Ennepetal/Hagen. Student meldet Cannabis-Club in Ennepetal beim Amtsgericht Hagen an. Wie die Justiz mit der Legalisierung umgeht und warum Fragen offen bleiben.
Die Vorbereitungen für den Tag X laufen. Das ist der Tag, an dem das Cannabisgesetz in Kraft treten wird. Das genaue Datum steht noch nicht fest. Aber wenn es so weit ist, braucht es eine Anbaufläche, spezielle Beleuchtung, Pflanzenerde, die richtigen Samen. Der gebürtige Ennepetaler Max Görres ist vorbereitet. Er will einen Cannabis-Club gründen.
Die Vereinsanmeldung hat er bereits durch seinen Notar beim Amtsgericht in Hagen abgeben lassen. Während sein Antrag in der Geschäftsstelle auf Bearbeitung wartet, werden in den Verhandlungssälen noch Angeklagte wegen Anbaus, Besitzes oder Handels mit Cannabis verurteilt.
>>> Auch interessant: Der Mann, der im Siegerland Hanf anbaut <<<
Ennepetaler meldet Cannabis-Club beim Amtsgericht Hagen an
Ein Cannabis-Club in Ennepetal. Wie sieht so etwas aus? Im aktuellen Referentenentwurf bezeichnet das Gesundheitsministerium einen solchen „Club“ als eine Anbauvereinigung – per Definition ein eingetragener nicht wirtschaftlicher Verein, dessen Zweck der gemeinschaftliche Eigenanbau und die Weitergabe von Cannabis und Vermehrungsmaterial zum Eigenkonsum ist.
Die Idee: Mitglieder der Vereinigung können gemeinsam Cannabispflanzen anbauen und den Ertrag konsumieren.
Konsum 200 Meter im Umkreis verboten
Der Clou: Wer gründen will, muss viel beachten. Jugendschutz- und Gesundheitskonzepte fordert der Bund, zusätzlich Angaben zur voraussichtlich angebauten und weitergegebenen Menge Cannabis pro Jahr (getrennt nach Marihuana und Haschisch) und Nachweise für Beratungs- und Präventionskenntnisse.
In einem Abstand von 200 Metern um das Grundstück eines Cannabis-Clubs bleibt der Konsum der Droge übrigens verboten.
„Gut, dass gegen den Schwarzmarkt vorgegangen wird“
Obwohl der Entwurf kompliziert ist und die Herausforderungen nur so zu warten scheinen, will Max Görres es versuchen: Der 21-Jährige, der in Bonn lebt und dort seinen Bachelor in Wirtschaftsinformatik macht, verfolgt die Legalisierungspläne seit Anfang des Jahres.
Als im April das Eckpunktepapier der Bundesregierung vorgestellt wurde, war bei ihm das Interesse geweckt. Er habe gedacht, es sei eine gute Idee, so einen Cannabis-Club auch lokal in Ennepetal zu gründen. „Ich finde es gut, dass mit dem Gesetz den Menschen die Verantwortung für ihre Entscheidungen übertragen und gegen den Schwarzmarkt vorgegangen wird“, erklärt Görres.
Der Ennepetaler sagt, das Thema Cannabis sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen und er begrüßt, dass die Bundesregierung sich dem Thema nun angenommen hat. Auf die Frage, ob er selbst heute schon Cannabis konsumiert, möchte er lieber keine Antwort geben.
>>> Lesen Sie auch: Kiffen legalisieren – das sagt die Drogenberaterin aus dem HSK <<<
Muster-Vereinssatzung im Netz
Wer einen Verein gründen möchte, kann schon heute im Internet eine Muster-Vereinssatzung abrufen. Sieben Gründer braucht es für einen Verein. Die hatte Max Görres in seinem Freundes- und Bekanntenkreis schnell gefunden.
Dann, am 20. Juni, unterschrieb Görres beim Notar – und die Anmeldung wurde beim Registergericht am Amtsgericht in Hagen eingereicht.
Gesetzesänderung für Gerichte Alltag
Wäre das Gesetz dem Entwurf entsprechend bereits in Kraft getreten, hätte das AG Hagen nun drei Monate Zeit, um über den Antrag von Max Görres zu entscheiden, so steht es in § 11 Absatz 5.
Die Widersprüchlichkeit, die eine laufende Legalisierung und zeitgleiche Verurteilung von Cannabis-Konsumenten aus dem Blickwinkel der Bevölkerung eventuell mit sich bringt, sehen die Gerichte nicht.
