Siegen. Die Rekordeinnahme an Gewerbesteuer nutzt wenig. Die Ausgaben steigen noch schneller. Denn Straßen, Brücken und Schulen können nicht warten.

Es passt nicht zusammen: Die Finanzen gehen in den Keller, weil trotz rekordverdächtiger Gewerbesteuereinnahmen die Aussagen noch schneller steigen, vor allem wegen der durch den Ukraine-Krieg angetriebenen Inflation. Auf der anderen Seite investiert die Stadt aber auch so viel wie lange nicht mehr. „Die Infrastruktur der Stadt kommt in die Jahre“, sagt Bürgermeister Steffen Mues. Straßen, Brücken, Schulen, Sportanlagen, Kitas, Spielplätze – alles, was so in den 1960er und 1970er Jahren gebaut wurde, wird nun sanierungsreif. Über 100 Millionen Euro beträgt die Neuverschuldung der Stadt allein in den Jahren 2024 bis 2028.

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Das hat Siegen vor

„Wir werden enorm investieren“, kündigt Bürgermeister Steffen Mues bei der Vorstellung des Etatentwurfs an. Mit 63 Millionen Euro werde nach 2024 noch einmal eine Rekordhöhe erreicht. „Wir machen unglaublich viel“, bestätigt Kämmerer Wolfgang Cavelius.

„Und ich hatte die Hoffnung, dass wir aus dem Gröbsten raus wären.“

Steffen Mues, Bürgermeister

Kitas und Schulen: Der Bürgermeister nennt den Umzug der Spandauer Schule ins ehemalige Gebäude der Realschule Am Häusling, mit noch einmal knapp fünf von insgesamt 12 Millionen Euro der größte Einzelposten. . „Das geht jetzt richtig los.“ Dann die laufenden Erweiterung der Diesterwegschule, die letzten Bauabschnitte für die Weidenauer Jung-Stilling-Schule, neu nun auch die Grundschule Eiserfeld, insgesamt im nächsten Jahr zwölf Millionen Euro. Im Vorgriff auf das übernächste Jahr stehen auch schon Mittel für die Planung der Geisweider Albert-Schweitzer-Schule bereit, das nächste große Schulbauprojekt. Und irgendwann wird auch über die Dependance für die neue Gesamtschule Am Rosterberg zu reden sein, nur dann planmäßig im Gebäude der Hauptschule Achenbach, wenn sie wirklich mangels Schülern aufgelöst wird. Hinzu kommen bei den laufenden Ausgaben 55 Millionen Euro für den Betrieb der Kitas, ein Achtel der Siegener Gesamtausgaben, denen –gewollt – nur 1,6 Millionen Euro Einnahmen an Elternbeiträgen gegenüberstehen.

Klimaschutz: Allein zwei Millionen Euro investiert die Stadt in neue Heizkessel, vier Millionen in die Umstellung auf LED-Straßenbeleuchtung. Öffentlicher Nahverkehr gehört dazu: Wenn auch der Landeszuschuss fließt, setzt die Stadt ihren Anteil von 1,5 Millionen Euro für den Neubau des Geisweider Busbahnhofs ein. Die Neuanlage des Niederschelder Siegdeichs für insgesamt zwölf Millionen Euro kann als Klimafolgenanpassung verbucht werden. Und mit der Sanierung des Hallenbades Eiserfeld (8,5 Millionen Euro) und dem Neubau des Hallenbades Weidenau (6,7 Millionen Euro Planungskosten von insgesamt 47 Millionen Euro) wird auf Dauer auch der Energieverbrauch reduziert.

Straßen und Brücken: In den 20 Millionen Euro sind der Rest für den Schleifmühlchen-Kreisel (3,5 von 9,7 Millionen Euro) und Planungskosten für den Neubau der Hufeisenbrücke am Bahnhof (2,1 von 5 Millionen Planungskosten, Baukosten noch nicht veranschlagt) enthalten. Saniert werden sollen 2025 Buchener Straße, Eiserntalstraße, Oranienstraße, Wittgensteiner Straße, Gießereistraße, Gerberstraße, Am Eichenhang, Im Söhntchen, Berghofstraße, Zum Wildgehege, und die Brücke Berliner Straße. Bereits ausgeschrieben werden sollen 2025 auch die Sanierung von Haardtstraße und Effertsufer.

Sport und Bäder: Außer den Hallenbädern stehen Investitionen in Hofbachstadion und Leimbachstadion (Mues: „So wie die Sportfreunde spielen, ist nicht ganz ausgeschlossen, dass die auch mal im Pokal spielen“) sowie in den Turnhallen am Löhrtor und auf dem Schießberg an.

Spielplätze: Die Spielplätze Johannesstraße, Blauwunderstraße und Eduard-Schneider-Davids-Straße werden neu gebaut oder saniert, 2026 folgt die Multifunktionsfläche an der Ypernstraße. Neu gebaut wird die Skateranlage am Goldammerweg.Feuerwehr: Größte Investition ist Abriss und Neubau des Feuerwehrgerätehauses Sohlbach (4,25 Millionen Euro).

Verwaltung: 1700 Frauen und Männer arbeiten auf – umgerechnet – rund 1400 Vollzeitstellen der Verwaltung. Im nächsten Jahr sollen es 35 mehr werden. Darunter sind sieben Stellen für die IT: Die Stadt will nach dem Cyberangriff ihre Abhängigkeit von der Südwestfalen IT verringern, „besser steuern können und mehr Kompetenz im Haus haben“ (Bürgermeister Steffen Mues). Acht weitere Stellen sind für die neue „Anlaufstelle Sicherheit“ am Bahnhof vorgesehen.

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Das ist die Lage

„Die Situation hat sich deutlich verschlechtert“, sagt Bürgermeister Steffen Mues. Nicht nur für Siegen oder fast alle Kommunen in NRW. „Mittlerweile machen sich sogar bayerische Kommunen Gedanken um ihre Haushalte.“ Das Siegener Defizit ist so hoch wie seit 2016 nicht mehr, die Kassenkredite kommen mit 236 Millionen Euro dem Höchststand von 2017 nahe, die Investitionskredite werden 2028 mit rund 203 Millionen Euro mehr als das Doppelte des Jahres 2009 betragen. „Und ich hatte die Hoffnung, dass wir aus dem Gröbsten raus wären.“

Nach zwei Überschuss-Jahren (insgesamt 32 Millionen Euro) stehen nun 22,3 Millionen Euro Defizit unter dem Strich. Nur, weil Kämmerer Wolfgang Cavelius eine „globale Minderausgabe“ von 8,4 Millionen Euro einplant, die wohl nie erwirtschaftet wird. Sonst betrüge das Defizit sogar 30,7 Millionen Euro. Einer der vielen „Buchungstricks“, die das Land nahelegt, um den Schein zu wahren. Tatsächlich gelingt es dem Kämmerer so, immer nur so viel Geld aus dem Eigenkapital wegzubuchen, dass die Stadt noch kein Haushaltssicherungskonzept auflegen muss. „Uns ging es darum, handlungsfähig zu bleiben“, sagt Wolfgang Cavelius. Eine Lösung ist das nicht, weil das Eigenkapital jetzt schon zu 60 Prozent aufgebraucht ist und der Zeitpunkt der Überschuldung errechnet werden kann. „Es fehlt an echtem Cash.“

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