliche Lage im Sauerland in den Stadträten für Frust. Kritisiert wird vor allem, dass die Kommunalpolitik in Standortfragen für neue Anlagen so gut wie kein Mitspracherecht mehr hat.

Lobbyverband fordert zügige Entscheidung für neue Flächen

Der Vorsitzende des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE NRW), Hans-Josef Vogel, kritisiert das Verhalten der Landesregierung. Damit die in diesem Jahr aus seiner Sicht so positive Entwicklung beim Windkraftausbau sich fortsetzen kann, müsste die Aufstellung der Regionalpläne und die damit verbundene Ausweisung neuer Flächen zügig abgeschlossen werden: „Das sind die Voraussetzungen für zügige Genehmigungen und ein schnelles Errichten neuer Anlagen. Das damit verbundene Wirtschaftswachstum kommt allen zugute“, sagt Vogel. Der Jurist und Christdemokrat war bis vor zwei Jahren selbst Regierungspräsident in Arnsberg.

Hans-Josef Vogel

„Die Landesregierung muss den Windstrom-Pakt gegenüber dem Bund forcieren, damit die Wirtschaft preiswerten Windstrom nutzen kann.“

Hans-Josef Vogel
Vorsitzender des Lobbyverbands LEE NRW

In den Regionalplänen sollten nur wirklich geeignete Flächen ausgewiesen werden. Um Streit zu vermeiden, sollten möglichst die Vorstellungen der Kommunen berücksichtigt werden, rät Vogel.

Für den LEE NRW komme es außerdem darauf an, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger sowie heimische Industrie- und Gewerbebetriebe unmittelbar von der Windenergie profitierten. Bei Windparks bieten sich Bürgerbeteiligungen aller Art an, von direkten finanziellen Beteiligungen bis hin zu günstigen Einwohnerstromtarifen vor Ort. „Die Landesregierung muss zudem den von uns am Jahresanfang vorgestellten Industrie-Windstrom-Pakt auch gegenüber dem Bund forcieren, damit die Wirtschaft für ihre Wettbewerbsfähigkeit zunehmend den preiswerten Windstrom nutzen kann. Bestehende bürokratische Hemmnisse wie die 5-Kilometer-Begrenzung für eine Direktleitung müssen abgeräumt werden. Dadurch werden gegenwärtig rund 80 Prozent aller möglichen Industriedirektbelieferungsprojekte verhindert“, kritisiert Vogel.

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Nach dem Kreis Siegen-Wittgenstein (65 Anlagen/ 422,8 MW) wurden auch im Kreis Paderborn viele Anlagen genehmigt (47 Anlagen mit 273,7 MW Leistung) und auch im Hochsauerlandkreis (36 Anlagen/199,6 MW). Weitere Genehmigungen: Kreis Soest (25/123,4 MW); Kreis Olpe (17/78,2 MW); Märkischer Kreis (10/63,3 MW); Hagen (5/20 MW).

Ans Netz gegangen sind bis einschließlich Ende Oktober im Kreis Paderborn 21 (120,2 MW), im Hochsauerlandkreis 8 (28,4), in Hagen 4 (16,8), im Kreis Soest 3 (18,9) und im Ennepe-Ruhr-Kreis eine Anlage (3,6 MW). In Siegen-Wittgenstein und im Kreis Olpe: Keines