Hagen. Warum Bäume bluten, wie man erkennt, ob in Bäumen Fledermäuse wohnen und warum Förster zum Psychologen müssen: „Forst erklärt“ weiß es.
Der Wald ist ein Ort, den viele Menschen lieben – ohne viel über ihn zu wissen. Gemeinsam mit zwei Studienfreunden hat Jan-Lucas Hüsing (29) vor vier Jahren ein Projekt namens „Forst erklärt“ gestartet. Auf Instagram, TikTok, Youtube, im eigenen Podcast und auf ihrer Homepage erklären sie den Wald und alles, was darin geschieht. Locker, leicht und offenbar durchaus erfolgreich: Das Feedback, das sie aus der Forstbranche erhielten, sei überaus positiv, sagt Hüsing, der zwar in Münster aufwuchs, aber einen Teil seiner Kindheit bei den Großeltern in Attendorn im Kreis Olpe verbrachte - und damit am und im Wald.
Herr Hüsing, warum gibt es dieses Projekt?
Wir drei haben uns im Forststudium sozusagen am ersten Tag kennengelernt. Uns verbindet, dass wir aus größeren Städten kommen – und dass wir Bäume toll finden, obwohl unsere Familien keinen Bezug zum Forst haben (lacht). Zuhause haben uns immer alle gefragt: Was lernt ihr da? Was macht so ein Förster eigentlich? Mit Gewehr und Dackel durch den Wald laufen? Irgendwann haben wir dann gedacht, dass wir das bei Instagram beschreiben können, dann müssen wir es nicht allen einzeln erzählen. So hat alles angefangen.
Dann einmal für alle: Was macht denn so ein Förster den ganzen Tag?
Der Förster ist der Manager des Waldes, der alles im Blick hat, der festlegt, welche Bäume gefällt werden, der einen Käufer für das Holz sucht, der sich überlegt, an welchen Stellen des Waldes welche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Er ist auch der, der die Konflikte zwischen allen Parteien – Jägern, Naturschützern, Mountainbikern, Wanderern – im Blick haben muss. Im Gegensatz übrigens zum Forstwirt. Das ist derjenige, der den Baum fällt und die schweren Maschinen bedient. Viele wissen nicht, dass es diesen Unterschied gibt.
Wie groß ist der Nachholbedarf beim Thema Wald bei den Menschen?
Es herrscht viel Unwissenheit – in ländlichen Gebieten wie dem Sauerland eher weniger, aber je urbaner die Menschen leben, desto größer ist oft die Unwissenheit. Aber schockieren kann uns auf dem Feld ehrlicherweise nichts mehr (lacht).
Ein Beispiel?
Wir sind einmal angeschrieben worden, ob das normal sei, dass im Dezember an den Bäumen im Garten so Knospen zu sehen seien. Es überrascht mich, dass mancher nicht weiß, dass das die Triebe des nächsten Jahres sind. Aber wir freuen uns total, dass viele sich zu fragen trauen und etwas lernen wollen.
Warum ist es wichtig, etwas über den Wald zu wissen?
Ganz einfach: Man schützt nur, was man kennt. Der Wald ist ein unglaublich wichtiges Ökosystem, wir sind total abhängig vom Wald. Aber wir alle tun Dinge, die dazu führen, dass er stirbt - nicht zuletzt weil der Klimawandel ein großes Problem für unsere Wälder ist. Die Menschen müssen den Wald besser kennen- und verstehen lernen. Jeder muss bei sich anfangen, ganz im Kleinen: Pflücke ich die Blume, die mir so gut gefällt? Alle denken: Auf die eine kommt es nicht an. Aber wir alle denken so. Dann wird ein Problem draus.
Was sollte jeder über den Wald wissen?
Dass von dort das Holz kommt für die Möbel, auf denen wir sitzen. Dass er CO2 bindet und uns Sauerstoff schenkt. Dass er ein Erholungsraum ist. Wir wären einen entscheidenden Schritt weiter, wenn jeder diese ökonomischen, ökologischen und sozialen Funktionen kennen würde. Wir versuchen, Wissen aus all diesen Bereichen zu transportieren – und das eben nicht als Frontalunterricht, sondern meistens unterhaltsam, aus dem Leben – und so, dass es jeder versteht.
