Berlin. Der Umgang mit Geld ist in vielen Beziehungen nur selten ein Thema. Das kann zu einem ernsthaften Problem werden.
Sie wirft ihm vor, das Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Er dagegen hält sie für geizig. Dabei hatte die Beziehung so romantisch begonnen. Dieser exemplarische Fall spiegelt die Realität vieler Paare in Deutschland wider, die aufgrund von Gehaltsunterschieden, unterschiedlichem Ausgabeverhalten oder Schulden in finanzielle Konflikte geraten, die im Extremfall zur Trennung führen können. Wie geht man mit Geldsorgen in der Partnerschaft um? Zwei Paartherapeuten geben Antworten.
Anzeichen, dass finanzielle Probleme die Partnerschaft belasten
„Die Realität ist, dass Geld in unserer Gesellschaft leider immer noch ein Indikator dafür ist, was wir wert sind“, sagt der Paartherapeut und ehemalige Dozent für Wirtschaftspsychologie Gisbert Straden aus Berlin. Finanzielle Sorgen seien daher eng mit dem Selbstwertgefühl eines Menschen verknüpft und machten sich in Beziehungen vor allem dann bemerkbar, wenn sich Paare nicht mehr gleichwertig oder „auf Augenhöhe“ fühlten, so Straden. „Auf Nachfrage in unseren Therapiesitzungen stellt sich über diesen ‚Umweg‘ oft heraus, dass ein finanzielles Ungleichgewicht eine der Ursachen für Beziehungsprobleme ist“, so der Paartherapeut.
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Ähnlich sieht es Louisa Scheel, Paartherapeutin in Berlin, die sich auf Kommunikation und Paarbindung spezialisiert hat. Sie schildert den Fall von Claudia und Dirk, einem Paar aus ihrer Praxis, deren echte Namen anonym bleiben sollen: Claudia kaufte regelmäßig neue Kleidung, während Dirk auf finanzielle Sicherheit setzte. Um Konflikte zu vermeiden, verheimlichte Claudia ihre Ausgaben. Beide betrachteten ihre Finanzen als Privatsache und vermieden offene Gespräche darüber.
Laut Scheel zeigt dieser Fall in mehrfacher Hinsicht, wie finanzielle Probleme eine Beziehung belasten können. „Erstens hatten die beiden sehr unterschiedliche Vorstellungen vom Umgang mit Geld. Claudia gab gerne aus, während Dirk eher der Sparfuchs war“. Und dann war da noch die Sache mit den heimlichen Ausgaben. In der Paartherapie sprechen wir von ‚finanzieller Untreue‘ – eine Form des Vertrauensbruchs“.
Scheel betont auch, dass das Paar kaum über Geld gesprochen habe. „Das Thema war für sie irgendwie tabu. Sie haben die Probleme einfach unter den Teppich gekehrt, anstatt darüber zu reden“. Das Ergebnis? Ständige Streitereien und Spannungen. „Die unterschiedliche Einstellung zum Geld und die mangelnde Kommunikation haben die Beziehung auf eine harte Probe gestellt“, sagt Scheel.
Beziehung: Geldknappheit sorgt für Existenz- und Zukunftsängste
Die Ursachen für eine angespannte finanzielle Situation können vielfältig sein: Die plötzliche Arbeitslosigkeit eines Partners, eine unerwartet hohe Ausgabe oder auch die Anhäufung vieler kleiner Ausgaben. Hinzu kommen äußere Einflüsse wie steigende Zinsen.
Unabhängig von der Ursache bedeutet Geldknappheit laut Paartherapeut Straden vor allem Stress für die Beziehung. Paare müssen sich dann mit Existenz- und Zukunftsängsten auseinandersetzen, die tiefer gehende Sorgen aufwerfen, etwa wie lange man in der eigenen Wohnung bleiben kann oder wie man etwa von Freunden wahrgenommen werde.
Louisa Scheel ergänzt, dass der chronische Stress im schlimmsten Fall auch zu gesundheitlichen Problemen wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einem geschwächten Immunsystem führen kann. Auch Gefühle von Hilflosigkeit und Frustration seien aufgrund der ständigen Sorge um das Geld und der Unsicherheit über die finanzielle Zukunft nicht selten.
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Finanzielles Ungleichgewicht kann zu ungleichen Machtverhältnissen führen
Darüber hinaus kann der finanziell schlechter gestellte Partner schnell das Gefühl bekommen, in einer schlechteren Position zu sein als der besser verdienende Partner. „Finanzielle Sorgen führen immer zu einer Bedrohung des Selbstkonzeptes oder zu einer Abwertung des Selbstwertgefühls auf Seiten des schlechter Verdienenden. In der Psychologie spricht man dann von einer Kränkung“, erklärt Straden.
Die erlebte Kränkung endet nicht mit dem Blick auf den Kontostand. Im Gegenteil, sagt Straden: „Sie entfaltet ihre volle Wirkung erst, wenn der schlechter verdienende Partner oder die schlechter verdienende Partnerin dem anderen erklären muss: Ich kann mir das nicht mehr leisten. Oder wenn das Paar seinen Freunden sagen muss: Wir können diesen Urlaub aus Kostengründen nicht machen“.
