Hamburg/München. An die Rente denken viele erst mit über 50. Experten verraten, wie Sie sich auch spät noch ein Vermögen für den Ruhestand aufbauen.
„Bisher habe ich das Thema Rente immer verdrängt. Kann ich mit 50 oder mit 60 Jahren überhaupt noch vorsorgen und ein Vermögen aufbauen?“ Diese Sorge hört Sandra Klug, Abteilungsleiterin für Geldanlage, Altersvorsorge und Versicherungen in der Verbraucherzentrale Hamburg, immer wieder.
„Viele meiner Ratsuchenden hatten in den Jahren zuvor einfach zu viele Verpflichtungen, um überhaupt sparen zu können“, sagt die Finanzexpertin. „Durch Erziehungszeiten, Kinder und vielleicht einem Immobilienkredit bleibt oft kaum etwas am Ende des Monats übrig.“ Plötzlich ist man um die 50, denkt an den Ruhestand und gerät in Panik.
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Altervorsorge ab 50 Jahren: Diese 5 Schritte empfehlen Experten
Die gute Nachricht ist: Auch im Alter von 50 plus ist es noch möglich, für die Rente vorzusorgen. „Das ist spät, aber nicht zu spät. Viele gehen ja erst mit 67 Jahren in den Ruhestand, da bleiben noch einige Jahre zum Sparen“, so Sandra Klug. „Allerdings sollte man das Thema nun wirklich nicht mehr vor sich herschieben und sofort loslegen. Jeder Monat zählt.“
Diese fünf Schritte zur stabilen Altersvorsorge empfehlen die Experten:
Kassensturz für den Ruhestand – Schritt 1
„Zum Start sollten Sie erst einmal ermitteln, mit welchen Einnahmen Sie im Alter rechnen können und welchen Finanzbedarf Sie haben werden“, sagt Michael Huber, Experte für Ruhestandsplanungen und Chef beim unabhängigen VZ Vermögenszentrum München. „Machen Sie also eine Liste und tragen Sie zusammen, was Sie im Alter an Renten oder anderen Geldquellen erwarten können.“ Neben der gesetzlichen Rente, Pension oder Betriebsrenten zählen dazu auch Miet- oder Kapitalerträge. Absehbare Erbschaften sollte man ebenso berücksichtigen.
Sandra Klug: „Man muss hier unbedingt daran denken, dass in den Renteninformationen immer nur die Brutto-Beträge aufgelistet sind. Von den Einnahmen gehen dann noch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge und meist auch Steuern ab.“
Auf der Ausgabenseite kommt der finanzielle Bedarf im Ruhestand. „Rechnen Sie hier lieber großzügig als zu knapp, schließlich wollen Sie sich im Ruhestand ja etwas gönnen“, so Michael Huber. Außerdem sei es wichtig, bei der Kalkulation eine jährliche Inflation von mindestens zwei Prozent aufzuschlagen. Wie sich diese auswirkt, kann man mit kostenlosen Tools im Internet (zum Beispiel www.zinsen-berechnen.de) kalkulieren.
Jetzt muss man die Ausgaben mit den Einnahmen gegenrechnen. Reichen Rente und Co. aus, um alle Ausgaben bezahlen zu können? Fehlt monatlich ein Betrag, ist das die persönliche Rentenlücke. Sollten sich Einnahmen und Ausgaben etwa die Waage halten, rät Sandra Klug dazu, trotzdem ein Polster für unerwartete Ausgaben und Notfälle anzusparen.
Vermögen: So viel brauche ich neben der Rente – Schritt 2
Steht die Rentenlücke fest, lautet die zweitwichtigste Frage: Wie lange wird mein Ruhestand voraussichtlich dauern? Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei Frauen aktuell bei 83,2 Jahren und bei Männern bei 78,3 Jahren. Da keiner weiß, wie alt er wirklich wird, sollte man natürlich einen längeren Ruhestand einplanen.
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Wer zum Beispiel einen Ruhestand von 23 Jahren plant und eine Rentenlücke von 500 Euro monatlich hat, bei dem summiert sich die benötigte Sparsumme auf 138.000 Euro (500 Euro mal 12 Monate mal 23 Jahre). Diesen Betrag sollte man in diesem Fall mittels privater Vorsorge mindestens erwirtschaften, besser wäre natürlich noch eine höhere Summe.
