Ennepetal. Max Görres hat einen Cannabis-Club gegründet, um legal Gras verkaufen. Das Interesse ist groß. Doch noch kann er nicht loslegen.

Der 22 Jahre alte Max Görres ist Vorstandsvorsitzender des Cannabis-Clubs „Liberty High 420“. Sein großer Plan war es, ab dem 1. Juli Cannabis-Pflanzen sprießen zu lassen. An diesem Stichtag sollten die - wie es im Gesetz zur teilweisen Cannabis-Legalisierung heißt - „Anbauvereinigungen“ starten können. Görres hat ein Gewerbeobjekt an einer Hauptverkehrsstraße unweit des Bahnhofs Ennepetal für seine Anbau-Pläne ausgeguckt. Doch die verzögern sich.

Für den 22-Jähriges war es überfällig, hierzulande etwas „Neues in der Drogenpolitik“ auszuprobieren, wie er sagt: „Mich hat es als Gelegenheits-Konsument gestört, dass es in Deutschland bisher keine legale Möglichkeit gab, an Gras zu kommen. Die Abgabe wurde dem Schwarzmarkt überlassen.“

Mehr zum Thema

Cannabis, Gras, Haschisch, Marihuana – für den studierten Wirtschaftsinformatiker gibt es noch zu viele Vorurteile: „Viele Leute denken, dass Cannabis-Konsumenten täglich fünf Joints rauchen, abhängig sind und ein ungeregeltes Leben führen: Dabei ist es genau genommen nicht anders als mit Alkohol und Nikotin: Man sollte in Maßen davon nehmen, sonst drohen negative gesundheitliche Folgen. Aber ich finde es gut, wenn man Menschen zutraut, mit dem Konsum von Cannabis verantwortungsvoll umzugehen.“

Vorbehalte in Teilen der Bevölkerung

Dass es nach wie vor Vorbehalte in Teilen der Bevölkerung gibt, hat Max Görres bei der Suche nach einer geeigneten Immobilie erfahren. „Es war nicht so einfach. Einige Male wurde mir von Vermieterseite gesagt, dass man „hier keinen Kiffer-Club haben möchte“.  Den Begriff „Kiffer“ mag der junge Ennepetaler übrigens nicht: „Der wird verwendet, um Cannabis-Konsumenten zu diffamieren.“

Friedenskirche  in Bochum
Das „Wichtigste“ beim Cannabis-Anbau, wie Max Görres sagt: Pflanzenwachstumslampen. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Kritiker des von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Gesetzes befürchten, dass sich durch die Gründung von Anbauvereinigungen Cannabis noch weiter in der Gesellschaft verbreitet, dass das Rauschmittel noch leichter in die Hände von Jugendlichen gerät. „Ich glaube nicht, dass es in Zukunft mehr Konsumenten geben wird“, sagt Max Görres.

Präventionsbeauftragten gefordert

Und überhaupt: „Jugendliche sind auch bislang schon einfach an Cannabis gekommen. Und haben womöglich verunreinigtes Gras auf dem unkontrollierten Schwarzmarkt bezogen. Bei legal angebautem Cannabis wird sich die Qualität der Erzeugnisse verbessern, da bin ich mir sicher.“ Zudem müssten die gegründeten Cannabis-Clubs laut Gesetz einen Präventionsbeauftragten bestellen, der an einem entsprechenden Lehrgang teilnimmt - und über die Auswirkungen von Drogenkonsum informieren.

Max Görres geht eine Treppe hinauf und öffnet die Eingangstür zu der angemieteten 150-Quadratmeter-Gewerbefläche an der vielbefahrenen Verkehrsstraße in Ennepetal. Mit Ausnahme einiger Kartons, die an der Seite eines Zimmers liegen, sind die geplanten Anbauräume noch leer.

Beim Registergericht angemeldet

Seit dem 1. April ist der Konsum von Cannabis legalisiert, am 1. Juli sollten Anbauvereinigungen Pflanzen sprießen lassen können. Doch in den vergangenen Wochen mehrten sich Berichte über „Chaos vor dem Start der Cannabis-Clubs“ oder Überschriften, dass die „neuen Anbauvereinigungen erst mal die Bürokratie sprießen ließen“.

„Da sind natürlich Weltanschauungen aufeinandergestoßen“, sagt Görres, der seinen Cannabis-Club zusammen mit sieben Freunden gründete, ihn als eingetragener Verein beim Registergericht am Amtsgericht Hagen anmeldete und die Satzung notariell beglaubigen ließ. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann beispielsweise macht keinen Hehl daraus, dass er von dem Cannabis-Gesetz der SPD-Grüne-FDP-Bundesregierung nichts hält.

