Berlin. Russland hat all seinen Fokus auf den Krieg in der Ukraine gelegt – auf Kosten der inneren Sicherheit, wie Experte Masala analysiert.
Der Krieg in der Ukraine zermürbt die Truppen auf beiden Seiten. Während der Ukraine vor allem der schleppende Munitionsnachschub zu schaffen macht, musste Russland im Schwarzen Meer schmerzhafte Verluste hinnehmen. Jetzt kommt der Anschlag in Moskau hinzu, der vor Augen führt, wie Wladimir Putin die innere Sicherheit vernachlässigt hat. Unser Experte Carlo Masala ordnet die aktuelle Lage ein.
Herr Masala, wie gestaltet sich die Lage an der ukrainischen Front aktuell?
Die Ukrainer ringen weiterhin darum, die Städte im Osten zu halten, was aber angesichts von Personal- und Munitionsmangel schwierig ist. Sie haben mit dem Angriff auf die Krim taktische Erfolge erzielt. Russland hat die Kontrolle über das westliche Schwarze Meer und über die westliche Krim verloren, in dem Sinne, dass es diese Gebiete nicht mehr vernünftig überwachen kann. Das schafft die Voraussetzungen, um möglicherweise auf der östlichen Seite demnächst anzugreifen.
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Wann könnten die von Dänen und Niederländern versprochenen Kampfjets vom Typ F-16 an die Ukraine geliefert werden?
Das hängt davon ab, ob man die Ausbildung der ukrainischen Piloten an den F-16 für so weit abgeschlossen hält, dass man sie damit fliegen lassen kann – und zwar nicht nur fliegen, sondern auch taktisch damit operieren lassen kann. Das lässt sich von außen schwer einschätzen.
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Wie groß ist der Schritt für die Ukrainer, von den eigenen Kampfjets hin zu F-16?
Die Ukrainer haben alte sowjetische Kampfjets, keine modernen westlichen. Es sind andere Systeme – das stellt kein unüberwindbares Hindernis dar, aber man will natürlich nicht, dass die Piloten schnell abgeschossen werden können.
Carlo Masala
Er ist einer der bekanntesten Militärexperten in Deutschland. Masala (Jahrgang 1968) lehrt Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Er beantwortet unserer Redaktion jede Woche die wichtigsten Fragen rund um den Konflikt in der Ukraine.
Wie wichtig sind die F-16 für die Ukraine?
Sie sind ein Teil dessen, was die Ukraine braucht, um vorrückende russische Verbände und Stellungen zu bekämpfen. Sie könnten auch wichtig sein, um russische Flugzeuge zu bekämpfen, die in den ukrainischen Luftraum eindringen. Entscheidend wird sein, welche Bewaffnung die F-16 bekommen. Je nachdem, was die Ukraine dafür bekommt, wäre sie eventuell in der Lage, aus dem ukrainischen Luftraum heraus die Bomber, die Raketen aus Russland Richtung Ukraine schießen, selbst schon vor dem Abschuss zu zerstören. Was konkret mit den F-16 geliefert wird – darüber zu spekulieren, ist müßig.
Ein russischer Marschflugkörper hat kürzlich den polnischen Luftraum verletzt. Was könnte die Folge sein?
Das dürfte keine großen Folgen haben, höchstens symbolische. Die polnische Luftverteidigung ist in der Lage, mit solchen Raketen selbst zurechtzukommen. Die Russen haben die Rakete ja wieder zurückgeholt, die Polen haben dann bewusst darauf verzichtet, die Rakete abzuschießen. Polen versucht, nicht selbst in eine Eskalation mit der Russischen Föderation einzutreten. Doch als Grenzstaat zur Ukraine kann es immer mal wieder passieren, dass sich ein Marschflugkörper verirren kann.
Wie sind die jüngsten Angriffe auf Kiew zu bewerten?
Das Ziel waren unter anderem Gebäude des ukrainischen Geheimdienstes, ähnlich wie im Spätsommer 2022. Neu an diesem Angriff ist, dass er tagsüber erfolgt ist. Normalerweise greifen sie Kiew nachts oder in den frühen Morgenstunden an. Ob das nun eine veränderte russische Taktik ist, werden wir in den nächsten Wochen sehen.
Was sind Ihre Schlüsse aus dem Terroranschlag in der Crocus City Hall bei Moskau?
Russland ist nicht in der Lage, für die Sicherheit im Inneren zu sorgen. Es ist seit zwei Jahren komplett darauf fokussiert, diesen Krieg gegen die Ukraine zu führen. Dabei vernachlässigt es andere Bedrohungen. Das hat den Raum für diesen Anschlag geschaffen. Man kann jetzt nicht zugeben, dass genau das der Fall ist. Also verknüpft man den Terroranschlag mit der Ukraine, so wie Putin es am Montag in einer Fernsehansprache getan hat.
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Erwarten Sie konkrete Folgen für den Krieg gegen die Ukraine?
Nein, eigentlich nicht. Die hätten wir rhetorisch schon jetzt bemerkt. Aber man sieht, wie sehr Putin ins Schwimmen kommt. In der Fernsehansprache, bei der er zugeben musste, dass die Täter Fundamentalisten sind, hat er sofort die Brücke zur Ukraine geschlagen. Das veranschaulicht, wie verzweifelt man ein Narrativ sucht, um der Bevölkerung nicht zeigen zu müssen, dass man die Gefahr völlig unterschätzt hat.
In Deutschland sollen die Sicherheitsvorkehrungen mit Blick auf islamistischen Terror angepasst werden. Welche Maßnahmen könnten zielführend sein?
Wir haben dieses Jahr eine EM in Deutschland und eine Olympiade in Frankreich. Das sind natürlich Ereignisse, bei denen islamistische Gruppen versucht sein könnten, Anschläge zu verüben. Ich vermute, dass wir die normalen Maßnahmen gegen islamistische Gefährder weiter erhöhen werden und an der Grenze kontrollieren – also das übliche Prozedere.
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