Die monatliche Sparrate festlegen – Schritt 3
Steht die Endsumme fest, die man zum Renteneintritt benötigt, muss die Sparrate ermittelt werden. Welchen Betrag sollte man ab sofort monatlich zurücklegen? Hier helfen wieder kostenlose Rechner-Tools im Internet (zum Beispiel über die bereits genannte Seite www.zinsen-berechnen.de).
Benötigt ein aktuell 50-Jähriger die beispielhafte Summe von 138.000 Euro und will mit 67 in Rente, hat er noch 17 Jahre Zeit zum Ansparen. Wählt er eine clevere Sparform mit sechs Prozent Zinsen, muss er laut Sparrechner ab sofort bis zur Rente monatlich 394,78 zurücklegen.
„Habe ich nicht so viel Geld übrig, sollte man einmal ganz grundsätzlich auf laufende Ausgaben schauen und sich fragen, was man wirklich braucht“, sagt Sandra Klug. „In vielen Fällen gibt es noch Potential zum Sparen.“ Zum Beispiel laufen manchmal Streaming- oder Fitnessstudio-Abos, die man gar nicht mehr nutzt. Auch der Vergleich von Strom-, Gas- und Handyverträgen und die Kündigung unnötiger Versicherungen kann mehrere Hundert Euro im Jahr bringen.
Passende Sparform auswählen – Schritt 4
Steht die monatliche Sparrate fest, bleibt die große Frage: Wie sollte man das Geld anlegen? „Sparformen von gestern wie Girokonto, Sparbuch und Lebensversicherung sind in Deutschland noch immer weit verbreitet“, sagt Michael Huber. „Mit Blick auf die Altersvorsorge gibt es aber bessere Lösungen.“
Von einer privaten Rentenversicherung rät Sandra Klug von der Verbraucherzentrale generell ab: „Bitte nicht! Die Kosten sind zu hoch, die Rendite zu gering. Ich habe noch keinen Vertrag gesehen, der gute Konditionen bietet.“ Auch eine betriebliche Altersvorsorge jenseits der 50 sei nur in wenigen Fällen sinnvoll. „Sie lohnt sich vor allem, wenn lediglich der Arbeitgeber die Beiträge einzahlt oder zumindest 50 Prozent zuschießt“, ergänzt die Finanzexpertin.
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Wer noch mindestens zehn Jahre Zeit bis zur Rente hat, dem empfiehlt Sandra Klug einen ETF-Sparplan. Das ist auch der Tipp von Michael Huber: „Auch wenn Wertpapiere Wertschwankungen sowie Verlust- und Fremdwährungsrisiken unterliegen, bringen die Vorteile von ETF-Sparplänen langfristig einen erheblichen Renditevorteil.“ Einer der beliebtesten ETF-Aktienindizes ist der MSCI World. Er umfasst etwas mehr als 1500 Unternehmen aus 23 Industrieländern, erzielte über 20 Jahre eine durchschnittliche jährliche Rendite von knapp neun Prozent.
„Wer kurz vor der Rente steht oder sich mit einem ETF-Investment gar nicht anfreunden kann, dem empfehle ich, das Geld als Tages– oder Festgeld anzulegen“, sagt Sandra Klug. „Auch eine Aufteilung der Anlage in Tagesgeld und ETFs ist möglich, je nach persönlichem Risikoprofil.“
Bis zur Rente konsequent bleiben – Schritt 5
Die besten Vorsätze nützen nichts, wenn man sie nicht durchhält. Bei einem Zeitraum von mehreren Jahrzehnten ist das eine Herausforderung. „Am besten richten Sie den ETF-Sparplan so ein, dass die monatliche Sparrate immer gleich mit dem Gehaltseingang abgebucht wird“, rät Michael Huber. „Dann geraten Sie gar nicht erst in die Versuchung, das Geld für andere Zwecke zu verwenden.“
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Ein weiterer Tipp: „Denken Sie auch über zusätzliche Einzahlungen außer der Reihe nach, sobald etwas Geld übrig bleibt oder Sie Geld aus einer Schenkung, Erbschaft oder Abfindung erhalten.“
Besonders wichtig ist die private Altersvorsorge übrigens für Frauen. Vier von zehn Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland (42,3 Prozent) müssen aktuell mit einem Netto-Einkommen von weniger als 1250 Euro im Monat auskommen. Von den knapp 7,5 Millionen Betroffenen sind mehr als 5,2 Millionen Frauen.