Moskau. Vor 25 Jahren zog Putin in den Kreml ein. Eine ganze Generation kennt nur ihn als Präsidenten – doch sein Regierungsstil hat Tücken.
Es war ein historischer Silvesterabend, der 31. Dezember 1999. Russlands Präsident Boris Jelzin, krank und trunksüchtig, trat zurück und benannte seinen Nachfolger. „Wir haben die Rede von Jelzin, Gott sei Dank die letzte, live miterlebt. Danach haben wir bis spät in der Nacht gefeiert“, erinnert sich eine Zeitzeugin gegenüber unserer Redaktion. Den neuen Machthaber allerdings kannte niemand in der Partyrunde.
Er hieß Wladimir Wladimirowitsch Putin, er war damals Regierungschef unter Jelzin. Seitdem ist Putin an der Macht – bis heute. Eine ganze Generation in Russland kennt nur ihn als Präsidenten, mit einer Unterbrechung: Von 2008 bis 2012, als Putin aus Verfassungsgründen nicht antreten durfte, war Dmitri Medwedew sein Statthalter im Amt.
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Geboren wurde Putin am 7. Oktober 1952 in Sankt Petersburg, das damals noch Leningrad hieß. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, studierte Jura und arbeitete ab 1975 für den damaligen sowjetischen Geheimdienst KGB. Seit seiner Zeit als Geheimdienstler in Dresden in der ehemaligen DDR spricht er perfekt Deutsch.
Post-Sowjet-Ära brachte Unruhe in Russlands Gesellschaft
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kehrte Wladimir Putin nach Russland zurück und wurde stellvertretender Bürgermeister in Sankt Petersburg. Ab 1997 war er im Kreml tätig, war Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB und schließlich Regierungschef. Putins wohl größter innenpolitischer Verdienst als Präsident war die Befriedung des Landes nach den chaotischen 1990er-Jahren.
Russland taumelte durch eine riesige Wirtschaftskrise, der Rubel war nichts mehr wert, die Menschen ernährten sich von dem, was sie auf der Datscha anbauten. Wenige wurden unermesslich reich, viele unermesslich arm. Und die Oligarchen kämpften um die Macht. Bombenattentate, politische Morde waren an der Tagesordnung.
Putin schloss Frieden mit den Oligarchen. Die soziale Ungleichheit aber bestand weiter – bis heute. Doch die anhaltend hohen Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft brachten Wohlstand für viele. Bei den Parlamentswahlen von 2003 errang die Kremlpartei Einiges Russland einen erdrutschartigen Sieg.
Putin: Radikalisierung gipfelte in Einmarsch in der Ukraine
Außenpolitisch gab sich Putin zunächst als Europäer. Im September 2001 sprach er in einer historischen Rede vor dem Deutschen Bundestag von der „Einheit der europäischen Kultur“. Europa und Russland sollten einen eigenen Machtblock bilden – gegen die Amerikaner, so Putin in seiner Rede, die er auf Deutsch hielt.
„Niemand bezweifelt den großen Wert der Beziehungen Europas zu den Vereinigten Staaten. Aber ich bin der Meinung, dass Europa seinen Ruf als mächtiger und selbstständiger Mittelpunkt der Weltpolitik langfristig nur festigen wird, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit Russlands menschlichen, territorialen und Naturressourcen sowie mit den Wirtschafts-, Kultur- und Verteidigungspotenzialen Russlands vereinigen wird.“
Von Anfang an war Wladimir Putin ein Machtpolitiker. Den Zusammenbruch der Sowjetunion empfand er als Demütigung, die Nato-Osterweiterung als Bedrohung. Unter ihm an der Macht führte Russland viele Kriege, darunter gegen Rebellen in Tschetschenien, aber auch gegen Georgien, als er Regierungschef und Medwedew Präsident war, in Syrien und zuletzt gegen die Ukraine. Die zunehmende Westorientierung der propagierte Putin als „Bedrohung durch die Nato“ und marschierte im Februar 2022 im Nachbarland ein.
Alexej Nawalny: Putin-Kritiker werden mundtot gemacht
Mit seinem „Kampf gegen den äußeren Feind“ hat er viele Russen auf seine Seite gezogen. Der Kremlchef kam als Erbauer eines neuen starken Russlands, das bisweilen mit seinen Atomwaffen droht, bei vielen Menschen im Land an. Und selbst westliche Experten räumen ein, dass Moskau dem Druck der Sanktionen der EU, der USA und anderer Staaten bisher besser standgehalten hat als von vielen erwartet.
Im Land selbst regiert Putin mit eiserner Hand. Eine nennenswerte Opposition gibt es längst nicht mehr, Regimekritiker sitzen im Gefängnis oder sind ins Ausland geflohen. Der prominente Kremlkritiker Alexej Nawalny starb im Straflager. Zur bislang höchsten Haftstrafe für einen Oppositionellen wurde Wladimir Kara-Mursa verurteilt. Er muss 25 Jahre im Straflager verbringen.
Russland unter Putin: Organisationen der Zivilgesellschaft wie etwa „Memorial“, die sich um die Aufarbeitung der Verbrechen der Stalin-Zeit kümmerte, wurden aufgelöst. Schwule und Lesben im Land werden diffamiert, „Propaganda“ für Sexualität jenseits der traditionellen ist in Russland strafbar. Viele Russen beklagen Angst und Perspektivlosigkeit.
Präsident Putin könnte Russland bis ins Jahr 2036 regieren
Trotz allem, das zeigen Umfragen, trauen die meisten Menschen vor allem Putin zu, die vielen Probleme zu lösen. Ein Kommentator der US-Zeitung „Wall Street Journal“ kürte Putin 2023 „ohne Freude“ sogar zum „geopolitischen Sieger“ des Jahres. Putin habe mit dem „grausamen Vorteil strategischer Ausdauer“ und autokratischer Herrschaft seine Position gestärkt.
Die Präsidentschaftswahlen, die am Wochenende laufen, wird der 71-jährige Putin haushoch gewinnen. Zumal es keine ernsthaften Gegenkandidaten gibt. Von der Zentralen Wahlkommission wurden die Kriegsgegner Jekaterina Dunzowa und Boris Nadeschdin formal abgelehnt. Mit möglichen zwei weiteren Amtszeiten könnte Wladimir Putin bis 2036 Präsident bleiben. Er wäre dann der am längsten amtierende Staatschef Russlands – seit Katharina der Großen im 18. Jahrhundert.
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