Berlin. Baby da, Liebe weg? Die Geburt eines Kindes stellt viele Beziehungen auf die Probe. Unsere Autorin hat es selbst erlebt.

Es war die letzte Sitzung des Geburtsvorbereitungskurses, als meine Hebamme den Satz sagte, der mir im Nachhinein am meisten in Erinnerung blieb. Die Hebamme blickte uns ernst an. Vor ihr saßen lauter Frauen mit kugelrunden Bäuchen, bereit dafür, in den kommenden Wochen ihr Baby in den Armen zu halten. „Das, was ich euch jetzt sage, wollt ihr sicherlich nicht hören“, begann die Hebamme und faltete ihre Hände wie zu einem Gebet zusammen. „Im ersten Babyjahr werdet ihr euch mit eurem Partner sehr viel streiten, wahrscheinlich so oft wie nie zuvor“, sagte sie und seufzte. Wir schauten sie perplex und etwas irritiert an. Ja, die Hebamme hatte recht: Das wollten wir ganz sicher nicht hören.

Viele Paare trennen sich nach der Geburt

Fast ein Jahr später weiß ich, dass die Hebamme mit ihrer Vorhersage zum Streiten richtig lag. Denn das erste Jahr mit Baby ist nicht nur überwältigend schön, sondern auch unfassbar kräftezehrend. So kräftezehrend, dass viele Paare daran scheitern. Etwa die Hälfte aller Paare, die sich scheiden lassen, haben laut der letzten Erhebung des Statistischen Bundesamts minderjährige Kinder. Laut „Spiegel“ trennen sich 40 Prozent der betroffenen Paare sogar binnen eines Jahres nach der Geburt des ersten Kindes. Die Zahl der Trennungen bei nicht-verheirateten Paaren wird statistisch nicht erfasst.

Auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es kindbedingte Trennungsfälle. Ein Paar aus dem Geburtsvorbereitungskurs hat sich ebenfalls bereits getrennt – trotz Baby. Die Beziehung zum Vater meines Kindes sehe ich zwar nicht bedroht, frage mich aber aufgrund dieser Statistikzahlen unweigerlich, ob wir heutzutage mit falschen Erwartungen an das Kinderkriegen herangehen.

„Teilweise ja“, sagt Ilka Hoffmann-Bisinger. Die Berliner Psychologin berät Paare in Krisen. Viele davon sind mit ihrer neuen Rolle als Eltern überfordert. „Paare, die noch kein Kind haben, haben zwar meist schon gehört, dass das erste Jahr mit einem Kind eine große Herausforderung ist, hoffen aber, dass es bei ihnen anders sein wird, bis sie dann doch von der Realität eingeholt werden“, erläutert die Psychologin.

Die Erfahrung von Pychologin Ilka Hoffmann-Bisinger zeigt: Viele Eltern haben viel zu romantische Vorstellungen vom Kinderkriegen.
Die Erfahrung von Pychologin Ilka Hoffmann-Bisinger zeigt: Viele Eltern haben viel zu romantische Vorstellungen vom Kinderkriegen. © Pit Bisinger | Pit Bisinger

Beziehungskiller Kind: Wie sehr belastet ein Baby die Beziehung?

Viele Menschen hätten heutzutage noch dazu viel zu romantische Vorstellungen vom Kinderkriegen, so die Expertin. Dabei kann ich mittlerweile ernüchtert sagen: Es geht kaum unromantischer zu als in den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt eines Kindes. Vor allem Mütter trifft es aus meiner Sicht besonders hart. Übernächtigt und hormongeflutet muss man irgendwie das Baby versorgen und sich gleichzeitig von den Strapazen der Geburt erholen.

