Siegen. Der Siegdeich in Niederschelden schützt nicht vor Hochwasser. Eine Hochwasserschutzwand soll es richten. Aktuell finden noch Probebohrungen statt.

Wie unberechenbar Wasser und Wetter sind, mussten viele Menschen 2021 bei dem Hochwasser im Ahrtal oder auch zuletzt im Süden Deutschlands erleben. Menschen verlieren ihr Haus, ihre Erinnerungen – manche sogar ihre Angehörigen. In Niederschelden schützt der Siegdeich die Bevölkerung nicht mehr ausreichend vor Hochwasser. Deshalb soll nun eine Hochwasserschutzwand den maroden Siegdeich ersetzen.

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Bis dahin finden bei hohen Wasserständen regelmäßige Kontrollen des Siegener Entsorgungsbetriebes (ESi) statt, erzählt Projektleiter Jörg Tiller (65). „Die Anlage hat sich bisher bewährt, allerdings weist der Deichaufbau Mängel auf. Für mich ist das ein Herzensprojekt.“

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„Die Anlage hat sich bisher bewährt, allerdings weist der Deichaufbau Mängel auf. Für mich ist das ein Herzensprojekt.“

Jörg Tiller, Projektleiter

Siegen: Baugrunduntersuchungen in Niederschelden dauern noch zwei Monate

Der Siegdeich ist seit dem Bau in den 1970er und 1980er Jahren ein beliebtes Naherholungsziel. Er verläuft zwischen dem ehemaligen Rathaus Eiserfeld und der Landesgrenze Rheinland-Pfalz. Auf der Krone verläuft ein Fuß- und Radweg. Dieser ist aktuell wegen Baugrundbohrungen zwischen dem Ortseingang Niederschelden (gegenüber vom alten Rathaus Eiserfeld) und Auffahrt HTS nicht mehr nutzbar, zum Leidwesen der Anwohner. Ein neuer Fuß- und Radweg soll auch angelegt werden.

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Mit diesem Bohrer werden die Schichtungen im Boden des Siegdeichs genau untersucht. Die Baugrunduntersuchungen dauern noch mindestens zwei Monate an. © Westfalenpost | Ronja Afflerbach

„Der Deich ist marode und entspricht den Anforderungen nicht mehr“, sagt Projektleiter Jörg Tiller. Vor allem sei der umfangreiche Bewuchs unzulässig, weil er die Schutzfunktion des Deiches gefährdet. So wären Stellen, an denen der Deich bricht, im Ernstfall schwer für Einsatzkräfte zu erreichen. Dafür bräuchte es einen mindestens drei Meter breiten Verteidigungsweg. Die Bezirksregierung Arnsberg hatte die Stadt Siegen daher aufgefordert, notwendige Sicherungsmaßnahmen durchzuführen.

Siegen: 8 Millionen Euro soll Hochwasserschutzwand in Niederschelden kosten

„Vom Platz her reicht es einfach nicht, einen neuen Siegdeich zu bauen, wir hätten dann auf die Nachbargrundstücke ausweichen müssen“, sagt Tiller. „Jetzt sind wir nur auf städtischem Boden.“ Vor allem gegen die Fällung der Bäume hatte sich der Heimatverein Niederschelden gewehrt. Schlussendlich wurde ein Kompromiss geschlossen: Einige Bäume Richtung Sieg wurden gefällt, der Großteil blieb stehen.

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Bei den Bohrungen wird alle 100 Meter ein Profil mit einem Durchmesser von 100 Millimetern entnommen und deponiert. Die Bodenproben werden vom Baugrundgutachter betrachtet und eingestuft. © Westfalenpost | Ronja Afflerbach

Insgesamt standen mehrere Varianten zur Diskussion, wir berichteten. Nun ist es die Hochwasserschutzwand geworden, die das etwa zwei Kilometer lange Deichbauwerk ersetzen soll: Diese wird an der Wasserseite der Böschungsoberkante errichtet und soll dank Dichtheit und Standsicherheit den Schutz gewährleisten. Damit handelt es sich nicht mehr um einen richtigen Deich, sondern um eine Wand mit einer Art aufgeschüttetem Schutzwall dahinter. Kosten werden auf knapp acht Millionen Euro geschätzt. Das Land NRW fördert die Baumaßnahme mit 80 Prozent. 20 Prozent übernehme dann die Stadt, sagt Tiller.

