Hilchenbach. Zweistellige Millionenbeträge fehlen. Dennoch müssen Straßen saniert werden: „Letzte Chance“. Blockierter Grundschulneubau macht weiter Sorgen.
Hilchenbach rutscht ganz tief in die roten Zahlen ab. Zwischen Einnahmen und Ausgaben klafft im nächsten Jahr eine Lücke von 11,1 Millionen Euro – eigentlich sogar 12 Millionen, wenn man den „globalen Minderaufwand“ nicht berücksichtigt, der zwar eingeplant wird, tatsächlich aber erst einmal erzielt werden muss. Auch die Erhöhung der Grundsteuer über den „aufkommensneutralen“ Satz hinaus ist mit einer Mehreinnahme von 700.000 Euro schon eingepreist. In den nächsten Jahren wird es nicht besser. 2028 wird das Eigenkapital der Stadt auf rund 18 Millionen Euro geschrumpft sein, das ist ein Verbrauch von gut zwölf Millionen Euro innerhalb von vier Jahren.
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Als Ursachen werden im Vorbericht des Haushaltsplans, den Kämmerer Christoph Ermert am Mittwoch in den Rat eingebracht hat, gestiegene Personal- und Energiekosten genannt, außerdem die Zinsen, die jahrelang keine Rolle spielten, nun aber bei erhöhten Zinssätzen allein mit 1,3 Millionen Euro zu Buche schlagen, noch einmal ein Viertel mehr als in diesem Jahr. Die Zinsen werden für Investitionen fällig: Allein von 2023 auf 2025 verdreifacht sich der Schuldenstand auf über 20 Milliionen Euro. Schwerwiegender sind die Kosten für die Liquiditätskredite, die die Stadt aufnehmen muss, weil die sinkenden Einnahmen aus Steuern und Landeszuweisungen nicht ausreichen, um die laufenden Ausgaben für Personal, Sach- und Dienstleistungen und Kreisumlage zu decken: Aktuell ist das Konto mit 28 Millionen Euro überzogen, 2028 werden es über 55 Millionen Euro sein.
Die Aussichten
Bisher waren Städte und Gemeinden gehalten, ihre Defizite aus der allgemeinen Rücklage, dem Eigenkapital, zu finanzieren. Dazu dürfen aber nur einmal 25 Prozent und in zwei aufeinanderfolgenden Jahren nicht mehr als je fünf Prozent in Anspruch genommen werden – sonst droht ein Haushaltssicherungskonzept, das zu weiteren Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen zwingt. Neu erfunden wurde nun der „Verlustvortrag“, von dem der Hilchenbacher Kämmerer Gebrauch macht: Auf diese Weise werden die Defizite in den Folgejahren aufgetürmt, rund 22 Millionen Euro werden bis 2028 erreicht, die natürlich auch Zinsen kosten. Dazu kommen die 13 Millionen Euro, die Hilchenbach während der Pandemie „isoliert“ hat, ab 2026 aber auch abtragen muss: in jährlichen Raten von 386.000 Euro bis ins Jahr 2075.