Doch auch Väter können unter der neuen Situation leiden. „Durch ein Kind verändert sich die Beziehungsdynamik des Paares: Aus zwei werden drei. So schön das auch ist, damit umzugehen, ist nicht immer einfach. Die neue Dreierkonstellation macht eine Balance aufgrund der unterschiedlichen Bedürfnisse und Befindlichkeiten für alle Beteiligten schwierig“, erklärt Hoffmann-Bisinger. Wenn dann noch Schlafmangel und Stress hinzukämen, werde die Beziehung, egal ob langjährig oder noch relativ frisch, auf eine harte Probe gestellt.

Schlafmangel führt zu Konflikten: Das rät die Psychologin

Apropos Schlafmangel: Nichts und niemand kann einen auf dieses Gefühl vorbereiten. Wenn man Wochen oder Monate kaum schläft – und das kann mit einem Baby durchaus passieren – liegen die Nerven bei allen Beteiligten blank. Ein falsches Wort kann schon mal zu einem Nervenzusammenbruch führen. Auch die Psychologin kann bestätigen, dass der Schlafmangel zu mehr Konflikten führen kann: „Deshalb ist es wichtig, Wege zu finden, dass zumindest einer von beiden schlafen, beziehungsweise sich ausruhen kann.“ Man müsse nicht alles gemeinsam machen, „sondern sich gegenseitig Auszeiten ermöglichen und gemeinsame Aufgaben aufteilen“, so die Psychologin.

Kinder kriegen: Das sind die häufigsten Gründe dagegen

weitere Videos

    Der Schlafmangel ist aber natürlich nicht der einzige Grund, warum sich viele Paare nach dem Kinderkriegen auseinanderleben. Viele würden zwar als Elternteam noch funktionieren, verlieren sich im Alltagstrott aber als Liebende, so Hoffmann-Bisinger. Um sich aber nicht immer weiter voneinander zu entfernen, rät die Psychologin dazu, bewusst Paarzeit miteinander zu verbringen, auch wenn sie nur kurz ist.

    Paar bleiben trotz Kindern – Tipps der Expertin

    „Das kann ein gemeinsames Mittagessen, ein Spaziergang oder eine gegenseitige kurze Massage sein. Manchmal reicht auch schon eine halbe Stunde gemeinsam auf dem Sofa zu verbringen, aber ohne Social Media“, empfiehlt die Expertin. Das Allerwichtigste sei aber die Haltung dem Partner gegenüber: „Den anderen als jemanden zu sehen, der – genau wie man selbst – gute Gründe für sein Verhalten und Fühlen hat und den Partner wertschätzen, wie er ist, statt abzuwerten oder zu verurteilen.“

    Aus Sicht der Psychologin kann auch eine gemeinsame Elternzeit die Beziehung festigen und vertiefen: „Dazu tragen gemeinsame Erlebnisse in dieser Zeit bei, aber auch die Tatsache, dass beide eine Bindung zum Kind aufbauen können und sich die Verantwortung teilen.“ Die Psychologin rät aber dazu, auch in der gemeinsamen Elternzeit eine Balance aus Gemeinsamkeit und Eigenständigkeit zu finden. Dafür sei wiederum gute Kommunikation hilfreich: „Man sollte sich gegenseitig mitteilen, wie es einem gerade geht und welche Bedürfnisse man hat.“

    Wann eine Paartherapie Sinn macht

    Haben Eltern das Gefühl, ihre Konflikte nicht mehr alleine lösen zu können, kann eine Paartherapie helfen. „Es sind tatsächlich relativ viele Paare, die zur Paartherapie gehen, nachdem sie Kinder bekommen haben“, bestätigt die Psychologin. Ganz klar, das erste Babyjahr ist eine Feuerprobe für die Beziehung. Es heißt aber nicht, dass alles schwer und unromantisch sein muss.

    Aus Erfahrung kann ich bestätigen, dass durch ein Kind die emotionale Verbundenheit zu seinem Partner und die Intensität der Beziehung durchaus wachsen kann – trotz Streitereien und Schlafmangel. Oder mit den Worten meiner Hebamme zu sagen: „Keine Beziehung ist perfekt. Neues Leben, was darauf entstanden ist, aber schon.“