Hagen. Sauerländer CDU-Abgeordneter Peter Liese über AfD-Wähler: „Schlechtes Regieren keine Entschuldigung dafür, Rechtsradikale zu wählen.“
Der Sauerländer Peter Liese musste als Spitzenkandidat der NRW-CDU keinen Moment um seinen Sitz im EU-Parlament zittern. Das Ergebnis der Union bewertet Liese positiv: „Wir sind mit Abstand die stärkste Kraft in Deutschland. Das ist auch ein Verdienst von Friedrich Merz und hier in Nordrhein-Westfalen von Hendrik Wüst.“ Stolz ist Liese insbesondere auf das überdurchschnittliche Abschneiden seiner Partei in seinem Sprengel: „Wir haben in Südwestfalen im Schnitt über vier Prozent zugelegt, Olpe nagt an den 50 Prozent“, freute sich der NRW-Spitzenkandidat am späteren Abend. Die Spannung am Sonntagabend in der Geschäftsstelle der Landes-CDU in Düsseldorf sei hoch gewesen. Bis nahe Mitternacht müsse noch gezittert werden, ob NRW einen siebten Platz bekommen werde und damit die Düsseldorferin Miriam Viehmann demnächst mit Liese im Parlament sitzen wird.
Dass die AfD doch weniger Stimmen als erwartet erhalten habe, sei das Verdienst demokratischer Kräfte, der Gewerkschaften, Arbeitgeber und vieler Menschen die gegen Rechts demonstriert hätten: „Die Zivilgesellschaft hat es geschafft, die AfD unter 20 Prozent zu halten.“ 17 Prozent seien allerdings nach wie vor besorgniserregend. Einen Teil der Verantwortung trage auch die amtierende Bundesregierung. „Gutes Regieren hilft, aber schlechtes Regieren ist keine Entschuldigung dafür, Rechtsradikale zu wählen.“
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Auch der Bochumer CDU-Parteifreund Dennis Radtke musste aufgrund seines Listenplatzes drei in NRW nicht lange zittern und war am Sonntagabend geradezu beschwingt: „Wir sind überall im Ruhrgebiet die stärkste Kraft. Das ist sensationell, das gab es noch nie.“ In ganz NRW liege man noch über dem Bundestrend. Mit Blick auf die AFD gebe es auch ein weinendes Auge. Ein Grund sei die „katastrophale Performance der Bundesregierung“. Dennoch sei das Abschneiden der AFD nicht die Schuld einer Partei. Die SPD müsse sich aus Radtkes Sicht allerdings die Kanzlerfrage stellen. Radtke ist überzeugt, dass „die Brandmauer Richtung Le Pen, AFD, ID, FPÖ und der ganzen blau-braunen Suppe“ fest stehe. Nach einem Abstecher nach Düsseldorf, feierte der 45-Jährige am Abend mit seinen Wahlhelfern in Bochum am Ümminger See.
Birgit Sippel, SPD-Europaabgeordnete aus Arnsberg, redete am Sonntagabend nicht lange drumherum: „Das Ergebnis ist schlecht, da gibt es nichts dran zu rütteln. Und dies, obwohl wir mit unseren Themen Frieden, soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz meiner Ansicht nach richtig gelegen haben.“ Sippel war über die SPD-Bundesliste gut abgesichert. Die Arnsbergerin sitzt seit 2009 fest im europäischen Sattel. Sie vertritt das Sauerland ebenso wie die Stadt Hagen. Das starke Abschneiden der AfD und insgesamt rechtsgerichteter und nationalistischer Parteien in Europa sieht Sippel mit großer Sorge: „Das wird eine Herausforderung für das EU-Parlament. Die Frage ist offen, ob sich die demokratischen Parteien zusammenraufen, oder die Konservativen sich den Rechten annähern.“ Davon hänge sicher auch ab, wie die Sozialdemokraten bei der Wahl der Kommissionsvorsitzenden entscheiden werden. Dass die etablierten Parteien so viele Jungwähler nicht erreicht hätten, sei für alle eine Aufgabe.
Richtig spannend wurde der Abend für Janina Singh aus Siegen nicht. Die 29-Jährige trat für Bündnis90/Die Grünen erstmals an. Bislang arbeitete sie der Grünen-Bundestagsabgeordneten Laura Kraft als wissenschaftliche Mitarbeiterin zu. Jetzt engagierte sie sich im Wahlkampf für einen eigenen Platz im Parlament. Dazu reicht es nicht. „Ich bin natürlich nicht zufrieden. Das Ergebnis entspricht nicht dem, was wir anzubieten haben.“ Aufstecken will Singh nicht. Sie denkt bereits über den nächsten Wahlkampf nach, die Kommunalwahlen im kommenden Jahr. Dann sollen auch wieder mehr Jungwähler erreicht werden. Janina Singh, seit drei Jahren Grünen-Kreisvorsitzende in Siegen, hätte von Wahlkampf und Politik auch die Nase voll haben können: „Uns ist an den Wahlständen sehr viel Hass und Frustration entgegengebracht worden. Es war kein schöner Wahlkampf.“ Viele Helferinnen und Helfer seien angeschrien worden. So etwas habe es noch nie gegeben. Aufgeben will sie deshalb dennoch nicht.
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