„Ohne wirkliche Unterstützung droht uns in wenigen Jahren die Überschuldung.“
Ob die Stadt auf diese Weise über die Runden kommt, weiß Kämmerer Christoph Ermert nicht. Die Kommunalaufsicht beim Kreis Siegen-Wittgenstein darf die Verlustvorträge nur genehmigen, „wenn die stetige Erfüllung der Aufgaben (...) gesichert erscheint“. So steht es in der Gemeindeordnung. „Ohne wirkliche Unterstützung droht uns in wenigen Jahren die Überschuldung“, warnt der Kämmerer. Das Abrutschen in die Haushaltssicherung könne nach 2028 passieren. „Aber wenn sich die Zahlen weiter verschlechtern, wird schon der Haushalt 2026 nicht mehr genehmigungsfähig.“ Zumal die Stadt mit den Gewerbesteuern nicht verlässlich kalkulieren könne: „Ich schaue mal nach Kreuztal“, sagt Ermert mit Blick auf die Entwicklung bei Thyssenkrupp Steel, „das hat bestimmt auch für uns Auswirkungen.“ Tim Lukas Debus (SPD) glaubt zwar nicht, dass das Land die finanzielle Ausstattung der Städte und Gemeinden verbessern wird. Wohl aber, dass von dort weitere „Buchungstricks“ ersonnen werden, mit denen sich die Kommunen zumindest auf dem Papier über Wasser halten können. „Da bin ich guter Dinge.“
Die Investitionen
Investieren wird die Stadt im nächsten Jahr 11,4 Millionen Euro, davon allein fünf Millionen für die Sanierung der Stadtstraßen. Veranschlagt werden die ersten 200.000 Euro für die Erweiterung der Grundschule Müsen (Gesamtkosten: zwei Millionen Euro), 340.000 Euro für die Modernisierung des Dorfgemeinschaftshauses Lützel und die letzten 700.000 Euro für den Kulturellen Marktplatz Dahlbruch (Gesamtkosten: 18 Millionen Euro). Andere große Investitionen wie die Erneuerung des Hilchenbacher Marktplatzes (inzwischen 1,3 Millionen Euro) oder die Renaturierung des Langenfelder Bachs (1,8 Millionen Euro) sind bereits in den Vorjahren finanziert worden, weitere wie die Ortsmitte Helberhausen (900.000 Euro) müssen zum großen Teil erst 2026 bezahlt werden.
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Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis wirbt für das „außergewöhnliche Investitionsprogramm“: „Wir haben Nachholbedarf“ –auch, weil während der jahrelangen Debatte über Anliegerbeiträge und das Kommunalabgabengesetz Arbeiten zurückgestellt wurden. Jetzt zahlt das Land an Stelle der Anlieger, umgerechnet vier Euro für jeden Euro, den die Stadt selbst finanziert. „Eine unserer letzten Chancen.“
Der Fall Florenburgschule
Eine Sonderrolle nimmt die Florenburgschule ein. 450.000 sind für einen zweiten Bauabschnitt des Modulgebäudes eingeplant, um weitere Klassenräume zu schaffen. Dabei ist der erste Bauabschnitt mit vier Klassenräumen immer noch nicht freigegeben. Die Baustelle war Anfang 2023 von der Bauaufsicht des Kreises Siegen-Wittgenstein gesperrt worden, weil Bauteile ausländischer Herkunft verwendet wurden, die in Deutschland nicht zugelassen sind – was Großstädte in NRW und deren Behörden, die dieselben Bauten bestellt hatten, nicht gestört hatte. Seit August gibt es zwar nun die Baugenehmigung des Kreises. Immer noch aber steht die vom NRW-Bauministerium zu erteilende „Zustimmung im Einzelfall aus, die vom Gutachten der Gesellschaft für Materialforschung und Prüfungsanstalt für das Bauwesen Leipzig abhängt. Daraus wiederum könnten sich Änderungen in der Bauausführung ergeben, die die Brandschützer der Bauaufsicht des Kreises erneut auf den Plan rufen werden.
„Das zieht sich“, stellt Stadtrat Christoph Ermert fest, der nicht mehr sicher ist, dass die Schule wenigstens zum Schuljahr 2025/26 einziehen kann, ursprünglich geplant; 2023/24. „Plan B ist noch nicht vom Tisch.“ Das wären weitere Pavillons, die oberhalb des Lehrerparkplatzes zwischen Grundschule und Realschule aufgestellt würden. „Wir würden die Fläche zumindest schon einmal herrichten.“ Kommen die Pavillons nicht, bekämen die Schulen einen größeren Parkplatz. In den Haushalt müssten die Mittel dafür noch zusätzlich eingeplant werden.
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