Arnsberg. Inhaber Paul Rottler im WP-Interview über die Expansionspläne auf dem Brillen- und Hörgerätemarkt in Deutschland und international.
Der Sauerländer Augenoptiker Rottler ist in den vergangenen Jahren rasant gewachsen und gehört mittlerweile zu den großen Marken in der Branche. Mit der Übernahme des insolventen Onlinehändlers Edel-Optics aus Hamburg will das mittelständische Familienunternehmen aus Arnsberg-Neheim in Zukunft den eigenen Onlinehandel ankurbeln. Inhaber und Geschäftsführer Paul Rottler (39) erklärt Strategie und Risiko des Wachstums.
Sie haben in den vergangenen Jahren ein sehr dynamisches Wachstum erlebt. Wie groß will Rottler noch werden?
Paul Rottler: Es ist so, wir können viel und müssen nichts. Aktuell macht es Spaß und unser Konzept funktioniert. Solange dies so ist, werden wir weiter expandieren. Wir haben einen sehr dynamischen Markt, es gibt einen Wandel in der Branche und viele Optiker haben keinerlei Nachfolgeregelung. Insofern stehen viele Unternehmen zur Übernahme an. Wir freuen uns, wenn wir dort den Kunden, den Beschäftigten und Rottler als wachsende Marke eine neue Perspektive geben können.
Nach welcher Strategie gehen Sie vor? Nehmen Sie, was kommt?
Wir sind offen. Unseren Hauptfokus haben wir in der Mitte Deutschlands, also in NRW, Niedersachsen und in Hessen. Wir haben den großen Vorteil, dass NRW sehr viele Einwohner hat und dass eine Brille und ein Hörgerät Nahversorgungsprodukte sind. Das bedeutet, die Menschen möchten eine Anlaufstelle, eine Vertrauenssituation vor Ort haben. In der Hörgeräteakustik noch sehr viel mehr als in der Optik. Wir versuchen bei Übernahmen, das Gute aus beiden Welten, einem vertrauten Optiker und einem Familienunternehmen, das ein bisschen größer und eine Marke ist, zusammenzubringen, um aus zwei guten Sachen noch etwas Besseres zu machen. Das gelingt uns meistens.
Sie bezeichnen Ihre Branche als gemütlich. Im stationären Handel ist es aber ungemütlich geworden. Den Innenstädten fehlt es häufig an Frequenz. Ist Ihre Expansionsstrategie da nicht ein hohes Risiko?
Ein Unternehmen ohne Risiko gibt es nicht. Wir haben aber ein gutes Marktgefühl dafür, was funktioniert und wo es funktioniert. Es stimmt, dass die vergangenen Jahre von vielen Krisen geprägt waren und sind. Pandemie, Inflation, Krieg. Die Herausforderungen sind da und allgegenwärtig. Das wirkt sich auf den Handel aus. Das sieht man auch an der ein oder anderen Insolvenz. Wir haben aber einen großen Vorteil, wir arbeiten mit Sinnen, dem Hören und dem Sehen. Das ist ein kolossaler Unterschied zum Handel mit reinen Konsumprodukten wie Schuhen oder Pullovern. Am Ende des Tages ist es eine unbezahlbare Steigerung der Lebensqualität, wenn ich mein Enkelkind wieder richtig hören kann.
Gilt das so auch für Brillen?
Bei Brillen gibt es natürlich Lifestyleprodukte wie Sonnenbrillen. Auch Hörgeräte entwickeln sich immer mehr zu Produkten, die Lebensqualität durch zum Beispiel Konnektivität mit Lifestyle verbinden. Wir haben also zwei Standbeine. Lifestyle und medizinische Produkte, auch im Optikbereich.
Mit Brillen ist Rottler zur Marke gewachsen. Wie ist das bei Hörgeräten?
Mit Sicherheit haben Kind und Geers einen Vorsprung. Geers war einmal ein Familienunternehmen wie wir, ist vor ein paar Jahren an einen Lieferanten verkauft worden. Kind nimmt den umgekehrten Weg von der Akustik kommend, Fielmann wiederum geht jetzt auch in die Akustik. Rottler hat seit mehr als fünf Jahrzehnten die Hörakustik mit dabei. In den vergangenen zehn Jahren hat sich unser Fokus hier verändert und die Akustik ist deutlich ausgebaut worden. Wir haben jetzt mehr als 120 Standorte in der Augenoptik und in der Akustik knapp 70. Es gibt eine große Kundenüberschneidung zwischen Augenoptik und Hörgeräteakustik, beides sind Gesundheitshandwerke.
Sie betonen den Gesundheitsaspekt
Letztendlich werden wir Optiker zum Vorzimmer der Augenärzte. Die Augenärzte wissen ja gar nicht, wohin mit den Patienten. Fachärzte haben eine viel zu hohe Auslastung. Wir haben beispielsweise in Neheim hier im Haus eine Rottler-Praxis für Augenoptik und Optometrie, wo wir Routineuntersuchungen wie Augeninnendruckmessungen, Augenhintergrundbetrachtungen oder Screenings und Sehtests machen.
Sind das Kassenleistungen?