„Die Prozesse finden zwei Etagen weiter oben statt als Vereinssachen“, erklärt Christian Dembowski, Pressedezernent und Richter am Amtsgericht Hagen. „Für das eine ist ein Rechtspfleger zuständig, für das andere die Staatsanwaltschaft.“
AG Arnsberg, Siegen und Hamm: Keine Anträge
Dass Gesetze sich ändern, sei für die Justiz quasi Alltag. Und obwohl gerade dieses Gesetz die öffentliche Aufmerksamkeit nur so auf sich zieht, hat sich laut Richter Dembowski auch in den Sälen am Verhalten der Angeklagten nichts verändert.
Momentan gibt es beim AG Hagen drei Vereinsanträge – bei den für die Vereinsregister der Region zuständigen Amtsgerichten Arnsberg, Siegen und Hamm liegen gar keine vor.
Angeklagte teils verwirrt
Ein Rechtsanwalt, der Angeklagte in Betäubungsmittel-Strafsachen häufig verteidigt, ist der Dortmunder Christian Isselhorst. Auch er sagt: „Aktuell findet noch keine wirkliche Umstellung statt.“ Sobald Cannabis als Droge nicht mehr unter das BTM-Strafrecht fiele, arbeite man dann damit weiter.
Eins gibt er allerdings zu: „Studenten, die wegen zwei Gramm vor Gericht sitzen, fragen natürlich schon mal, was das jetzt während der kommenden Legalisierung noch soll.“
Bürogebäude in Hasperbach als Vereinsheim?
Aber zurück zu Max Görres. Auch wenn er sich bereits auf die Legalisierung vorbereitet, bleiben Zweifel. Mit Überarbeitungen des Gesetzentwurfs ergeben sich neue Fragen. Nicht nur die Vereinsanmeldungen sind kompliziert. Auch das Planen der späteren Umsetzung ist schwierig.
Trotzdem lässt sich einiges vorbereiten. So hat Max Görres bereits eine Immobilie besichtigt, die für den Anbau in Frage kommt. Ein Bürogebäude im Ennepetaler Stadtteil Hasperbach hält er für geeignet. Der Anbau soll auf einer der Etagen stattfinden.
Fragen bleiben
Auch über die Preisgestaltung hat sich Görres Gedanken gemacht. Die Vereinsmitgliedschaft soll vorerst kostenlos sein. Das Marihuana soll später für neun Euro pro Gramm an die Vereinsmitglieder abgegeben werden. Auf dem Schwarzmarkt zahle man etwa zehn Euro pro Gramm. Man wolle darunter liegen, so Görres. Etwas verdienen darf der Verein am Verkauf ohnehin nicht.
Was derweil für den Vereinsgründer noch unklar ist: Der Gesetzentwurf sieht einen Präventionsbeauftragten in jeder Vereinigung vor. Ob dieser Beauftragte ein Vereinsmitglied sein soll oder eine zuständige Person der Stadt, weiß Görres noch nicht.
Hohe Abnahmemenge
Vereinsgründer Görres findet den Gesetzentwurf sowie das Vereinsmodell kompliziert. Er glaubt, dass dies vor allem mit den Vorgaben der EU zusammenhängt. Denn: Nach EU-Recht sind Verkauf und Anbau von Drogen, einschließlich Cannabis, verboten. Gleichwohl spricht er sich für den Entwurf aus: „Ich denke, dass das Gesetz dennoch gut strukturiert ist und zu einem guten Ergebnis führen kann.“
Durch das Vereinsmodell sei die Qualität des Cannabis sichergestellt. Auch die im Gesetzesentwurf erwähnte Abgabemenge von 50 Gramm pro Monat und Mitglied kann er nachvollziehen. Die Menge sei sehr hoch.
Vereine müssen Drogen-Bewusstsein schaffen
Doch er glaubt, dass der Gesetzgeber damit vor allem denjenigen eine Alternative zum Schwarzmarkt bieten wolle, die auch heute schon sehr viel „Gras“ konsumieren. Doch auch das Gegenteil ist denkbar: „Es ist immer möglich, dass die Vereinsstruktur zu verstärktem Konsum oder einer Sucht führen kann“, so Görres.
Für ihn ist daher vor allem ein verantwortungsvoller Umgang mit jeder Art von Drogen, auch Alkohol und Zigaretten, zentral. Hier sieht er die Vereine in der Pflicht, die Mitglieder zu informieren und damit ein Bewusstsein zu schaffen.