Scham und Schuldgefühle seien oft die Folge. Auch Vorwürfe wie „Du bist ein Versager“ oder „Wenn du nicht so viel Geld für dein Fahrrad ausgegeben hättest, dann...“ können folgen, weil der Besserverdienende seinen vermeintlichen Status aufgrund von Geldmangel nicht ausleben kann.
„Um dieser Erfahrung zu entgehen, wird vom Geringverdiener meist gelogen, das Konto überzogen, ein Kredit aufgenommen – leider mit dem Ergebnis, dass die finanzielle Belastung nicht kleiner, sondern größer wird“, so Straden. Im schlimmsten Fall gipfelt das Wechselspiel aus Vorwürfen und Flucht darin, dass sich das Paar zurückzieht und den Kontakt zum Freundeskreis abbricht, um sich nicht bloßstellen zu müssen.
Experten verraten: Diese Schritte helfen Paaren, finanzielle Sorgen zu minimieren
Früher oder später müssen Paare über ihr finanzielles Ungleichgewicht sprechen – sei es wegen aus Geldmangel ausgelassener Unternehmungen oder wegen möglicher Schulden. Paartherapeutin Louisa Scheel empfiehlt Paaren, das Thema Geld ansprechbar zu machen, indem sie ihre jeweiligen Glaubenssätze und Erfahrungen im Umgang mit Geld teilen. „Durch das Verständnis beider Standpunkte können Paare Kompromisse finden und ihre Beziehung stärken.“, so Scheel.
Hilfreiche Fragen dabei sind:
- Wie würdest du deine persönliche Geschichte und deine Gefühle bezüglich Finanzen beschreiben?
- Welche Beobachtungen hast du als Kind bezüglich des Umgangs deiner Eltern mit Geld gemacht?
- Was sind deine größten Hoffnungen und Ängste in Bezug auf Geld?
- Was bedeutet für dich die Idee, „genug Geld zu haben“?
Laut Paartherapeut Gisbert Straden können auch Gespräche über die gemeinsame Paaridentität helfen. Hierbei sollten weniger eigene Bedürfnisse und Perspektiven, sondern gemeinsame Erwartungen im Fokus stehen.
Wichtige Fragen sind:
- Was sind unsere Werte?
- Was sind unsere Wünsche und Ziele?
- Wie wollen wir diese Ziele erreichen?
- Worauf sind wir heute bereit zu verzichten, um die Finanzen in der Beziehung gerecht aufzuteilen?
Wenn Paare diese Fragen in einem offenen Austausch mit, wie Straden betont, „genügend Raum für Gefühle“ klären, können sie langfristig finanzielle Ziele festlegen, ohne dass einer der Partner auf der Strecke bleibt.
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Paare müssen einen offenen Umgang mit Schulden üben
Noch schwieriger als über Geld zu sprechen, fällt vielen Paaren das Thema Schulden. Schuld- und Schamgefühle stehen im Weg, erklärt der Paartherapeut Gisbert Straden. Dennoch betont er, wie wichtig es ist, die „Geschichte hinter der Geschichte“ zu verstehen, um gemeinsam Lösungen zu finden. „Niemand verschuldet sich freiwillig. Schulden entstehen immer aus einer individuell empfundenen Notsituation“, so Straden. Deshalb ist es auch nach Ansicht von Paartherapeutin Louisa Scheel wichtig, das Thema Schulden mit Respekt und Verständnis anzugehen. Sie warnt: „Schuldzuweisungen und Vorwürfe verschlimmern die Situation.“
Doch mit dem Gespräch allein ist es nicht getan. In einem zweiten Schritt empfiehlt die Paartherapeutin, einen Plan für die Schuldentilgung zu erstellen, etwa durch ein monatliches Budget oder das Setzen von Prioritäten. „Das Erreichen von Meilensteinen auf dem Weg zur Schuldenfreiheit sollte gefeiert werden, um die Motivation aufrechtzuerhalten“, betont sie.
Neben der Rückzahlung sollten Paare auch langfristige finanzielle Ziele setzen und einen Plan zu deren Erreichung entwickeln. Straden empfiehlt das Drei-Konten-Modell, bei dem beide Partner ein gemeinsames Budget für den Lebensunterhalt festlegen, das der finanziell schwächere Partner tragen kann. Der Paartherapeut illustriert dies mit einer Metapher: „Wie in einer guten Skitourengruppe am Berg bestimmt der Schwächste das Tempo, nicht der Stärkste oder Fitteste.“ Dieser Abstimmungsprozess sei zwar oft nicht einfach, führe aber dazu, dass auch der finanziell schwächere Partner am Ende auf Augenhöhe bleibe.
„Und wenn dann ein teurer Urlaub gebucht wird, passt der entweder in das vereinbarte Budget oder der finanziell stärkere Partner übernimmt den fehlenden Betrag freiwillig von seinem Konto – Hauptsache, beide haben Klarheit über den jeweiligen Rahmen des anderen“, resümiert Straden.
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