Wenn Sie privat versichert sind, schon, wenn sie gesetzlich versichert sind, dann nicht. Wir arbeiten mit Telemedizin, übermitteln beispielsweise Ergebnisse von Screenings an Ärzte, aber wir stellen keine Diagnosen. Ich glaube, unsere Branche wird in diesen medizinischen Bereich weiter hineinwachsen, um die Versorgungslücke etwas zu schließen.
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Sie haben beschrieben, was Optiker und Akustiker vor Ort auszeichnet: Nahbarkeit, persönliche Beratung, Vertrauen. Warum investieren Sie nun in den Onlinehandel, indem Sie das insolvente Unternehmen wie Edel-Optics aus Hamburg übernehmen? Ist das nicht ein Widerspruch?
Es ist kein Widerspruch, sondern eine Ergänzung dazu, was unsere onlineaffinen Kunden möchten. Hier besteht ein wachsender Markt, den wir gerne auch bedienen wollen. Im Onlinebereich sind wir vertreten, aber noch nicht so, wie wir es gerne möchten. Wir wollen in Zukunft stärker Onlineservices anbieten und auch so unsere Gäste glücklich machen.
Welche Services?
Man kann heute schon digitale Brillen-Anproben machen. Am Ende hat der Kunde aber keine Lösung. Ein Sehtest ist bisher online nicht seriös abbildbar. Da gibt es Pioniere, aber ich glaube, bevor das I-Phone nicht verlässlich einen Sehtest machen kann, ist da einfach ein Bruch. Andererseits ist das Internet mittlerweile häufig der erste Anlaufpunkt, wenn ich mich über eine Investition informieren will. Wir möchten uns alle Möglichkeiten offenhalten.
Wenn Sie bereits einen Onlineauftritt haben, wozu dann der Kauf von Edel-Optics?
Das Unternehmen kommt zu Hundertprozent aus dem Onlinebereich. Wir kommen aus dem familiengeführten, traditionellen stationären Handel. Es wäre utopisch zu glauben, dass wir heute so gut sind wie jemand, der sich seit zehn Jahren nur mit Onlinehandel beschäftigt. Edel-Optics hat großes technisches Know-how. Für uns ist das eine Chance, um uns in dem Bereich gut aufzustellen und das zu tun, was in drei oder fünf Jahren sowieso nötig ist. Vielleicht kann das I-Phone ja irgendwann den Sehtest machen. Dann möchten wir bereit sein und nicht erst anfangen.
Sie übernehmen Edel-Optics gemeinsam mit Optiker Bode, die ähnlich aufgestellt sind wie Rottler. Wer gibt dann den Ton an?
Bode und Rottler kennen sich schon seit vielen Jahren. Ich kenne Carsten Bode schon seit 25 Jahren, unsere Eltern kannten sich auch schon. Da gibt es großes Vertrauen. Insgesamt sind wir zu dritt. Bode, Rottler und Andreas Korsus, ein gebürtiger Neheimer, der seit 25 Jahren im Onlinebusiness zuhause ist. Er kennt den Markt und wird die operative Geschäftsführung bei Edel-Optics übernehmen. Edel-Optics hat zwar den Schwerpunkt in Deutschland, liefert aber in insgesamt 53 Länder.
Das heißt, Rottler wird jetzt international?
Wir möchten für Deutschland über Edel-Optics den Omnichannelbereich forcieren und nutzen. Wohin sich der internationale Bereich entwickelt, wird sich zeigen. Vielleicht finden wir auch Partner in anderen Ländern.
Also ist es nicht der Einstieg ins internationale Geschäft im stationären Handel?
Dafür haben wir in Deutschland noch zu viel Potenzial. Eine Nationalisierung ist für uns interessant, eine Internationalisierung will ich nicht ausschließen, ist aber zurzeit kein Thema. Wir nutzen erst einmal das Potenzial, das vor der Haustür liegt. Wir haben aber bereits heute rund 25 Standorte, die im Franchise betrieben werden und unsere Services vom Marketing über IT bis hin zum Einkauf nutzen können. Bestimmte Brillenmarken bekommen sie als einzelner Optiker kaum, weil sie ein bestimmtes Volumen abnehmen müssen. Ich ziehe aber den Hut vor jedem einzelnen Optiker und Akustiker, der seine eigene Idee und Philosophie verfolgt.
Rottler gehört in Deutschland mittlerweile zu den größten Optiker-Unternehmen. Können Sie sich vorstellen, einmal die Größe der Branchenriesen Apollo und Fielmann zu erreichen?
Es ist nicht das Ziel, in fünf Jahren unter den Top-Drei zu sein. Wir werden kontinuierlich wachsen, aber gesund. Das bedeutet, dass wir keine Investoren möchten, sondern unsere familiären Strukturen, unsere Philosophie und Werte bewahren wollen.
Hintergrund
Rottler wurde 1946 von Paul Rottler Senior in Neheim gegründet und bis 1977 geleitet. Von 1977 bis 2015 waren Andrea und Peter Rottler Inhaber und Geschäftsführer. Seitdem ist Paul Rottler jun. alleiniger Inhaber. Aktuell gibt es mehr als 120 Filialen, davon 25 in Franchise sowie 70 Hörgerätezentren an den Standorten. Rottler zählt knapp 950 Beschäftigte. Der Umsatz im Geschäftsjahr 2023 wurde laut Unternehmen um knapp 15 Prozent auf 82,5 Millionen Euro gesteigert.