Siegen: Grundwasserströme und Baugegebenheiten werden derzeit geprüft

Die neue Hochwasserschutzwand soll mindestens die Höhe des Deiches aufweisen. „Es gibt verschiedene Möglichkeiten: zum Beispiel eine Spundwand, eine Schwergewichtsmauer oder eine Mauer aus Trägerbohlen“, sagt Tiller. „Aber das weiß man noch nicht. Der Baugrund und der Grundwasserfluss müssen erst geprüft werden. Bei den aktuellen Baugrunduntersuchungen schauen die Fachleute, wo der Fels ist, wie er strukturiert ist, wie stark die Schotterschicht ist. Und es werden Grundwasserströme untersucht.“ Bei der ersten Bohrung stießen die Arbeiter nach etwa sechs Metern auf Fels. Bohrungen bis 15 Meter Tiefe sind geplant. Vor Beginn der Bohrungen werden die Punkte auf Kampfmittel untersucht. „Derzeit haben wir drei Verdachtspunkte. Das kann aber auch nur ein Löffel sein“, sagt Tiller. Der Kampfmittelräumdienst wird hier nochmal mit Abstand nachbohren. 

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An fünf Stellen werden Brunnenbohrungen durchgeführt, um Grundwasser-Messstellen einzurichten.  © Westfalenpost | Ronja Afflerbach

Für den Bereich zwischen Ortseingang Niederschelden und Auffahrt HTS ist keine erkennbare Belastung attestiert, sagt Tiller. Trotzdem muss bei Bohrungen in der Größe die Kampfmittelprüfung gemacht werden. „Bei den 20 Bohrungen wird alle 100 Meter ein Profil mit einem Durchmesser von 100 Millimetern entnommen und deponiert. Die Bodenproben werden vom Baugrundgutachter betrachtet und eingestuft. Mindestens bis zum Ende der Bauzeit werden diese vorgehalten, falls sich noch Unklarheiten ergeben sollten.“

Siegen: Siegdeich Niederschelden – Blindgänger wurden bisher keine gefunden

Als einen der kritischsten Bereiche hinsichtlich des Grundwasserflusses wird die große Siegschleife zwischen HTS-Auffahrt und Landesgrenze Rheinland-Pfalz betrachtet. Hier liegen die Grundstücke am tiefsten. „Wir müssen auch wissen, wie der Kanal im Deich gelegt wurde. Der Kanal wird an bestimmten Punkten an einer Seite freigelegt, bevor der Geologe kommt und schaut, wie damals gebaut worden ist und wie der Kanal gelegt wurde.“

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Ortseingang Niederschelden, gegenüber vom alten Rathaus Eiserfeld, und Auffahrt HTS: Hier ist kein Durchgang mehr. Fahrradfahrer und Fußgänger müssen sich nun einen anderen Weg suchen. © Westfalenpost | Ronja Afflerbach

An fünf Stellen werden zusätzliche Brunnenbohrungen durchgeführt, um Grundwasser-Messstellen einzurichten. Es geht dann also nicht nur um die Bodenschichtungen, sondern wie und wohin sich das Grundwasser bewegt. Durch die geplante Baumaßnahme darf sich keine Verschlechterung der vorhandenen Situation ergeben.

Nach Bohrungen kann Planfeststellungsverfahren starten – voraussichtlich Ende 2024

Etwa zwei Monate lang wird es nun noch dauern, bis die Bohrarbeiten abgeschlossen sind. Bevor mit dem Bau begonnen werden kann, muss zur Genehmigung noch ein Planfeststellungsverfahren mit Beteiligung der Behörden und der Öffentlichkeit durchlaufen werden. „Die Pläne für das Planfeststellungsverfahren sollen Ende dieses Jahres vorliegen“, sagt Tiller. Vor dem Bau können noch Klagen eingereicht werden. Das hieße, dass sich der Bauanfang noch weiter hinauszögern würde. Wenn niemand klagt, könnten Ende 2025 die Ausführungsplanung und Arbeiten ausgeschrieben und Anfang 2026 mit dem Bau begonnen werden. Jörg Tiller vermutet, dass 2028 mit einem Ende der Bauarbeiten gerechnet werden könnte.

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