Wittgenstein. Die aktuellsten Zahlen liegen vor. Und es zeichnet sich ein neuer Trend im Genehmigungsverfahren ab: Vorbescheide. Wir erklären, was das bedeutet.
Die Zahlen steigen stetig. Im Januar berichtet diese Redaktion noch über die möglichen Standorte von 140 Windrädern allein in den drei Wittgensteiner Kommunen. Im November ist klar: Dabei wird es nicht bleiben. Und die jüngsten Zahlen für den gesamten Kreis Siegen-Wittgenstein liegen bei mehr als 300 Windkraftanlagen. Der größte Teil davon wird aber in Wittgenstein entstehen.
Wir haben die Zahlen mit Stand 7. November 2024 beim Kreis Siegen-Wittgenstein abgefragt und ausgewertet: Zu den aktuell 23 Anlagen, die in Bad Berleburg und Bad Laasphe Strom erzeugen, kommen ganz sicher 80 dazu, deren Errichtung und Betrieb bereits genehmigt worden ist. Das wären 103. Und 29 weitere Bauanträge sind für Wittgenstein gestellt.
Bei insgesamt 150 Standorten haben Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück ihr Einvernehmen erteilt, das heißt, sie haben bei einer vorgeschriebenen Anhörung durch den Kreis keine Einwände gehabt. Das wären bereits zehn mehr als noch im Januar.
In weiteren 33 Fällen waren die Kommunen Bad Berleburg und Bad Laasphe mit möglichen Standorten nicht einverstanden, weil die Anlagenstandorte beispielsweise außerhalb der kommunalen Vorrangzonen oder den Regionalplanflächen für Windkraft lägen. In Bad Laasphe war dies aktuell für drei Bauvorhaben am Weidelbacher Weiher oder bei vier Anlagen nördlich von Puderbach der Fall. Und in Bad Berleburg in der letzten Ratssitzung bei zwei Anlagen in der Nähe von Christianseck.
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Sonderfall Erndtebrück
In bestimmten Fällen aber wird dieses Veto einer Kommune durch den Kreis oder später durch die Bezirksregierung in Arnsberg gekippt. Von den 33 versagten Einvernehmen in Bad Berleburg und Bad Laasphe wurden auf diese Weise 22 ersetzt und damit die Baugenehmigung oder ein Vorbescheid erteilt. Das ist immer dann der Fall, wenn beispielsweise keine rechtsgültigen Vorrangzonen vorhanden sind. Dann greift das Bundesimmissionsschutzgesetz. Das sagt klar: Wenn keine Normen des Bundesimmissionsschutzgesetzes verletzt werden oder der Standort in beispielsweise einem Naturschutzgebiet liegt, dürfen die Anlagen gebaut werden. Die Antragsteller haben sogar einen gesetzlichen Anspruch auf Genehmigung.
Nur in Erndtebrück ist ein Sonderfall. Dort gibt es keine Vorrangzonen und bislang hat die Gemeinde auch noch keinem Bauvorhaben das Einvernehmen versagt.
Unsichere Rechtslage bei Vorrangzonen
In Bad Berleburg hängt die Ausschlusswirkung der Vorrangzonen nach einer erfolgreichen Normenkontrollklage vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster in der Luft. Dort hatte ein Bad Berleburger Grundbesitzer Recht bekommen, der die Auswahlkriterien der Vorrangzonen kritisiert hatte. Und für Bad Laasphe liegt eine solche Normenkontrollklage bereits beim OVG Münster. Nach einem jüngsten Ratsentscheid gegen die Ausweitung der Vorrangzonen könnte der Projektierer, die Wittgenstein Gruppe, diese Klage nun weiter verfolgen. Außerdem hat ein weiterer Waldbesitzer ebenfalls angekündigt, rechtlich gegen die Vorrangzonen vorzugehen.
Ein aktueller Trend zielt auf Vorbescheide ab. Damit können Windkraft-Investoren prüfen, ob ihr Bauantrag Aussicht auf Erfolg haben wird, ohne gleich alle relevanten Fragestellungen im Detail zu prüfen. Ziel des Vorbescheides ist es, vor einem Genehmigungsverfahren vorab einzelne Genehmigungsvoraussetzungen verbindlich zu klären, um so, insbesondere bei komplexen Vorhaben, unnötige Detailplanungen zu vermeiden.
In Wittgenstein sind aktuell bereits 49 Vorbescheide erteilt worden und weitere 20 beantragt. Der zuständige Dezernent beim Kreis Siegen Wittgenstein, Arno Wied, weist aber noch einmal ausdrücklich darauf hin, „dass ein Vorbescheid dieser Art nicht zum Bau oder Betrieb von Anlagen berechtigt“.
Im Moment lasse die Anzahl der Vorbescheidsverfahren auch keine Rückschlüsse auf die Zahl der Windräder zu: „Uns liegen keine Informationen dazu vor, für wie viele der Windkraftanlagen, für die ein positiver Vorbescheid erteilen worden ist, tatsächlich eine vollumfängliche Genehmigung beantragt werden wird.“
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