Washington. Ohne Führung und Strategie taumelt die Partei der Clintons und Obamas ins Abseits – doch eine Entwicklung könnte ihr Auftrieb geben.

„Wir werden gewinnen! Wir werden gewinnen! Wir werden gewinnen!” – Chuck Schumer, der alternde Top-Demokrat (74) im Senat von Washington, und die kalifornische Abgeordnete Maxine Waters (86) hatten es wahrscheinlich gut gemeint. Als sie vor dem Finanzministerium in Washington mit gekünstelter Euphorie einen Sprechchor initiierten, um gegen Elon Musk zu protestieren, der gerade im Eiltempo und Auftrag Donald Trumps den Regierungsapparat der USA umkrempelt, kam für einen Augenblick Resistance zum Vorschein.

Wer sich das Video des kleinen Polit-Chors in voller Länge ansieht und die aktuellen Kräfteverhältnisse in Washington realistisch betrachtet, verspürt dagegen laut US-Analysten „Fremdscham und Mitleid”. Denn wenn Amerikas Demokraten auf Sicht eines nicht tun werden – dann gewinnen. Nicht gegen diesen Präsidenten, der die Öffentlichkeit in schneller Taktfolge derart mit Ungeheuerlichkeiten flutet, dass manche sich bereits dem Ertrinken nahe fühlen.

Dreieinhalb Monate nach der krachenden Niederlage von Kamala Harris, die von republikanischen Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses flankiert wurde, sucht die Partei der Clintons und Obamas weiter nach Halt, Orientierung und einem Zukunftsmodell. 

Leader Schumer and Leader Jeffries Hold Press Conference
Chuck Schumer (Senat) und Hakeem Jeffries (Repräsentantenhaus) sind die ranghöchsten demokratischen Gegenspieler von Donald Trump. Spüren tut man davon wenig. © imago/UPI Photo | IMAGO/Annabelle Gordon

Dass Trump in den ersten vier Wochen seiner Amtszeit relativ unbehelligt einen Tsunami von Verordnungen und politischen Rache-Feldzügen übers Land jagen konnte, hie und da vorübergehend gestört von der Justiz, hat seine Gründe auch in einer macht- und führungslosen Oppositionspartei, deren Widerstandsmuskeln atrophiert scheinen.

USA: Elon Musk trifft den amerikanischen Zeitgeist

Joe Biden, der frühere Präsident, wie auch Harris, die Verliererin, sind in der Versenkung verschwunden. Damit haben die Demokraten de facto kein Gesicht, das Trump die Nachrichtendominanz streitig machen könnte. Chuck Schumer und sein Mitstreiter im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, dringen mit ihren Stellungnahmen gegen den autokratischen Landraub Trumps kaum durch. Und Ken Martin, der neue Vorsitzende des demokratischen Führungszentrum DNC aus Minnesota, ist in Washington noch ein völlig unbeschriebenes Blatt.

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Massenmobilisierung, Protestmärsche, Fundamentalopposition – all das, was Demokraten 2017 bei Trump/Teil 1 zum Teil mit Erfolg ausprobierten, wird diesmal gar nicht erst versucht. Andersherum: Wissend um die laut Umfragen nicht zu bestreitende Popularität der Trump‘schen Rosskur gegen kriminelle illegale Einwanderer, stimmten unlängst rund 60 (!) Demokraten mit den Republikanern für ein Gesetz, das die schnellere Inhaftierung und Deportation dieser Klientel ermöglicht.

US-Demokraten wählen neuen Vorsitzenden
Ken Martin, der neue Vorsitzende des demokratischen Führungszentrum DNC aus Minnesota. © DPA Images | Rod Lamkey

Auch der von Trump-Intimus Elon Musk überstrapazierte Ansatz, in den Ministerien auf Teufel komm raus nach Verschwendung zu suchen, trifft gerade den amerikanischen Zeitgeist. Dagegen haben urdemokratische Themen wie Abtreibungsrecht, der Schutz von LGBTQ-Minderheiten und die Klimapolitik keine Konjunktur. Was dagegen tun – und mit wem? 

Ein Detail, das die Schwierigkeit verdeutlicht. Von Dezember bis heute hat sich der Eier-Preis, den Trump schwor, in kürzester Zeit nachhaltig zu senken, fast verdoppelt. Aber kein Demokrat findet das richtige Megafon, um das gebrochene Wahlversprechen des Präsidenten in die öffentliche Debatte zu tragen und zu sagen, was nach Ansicht von Experten der Denkfabrik Cato zu sagen wäre: „Trump ist das Problem mit den horrenden Lebenshaltungskosten vieler Amerikaner gleichgültig.”

Soll man Trump wüten lassen, bis ihm Energie und Lust ausgehen?

Bis zu den Zwischenwahlen im Kongress sind es noch 20 Monate. Deutlich vorher, sagen Parteistrategen, müssen das Konzept und das Personal-Tableau stehen, will man verhindern, dass 2029 Vize-Präsident JD Vance den Staffelstab übernimmt. Vorausgesetzt, Trump dankt – wie es die Verfassung vorschreibt – dann wirklich ab. 

Demokratische Hoffnungsträger wie die erfolgreichen Gouverneure Andy Beshear (Kentucky), Gretchen Whitmer (Michigan), Josh Shapiro (Pennsylvania), Gavin Newsom (Kalifornien) oder Wes Moore (Maryland) halten ihr Pulver trocken. Sie folgen dem Rat des Clinton-Beraters James Carville: Lasst Trump wüten, bis ihm Energie und Lust ausgehen und die Gerichte seinen Ritt stoppen. Aber was, wenn das nicht passiert? 

John Fetterman (li., kurze Hose) ist einer der demokratischen Senatoren, die mit ihrer Kritik an Donald Trump sparsam umgehen.
John Fetterman (li., kurze Hose) ist einer der demokratischen Senatoren, die mit ihrer Kritik an Donald Trump sparsam umgehen. © AFP | ANDREW CABALLERO-REYNOLDS

Manche in der Partei sehen ihr Heil schon heute in Appeasement. Etwa der kauzige Pennsylvania-Senator John Fetterman; zu erkennen an der kurzen Hose auch im Winter. Er bekennt sich offen zu seinem Kooperationswillen, hält sich mit Breitband-Kritik an Trump zurück, findet sogar manches gut. Auch unter den Gouverneuren, die mangels eines agilen Kongresses für viele Demokraten das letzte Bollwerk gegen Trump darstellen, zeigen sich verschiedene Strategien. Während Newsom oder Colorados „Ministerpräsident” Jared Polis auf einem schmalen Grat zwischen Kritik und einer gewissen Offenheit Trump gegenüber agieren, schaltet JB Pritzker, der milliardenschwere Gouverneur von Illinois, auf Brachial-Opposition. Ob man Trump damit bei Wählern madig machen kann, weiß heute niemand.

Politische Berater machen die Demokraten darauf aufmerksam, dass aus dem Duo Musk/Trump perspektivisch Honig zu saugen wäre. Umfragen nach den ersten vier Wochen zeigen einen Trend. Danach wird Amerika zunehmend mulmig eingedenk der beispiellosen Machtfülle, die Trumps „First Buddy” in kurzer Zeit angehäuft hat; etwa beim Rauswurf zehntausender Staatsdiener. Weit über 50 Prozent finden, dass der Elektro-Auto-Milliardär zurückgestutzt gehört. Das könnte ein Ansatz sein.