Gesundheitsminister Laumann warnt

Der CDU-Politiker wird nicht müde, auf das „Risiko cannabis-bedingter Hirnschädigungen bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen“ hinzuweisen. Max Görres: „In den vergangenen Monaten gab es in den verschiedenen Bundesländern durchaus Unterschiede, was Kommunikation und Tempo der Umsetzung des Gesetzes betrifft. Letztlich fehlte bundesweit allen Vereinen Planungssicherheit.“

Friedenskirche  in Bochum
Wenn grünes Licht von der Genehmigungsbehörde kommt, wird Max Görres die Kartons mit dem Anbau-Equipment auspacken. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Erst kurz vor knapp stand fest, dass die Clubs in NRW ab dem 1. Juli Anträge zum Anbau von Cannabis und zur Abgabe an seine Mitglieder (50 Gramm im Monat ab 21 Jahren, 30 Gramm im Monat ab 18 Jahren) stellen können. Der Konsum auf den Anbauflächen ist nicht erlaubt. Max Görres, so sagt er, wird pünktlich am 1. Juli auf elektronischem Wege seinen Antrag bei der zuständigen Bezirksregierung einreichen. In seinem Fall ist das die Behörde in Arnsberg. Wie lange die Bearbeitung dauert, weiß niemand.

Verschiedene Behörden involviert

Die Kontrolle des Cannabis-Anbaus in NRW liegt in der Hand verschiedener Behörden: Die stoffliche Überwachung übernimmt das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz, die Einhaltung von landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Vorgaben überwacht die Landwirtschaftskammer, über Genehmigungen entscheiden die Bezirksregierungen.

„Ich finde es gut, wenn man Menschen zutraut, mit dem Konsum von Cannabis verantwortungsvoll umzugehen.“

Max Görres
Cannabis-Club „Liberty High 420“

Und wenn grünes Licht kommt? Dann packt Max Görres zusammen mit Mitstreitern die Pakete auf der bislang leeren Gewerbefläche aus. Darin befinden sich zum Beispiel 50 Beleuchtungslampen (Stückpreis 150 Euro). „Man könnte auch sagen: Pflanzenwachstumslampen“, sagt der Ennepetaler und beschreibt das weitere Vorgehen: „Samen von Saatgutbanken in Spanien und den Niederlanden, den ich im Internet bestelle, kommt in quadratische Töpfe mit normaler Blumenerde und Dünger. Die werden bei einer Raumtemperatur von 18 bis 22 Grad permanent von den Anbaulampen beleuchtet.“ Nach drei Monaten könnte die erste Ernte stattfinden.

Abgabe nur an Vereinsmitglieder

„Der Anbau ist nicht kompliziert und macht nicht viel Arbeit“, sagt Max Görres. „Am Ende ist Cannabis eine ganz normale Pflanze. Wie die Tomate beispielsweise.“ Das Wichtigste beim Anbau seien die Wachstumslampen: „Hier gilt: Je mehr Leistung, umso mehr Ertrag.“

Die Investitionskosten des Cannabis-Clubs „Liberty High 420“ mit Sitz in Ennepetal belaufen sich nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden auf eine „niedrige fünfstellige Summe“. Die Abgabe erfolge ausschließlich an Vereinsmitglieder, für neun Euro pro Gramm. Auf einen direkten Mitgliedsbeitrag wird bewusst verzichtet: „Das würde nur den Druck erhöhen, womöglich mehr abzunehmen“, sagt Görres. „Das wäre ein falsches Signal an Gelegenheits-Konsumenten.“

Weitere Themen aus der Region:

Dem Gesetz zufolge darf ein Cannabis-Club maximal 500 Mitglieder aufnehmen. Bei „Liberty High 420“ sind es bislang 250. „Das Durchschnittsalter liegt bei 38 Jahren“, sagt Görres, „das hat mich überrascht. Ich dachte, dass das eher ein Thema für Jüngere ist.“

Max Görres geht es nicht darum, die Gesellschaft rund um den Cannabis-Konsum zu bekehren. „Ich möchte aber, dass der Umgang damit offener wird.“ Das neue Cannabis-Gesetz ist da für ihn ein erster Schritt. „Ich finde“, sagt er, „dass die Aufregung schon deutlich weniger geworden.“