Burgholdinghausen/Detmold. Der Siegerländer Weiler im Freilichtmuseum Detmold füllt sich: Das Haus Stöcker aus Burgholdinghausen ist eingerichtet und kann besichtigt werden,
Doppelter Grund zum Feiern im LWL-Freilichtmuseum Detmold: Im Rahmen des Festaktes zum 50-jährigen Eröffnungsjubiläums eröffnete das Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ein neues Haus aus dem Siegerland. Das Haus Stöcker stellt den Aufbruch in die 1960er Jahre dar und erweitert damit die Museumspräsentation. Ab sofort ist das Haus Stöcker für alle Besucher zugänglich. Es ist das zweite Gebäude neben der Tankstelle aus Siegen-Niederschelden im Museum, das stellvertretend für ein Jahrzehnt des Aufbruchs steht, und das erste, das sich dort dem Wohnen widmet.
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„Fast elf Millionen Besuche in den vergangenen 50 Jahren sind das schönste Lob für die Arbeit dieses größten Freilichtmuseums Deutschlands“, sagte LWL-Direktor Matthias Löb. „Das Museumsteam hat es verstanden, das Museum weiterzuentwickeln, ohne dass die bisherigen Stärken verloren gehen: Neben die Zeugnisse bäuerlichen Lebens und westfälischer Architektur treten immer stärker Fragen und Ausstellungen zur Alltagskultur der Menschen in den Mittelpunkt der Arbeit: Das Spektrum der Themen reicht von Hexenverfolgung und Aberglauben, über regionale Lebensmittelerzeugung oder Toilettenkultur (’Scheiße sagt man nicht’) bis hin zum Nachweis, dass Zwangsarbeit auch in unserer Region ein allgegenwärtigen Phänomen während der NS-Diktatur war“, so Löb weiter.
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Spatenstich in Detmold im Juni 2018
Das LWL-Freilichtmuseum hat das Haus Stöcker nach dem ersten Spatenstich im Juni 2018 und dem Richtfest im August 2019 nun offiziell eröffnet. „Viele unserer Besucherinnen und Besucher freuen sich darauf, in eine Zeit eintauchen zu können, die ihnen selbst noch aus eigenen Erinnerungen bekannt ist. Obwohl man damals noch gemeinsam mit dem Vieh in einem Haus lebte, lud man bereits die Nachbarschaft zum Fernsehschauen ein“, berichtet Museumsdirektor Prof. Dr. Jan Carstensen. „Es war eine der meistgestellten Fragen in den vergangenen Monaten, wann das Haus endlich für alle geöffnet ist.“ Erstmals zeigt das LWL-Freilichtmuseum damit ein Haus, dessen ehemalige Bewohnerinnen noch leben und bei der Eröffnung das „rote Band“ durchschneiden konnten.
Familie Stöcker: Moderne Zeiten und Landwirtschaft
Das Haus Stöcker zeigt den Widerspruch zwischen Tradition und Moderne. Einerseits leistete sich die Familie Annette und Herbert Stöcker, die bis in die späten 1950er Jahre in dem Haus gelebt hat, bereits einige moderne Anschaffungen wie eine Waschmaschine, einen Kühlschrank oder einen Fernseher, was für die damalige Zeit noch nicht unbedingt üblich war. Andererseits wurde der Alltag aber auch noch von vielen Notwendigkeiten wie der Viehversorgung geprägt, die das Leben nicht immer einfacher gestalteten. Ein Widerspruch, den Annette Stöcker, die dem Museum als Zeitzeugin noch zahlreiche Interviews gab, immer wieder herausstellte. Ihre Geschichte ist es, die in dem Haus erzählt wird. Sie lebte von 1949 bis 1958 in dem zweistöckigen, gepachteten Fachwerkhaus mit Landwirtschaft im Nebenerwerb.
Bauherr war 1797 Benjamin Moses
Das Haus aus Burgholdinghausen (Kreis Siegen-Wittgenstein) wurde 1797, das haben aktuelle dendrochronologische Untersuchungen an den Fachwerkbalken bestätigt, von dem Juden Benjamin Moses erbaut und ist damit der erste nachweisbare Hausbau der jüdischen Bevölkerung im Siegerland. Moses stammte aus dem benachbarten kurkölnischen Sauerland und war der erste Jude, der sich nach den Vertreibungen des Mittelalters im Fürstentum Nassau-Siegen niederließ. Gebaut hat er ein, für damalige Verhältnisse, sehr modernes zweistöckiges Wohnhaus mit innerer Erschließung durch einen Flur, seine Familie wohnte bis 1871 dort. Ins Museum kam das Haus Stöcker schließlich 1964, genau in der Zeit also, in dessen Zeitschnitt es heute im Museum präsentiert wird.
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Zeittafel: 1963/64 in Burgholdinghausen abgebaut und eingelagert
1797: Bau des Fachwerkhauses durch den Juden Benjamin Moses. Er erwarb das Grundstück und einen Hauberganteil (Anteil am gemeinschaftlich genutzten Wald) vom Freiherrn zu Fürstenberg. Schon während des Hausbaus gerät Moses in Zahlungsschwierigkeiten und schließlich in Konkurs. In diesem Zusammenhang scheinen Haus und Grundstück zurück in die Hände des Freiherren gefallen zu sein, der das Anwesen seitdem verpachtet. Moses nutzte die Haubergsparzelle als Begräbnisstelle; diese wurde später auch für andere jüdische Bestattungen aus Siegen und Hilchenbach genutzt.
1831: Tod von Benjamin Moses und Heirat seines Sohnes gleichen Namens. Abwanderung der Familie von Burgholdinghausen ins benachbarte Littfeld, sie betrieb dort eine Metzgerei. Im März 1871 verlassen die letzten jüdischen Familienmitglieder das Haus in Burgholdinghausen und ziehen nach Littfeld.
Ab 1872 beziehen die ersten Stöckers das Haus. Die Haushaltsvorstände sind hauptberuflich Bergleute, Maurer oder Eisenbahner. Dazu betreiben sie Landwirtschaft im Nebenerwerb.
1949 heiraten Annette Stöcker geb. Sänger und Herbert Stöcker. Sie ziehen in das Haus in Burgholdinghausen zu der verwitweten Schwiegermutter Pauline. 1950 wird Tochter Jutta geboren. Schwiegermutter Pauline stirbt am 8. März 1957. 1958 verlassen Annette, Herbert und Jutta das Haus und ziehen nach Littfeld in eine modernere Wohnung.
Nach 1959 wurde das Haus Nr. 5 in Burgholdinghausen für wenige Jahre von der Familie Zander bewohnt, Zanders waren vermutlich Angestellte der Forstverwaltung. Von 1961 bis Ende Februar 1963 war das Haus vorübergehend Sitz der Forstverwaltung des Stahlindustriellen und Grundeigentümers Albrecht Woeste (Düsseldorf), 1963 zog die Forstverwaltung in einen Neubau um.
1963/1964: Erwerb und Abbau des leerstehenden Hauses Stöcker durch das LWL-Freilichtmuseum Detmold.
Juni 2018: Erster Spatenstich und Beginn des Wiederaufbaus in der Baugruppe „Siegerländer Weiler“ des LWL-Freilichtmuseums Detmold
August 2019: Richtfest im LWL-Freilichtmuseum Detmold
9. September 2021: Eröffnung des Hauses Stöcker im LWL-Freilichtmuseum Detmold
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