Brauersdorf. Brauersdorf musste einst in Teilen der Obernautalsperre weichen. Doch das dörfliche Leben blieb immer intakt – auch dank mancher Urgesteine.

Helmut Büdenbender ist ein bodenständiger Mann. Geboren vor über 80 Jahren in Brauersdorf, wo er immer noch wohnt, aber in einem anderen Haus. Denn sein Geburtshaus fiel einst der Talsperre in den 1960er Jahren zum Opfer, als man für die zuverlässige Wasserversorgung des Siegerlandes neben der Breitenbachtalsperre noch eine zweite Talsperre benötigte. Viele Menschen wurden damals innerhalb Brauersdorfs umgesiedelt, zogen nach Netphen oder Deuz, einige sogar nach Wilden, wie sich Helmut Büdenbender erinnert.

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Im Haus der Familie Büdenbender erinnern viele Fotos in Schwarz-Weiß an die Zeit, bevor die Talsperre alles veränderte. Etwa an die Dorfwirtschaft Werthenbach, das Zentrum Brauersdorfs, mit ihrem Festsaal und Zimmern für Feriengäste. Denn Brauersdorf durfte sich damals „Luftkurort“ nennen, hatte ein kleines aber feines Freibad. Die Gaststätte wurde damals demontiert. Pläne, sie im Freilichtmuseum Detmold wieder aufzubauen, sind bisher nicht realisiert.

Am Ende der Welt: Brauersdorf
Hinter diesen Häusern erhebt sich heute der Staudamm der Obernau-Talsperre. © Wolfgang Leipold | Wolfgang Leipold

Natürlich gab es, wie auch in Obernau und Nauholz, einen Lebensmittelladen. Mal eben zum Einkaufen nach Netphen zu fahren, scheiterte schon daran, dass kaum jemand ein Auto besaß. Die Volksschule, die auch Helmut Büdenbender besuchte, stand mitten im Ort. „Alle Kinder gingen in eine Klasse, die älteren Kinder halfen den Kleinsten beim Lernen“, erzählt er. Denn nur ein Lehrer unterrichtete alle acht Klassen in allen Fächern. Sportunterricht fand damals in Ermanglung einer Turnhalle in der freien Natur statt. Wiesen, auf denen Fußball gespielt werden konnte, gab es genug. Geschadet hat Helmut Büdenbender das nicht. Er machte nach der Schulzeit eine Ausbildung zum Dreher – heute Zerspanungsmechaniker genannt – und stieg im Laufe seiner Berufsjahre zum Vorarbeiter auf. Noch eine Reihe von Jahren betrieben die Büdenbenders auch nach ihrem Umzug in das neue Haus noch Landwirtschaft, einschließlich Kühen und einem Bullen.

Maimädchen am Brauersdorfer Gasthof Werthenbach: Hier werden die Einwohner der Talsperrendörfer 1960 informiert, dass sie umgesiedelt werden.
Maimädchen am Brauersdorfer Gasthof Werthenbach: Hier werden die Einwohner der Talsperrendörfer 1960 informiert, dass sie umgesiedelt werden. © Heimatverein Netpherland | Heimatverein Netpherland

Siegerland: Brauersdorf – was nach der Talsperre übrig blieb

Nauholz lag am hinteren Ende der heutigen Obernau-Talsperre. Ein Ortsschild erinnert an das Dorf, das sich heute die Natur zurückgeholt hat. Wobei es eine wunderbare Idee war, mit Fotos an die alten Zeiten zu erinnern, die genau an den Stellen angebracht sind, an denen die Häuser und Höfe früher einmal standen. Obernau wurde vom Wasser der Talsperre komplett verschluckt. Und damit auch das dörfliche Leben einschließlich der Kapelle, dem kleinen Lebensmittelladen, der Wirtschaft, die wie in Brauersdorf auch von einer Familie Werthenbach betrieben wurde, und auch dem Obernauer Weiher, der in den talsperrenlosen Zeiten einen Teil der Wasserversorgung von Weidenau übernahm. An diese Vergangenheit erinnern die drei Waldgenossenschaften, die immer noch bestehen, obwohl es Nauholz und Obernau nicht mehr gibt. Der Name Obernau aber bleibt unvergessen, bezeichnet er doch eine der schönsten, meistfotografierten Talsperren unseres Bundeslandes.

Serie

Was Brauersdorf heute auszeichnet, kann am besten Helmut Büdenbender beantworten. Nicht nur, weil er dort sein ganzes Leben verbracht hat, sondern auch, weil er als parteiloser Ortsbürgermeister inzwischen in der dritten Amtsperiode ist. Das Etikett „Parteilos“ zu betonen, ist ihm wichtig. Das Brauersdorfer Vereinsleben findet vorwiegend im Schützenverein statt, der den Namenszusatz „Zur Sandhelle“ trägt. Der Berg „Sandhelle“ war ein gemeinsamer Bereich der drei Orte Brauersdorf, Obernau und Nauholz. Der Name sollte bei der Gründung des Vereins im Jahr 1955 diese Besonderheit der drei Dörfchen herausstellen. Inzwischen hat der Schützenverein 180 Mitglieder, besitzt eine eigene Halle und veranstaltet sein jährliches Schützenfest traditionsgemäß schon früh im Jahr an Fronleichnam.

Waldkapelle und Glockenturm in Brauersdorf.
Waldkapelle und Glockenturm in Brauersdorf. © WP | Nils Balke

Bei Siegen: Waldkapelle Brauersdorf erinnert an die verschwundenen Kapellen aus Nauholz und Obernau

Ein besonderes Kleinod von Brauersdorf sind die 2001 erbaute Waldkapelle und der Glockenturm, oberhalb des Dorfes gelegen und damit entfernt von jeglicher Alltagshektik. Es tut gut, dort Einkehr zu halten, abzuschalten und die Stille zu genießen. Auch hier weist manches auf die verschwundenen Dörfer Nauholz und Obernau hin: Die Bilder ihrer Kapellen sind in die Kirchenfenster eingearbeitet und nebenan im Turm hängen die drei Glocken, deren Geläut einst die Menschen der drei Dörfer zum Gottesdienst aufgefordert hatten. Und noch eine vierte: Ein Totenglöckchen, das auf Wunsch der trauernden Familien bei Beerdigungen zu hören ist.

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