Sie machen den Förster zum Manager des Waldes. Wenn der Begriff Naturverjüngung erklärt wird, dann nicht ohne den Hinweis, dass das keine Bio-Faltencreme sei.
Bei unseren Inhalten ist uns wichtig, dass es immer eine Quellenangabe gibt. Oft sind das wissenschaftliche Studien oder Berichte aus der gängigen Praxis. Wir hatten einen Beitrag bei Instagram, der 1,2 Millionen Aufrufe hatte. Darin haben wir erklärt, warum auf gefällten Bäumen, die am Wegesrand liegen, oft Zahlen stehen – und was diese bedeuten.
Und?
Güteklasse, Qualität und Länge des Holzes werden damit kenntlich gemacht. Aus diesen Werten lässt sich schätzen, was das Holz wert ist. Das Video funktionierte gut. Ansonsten kommen schwere Maschinen und Tierbabys immer gut an (lacht).
Weitere Themen aus der Region:
- Wie es den wilden Wisenten nun im Gehege geht
- Mückenplage: Jetzt geht es zur Sache - 10 Tipps vom Experten
- CDU: Rechnungshof soll A-45-Brückenbauerbüro untersuchen
- Fernuni eröffnet virtuelle Lern- und Erlebniswelt
- Schock: Autozulieferer Hella baut 420 Jobs in Lippstadt ab
- „Stören die Brüste nicht?“ - Was Frauen im Handwerk erleben
- Der lauernde Feind: So gefährlich ist jetzt der Borkenkäfer
- Hagener kämpft im Segelboot: Nach drei Tagen erstmals gedöst
Worauf sollte man jetzt achten, wenn man in den Wald geht?
Der Frühling zeichnet sich schon ab. Frühblüher – also Pflanzen, die im Boden überwintern wie zum Beispiel Buschwindröschen – kann man derzeit finden. Ab April kann man schon wieder Bärlauch sammeln.
Noch ein bisschen Angeberwissen?
Gern. Spechte legen Spechthöhlen in Bäumen an, außer für Spechte sind sie aber auch für andere Tiere ein Unterschlupf, zum Beispiel für den Siebenschläfer oder für Fledermäuse. Letztere haben die Angewohnheit, ihr Geschäft im eigenen Haus zu verrichten. Spechthöhlen, aus denen also eine schwarz-weiße Masse dringt, sind von Fledermäusen bewohnt. Aber es gibt noch etwas Spannenderes.
Das wäre?
In jedem Wald kann man die Folgen des Klimawandels mit eigenen Augen sehen. Das ist ja ein abstrakter Begriff, aber er wird vor unser aller Haustür sichtbar. Manche Bäume – an den Buchen ist es am besten erkennbar – sehen aus, als würden sie bluten. Eine dunkle Flüssigkeit tritt aus: eine Reaktion auf zu viel Trockenheit.
Schmerzt Sie der Anblick vieler Wälder derzeit?
Eine Waldfläche so groß wie das Saarland ist in Deutschland tot. Förster, die 40 Jahre lang dafür gearbeitet haben, der nächsten Generation einen schönen Wald zu hinterlassen, sehen wie ihr Lebenswerk den Bach runtergeht. Schuld daran ist unter anderem der Klimawandel. Dieser Generation Förster, die jetzt bald in Rente gehen, geht es oft schlecht. Einige größere Forstbetriebe setzen mittlerweile Psychologen ein, weil einige Förster an der Belastungsgrenze sind. Wenn ich aber zu den jungen Kolleginnen und Kollegen aus dem Studium schaue, schaue ich überall in motivierte Gesichter. Wir haben tolle Ansätze, wie wir unsere Wälder zukunftssicher machen können. Försterinnen und Förster sind ein engagiertes Völkchen und werden diese Ansätze umsetzen, um einen tollen Wald für uns und unsere Nachfahren zu schaffen!