Washington. Trump ist wieder US-Präsident und schottet das Land ab. Bei Migranten ist die Verzweiflung groß – und es könnte noch Schlimmeres drohen.
Evelin Vasquez war am Montag mit ihren drei kleinen Kindern Angel, Liam und Elizabeth pünktlich am Grenzübergang Ciudad Juarez angekommen, um ihr Asylgesuch zu stellen. Die 29-jährige Latina aus Guatemala hatte über eine von der Biden-Regierung eingerichtete Smartphone-App wie vorgeschrieben einen Termin mit der Zoll- und Grenzschutzbehörde CBP (Customs Border Protection) festgezurrt. Sie wollte mit ihrem in Kalifornien lebenden Mann zusammentreffen und die Familie wieder vereinen. Daraus wird nichts.
Nachdem Donald Trump am Mittag den Amtseid als 47. Präsident der Vereinigten Staaten abgelegt hatte, wurde die App umgehend stillgelegt. Zigtausende längst vereinbarte Erstgespräche von potenziellen Einwanderer waren im Handumdrehen Makulatur geworden.
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Donald Trumps Abschiebepläne: Zahl der Einwanderungen war eigentlich zurückgegangen
Die neue Regierung setzte damit den ersten von vielen Akzenten, die eines zum Ziel haben: die Einwanderung an der Südgrenze bis auf Weiteres komplett zu stoppen. Obwohl die Zahlen seit dem Sommer kontinuierlich zurückgegangen sind, hat Trump die Grenze zum Notstandsgebiet erklärt, was den Einsatz des Militärs möglich und den Bau einer Grenzmauer leichter macht.
In seiner Antrittsrede berief er sich auf ein Kriegsgesetz von 1798, das als „Alien Enemies Act“ bekannt ist, um gegen ausländische Bandenmitglieder in den USA vorzugehen. Dieses Gesetz wurde zuletzt genutzt, um Menschen japanischer, deutscher und italienischer Abstammung während des Zweiten Weltkriegs in Internierungslagern festzuhalten.
Damit nicht genug. Trump ließ auch kriminelle Kartelle, etwa die mexikanischen Drogen-Syndikate, als ausländische terroristische Organisationen einstufen.
Trump prüft ein Einreiseverbot für bestimmte Länder
Ein unter der Vorgänger-Regierung praktiziertes Programm zur Neuansiedlung von Flüchtlingen wird für mindestens vier Monate auf Eis gelegt. Trump prüft wie schon in seiner ersten Präsidentschaft ein Einreiseverbot für Menschen aus bestimmten Ländern. Zudem wird das „Remain in Mexico“-Programm („Bleib in Mexiko“) reaktiviert. Es zwingt nicht-mexikanische Asylbewerber dazu, den Ausgang ihres US-Asylverfahrens im südlichen Hinterhof der Vereinigten Staaten abzuwarten. Weil Schutzsuchende dort auf teils miserable Verhältnisse trafen, hatte Joe Biden die Regel 2021 gekippt.
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Einen weiteren Hebel gegen unerwünschte Einwanderung sieht Trump in der Aufhebung der „Staatsbürgerschaft durch Geburt“. Bisher waren auch Neugeborene von illegal in den USA lebenden Einwanderern automatisch Amerikaner. Das geht auf den 14. Zusatzartikel zur US-Verfassung zurück. Trump will sich darüber hinwegsetzen, was nach Angaben von Juristen definitiv Gerichtsverfahren zur Folge haben wird. Ihre Bewertung: Für Trumps Reform muss die Verfassung geändert werden, was nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Kongress gelingen könne.
Abschiebungen sollen zeitnah beginnen
Ein anderer wichtiger Eckpfeiler gegen die Einwanderung ist im Trump-Kosmos die massenhafte Festnahme von Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus und deren zügige Abschiebung. In seiner Rede im Kapitol widmete sich Trump ausführlich seinem Plan, „Millionen und Abermillionen Illegaler” des Landes zu verweisen.
Die Pläne dafür sind offenbar bereits so reif, dass noch in dieser Woche in etlichen Großstädten Razzien der Grenzpolizei ICE gegen illegale Einwanderer stattfinden könnten. Stichwort: „Operation Safeguard” (zu Deutsch: Operation Schutzmaßnahme).
Trumps neuer „Grenzzar“ Tom Homan drohte dabei potenziellen Zielstädten wie Chicago mit Härte. Hintergrund: Die Metropole in Illinois gehört - wie auch nahezu die komplette US-Westküste von Washington State bis Kalifornien – zu den „Sanctuary Cities“, die sich gegen einen harten Umgang mit Asylsuchenden wenden und eine Kooperation mit ICE verweigern.
Deportationen könnten der US-Wirtschaft schaden
Trump will die Vorbehalte brechen, notfalls durch Finanzentzug. Er vergleicht die illegale Einwanderung mit einer „Invasion”, vor der er, als Oberbefehlshaber der Streitkräfte, die Nation schützen müsse.
Kritiker der Linie Trumps, der von potenziell 20 Millionen Illegalen spricht (Regierungsstellen gehen von maximal 13 Millionen aus), weisen regelmäßig darauf hin, dass die geplanten Massenabschiebungen viele Wirtschaftszweige (Landwirtschaft, Bau, Gastronomie) empfindlich treffen würden, weil dort der Anteil illegaler Einwanderer besonders hoch ist, die teilweise seit vielen Jahren ein unbescholtenes Leben in den USA führten, Steuern zahlten – aber eben keine Aufenthaltserlaubnis besäßen. Außerdem würden durch die Illegale-raus-Politik Tausende Familien zerrissen und der US-Steuerzahler mit Extrakosten in Milliardenhöhe belastet.
Massenabschiebungen stehen vor Hürden
Die „American Civil Liberties Union“ und andere Gruppen haben sich auf Rechtsstreitigkeiten mit dem Weißen Haus vorbereitet; eine Strategie, die viele von Trumps Maßnahmen während seiner ersten Amtszeit verunmöglicht hat.
Insider der neuen Administration wiesen gestern leise darauf hin, dass für eine echte Massenabschiebung erst die finanzielle Bewilligung des Kongresses eingeholt werden müsse. Es sei darum wahrscheinlicher, dass sich die ICE-Fahnder auf ausreisepflichtige Einwanderer konzentrieren werden, deren Asylgesuch bereits rechtskräftig abgelehnt wurde oder die straffällig geworden sind. Dieser Personenkreis wird vom Heimatschutz- und Justizministerium mit rund 1,3 Millionen Menschen angegeben.