Netphen-Sohlbach. Sohlbach ist so klein, dass es bei Wahlen mit Afholderbach zusammengelegt wird, um das Wahlgeheimnis zu sichern. Trotzdem ist hier auch große Welt.

Kurz nach Mittag in Sohlbach. Um diese Zeit ist es ruhig in diesem Dörfchen mit seinen knapp 130 Einwohnern; kein Auto stört die Idylle. Das einzige Geräusch ist das Plätschern des Wassertretbeckens, das, eingerahmt durch Liegebänke, Sitzgruppen und einen Spielplatz den Ortseingang Sohlbachs schmückt. Auffällig ein rot-weiß gestreiftes Häuschen, einer Zollstation ähnlich, das zur 675-Jahr-Feier des Dorfes am Ortseingang stand.

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Wer außer Bärbel und Bernd Weber könnten ihren Heimatort besser vorstellen? Bärbel, weil sie hier geboren wurde und die Geschichte jeder Sohlbacher Familie kennt, ihr Ehemann Bernd, der vor 30 Jahren von Niedernetphen kommend mit Bärbel ins Haus der Schwiegereltern zog und seit der letzten Kommunalwahl das Amt des Ortsbürgermeisters bekleidet. Sein Vorgänger Mike Klöckner war gleichzeitig Vorsitzender des Sohlbacher Schützenvereins und wollte eins dieser Ämter abgeben. „Im Zweifelsfall hat der aber mehr zu sagen als ich“, schmunzelt Bernd Weber. Vielleicht auch, weil der Schützenverein deutlich mehr Mitglieder hat als Sohlbach Einwohner.

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Was das Leben in Sohlbach ausmacht, bringt Bärbel Weber auf den Punkt: „Man kennt sich, gibt aufeinander acht, weiß die Namen aller Kinder und damit auch, wen man anrufen muss, wenn mal eins hinfällt.“ Bernd Weber erinnert sich: „Beim ersten Treffen mit meiner späteren Frau habe ich das Auto abgeschlossen, worauf Bärbel sagte: Das brauchst du hier nicht.“ Beim Thema Auto sind sich die Webers einig: Einen Pkw sollte man in Sohlbach schon haben. Zwar fahren Schulbusse, aber auch nur, wenn gerade keine Ferien oder lange Wochenenden sind.Stattdessen werden Taxibusse angeboten, doch die muss man vorher anmelden. Trotz allem: Sohlbach ist ein begehrtes Dorf, vor allem auch für junge Familien. So liegt das Durchschnittsalter der Bewohner bei unter 40 Jahren.

Ein kleiner Hofladen mit großer Auswahl

Vieles ist in Sohlbach im Laufe der Jahre verschwunden, so die Wirtschaft „Hubertushof“ mitten im Dorf. Auch eine Jugendherberge gab es einmal. Die wurde jedoch vom Deutschen Jugendherbergswerk geschlossen, dann vorübergehend vom Sauerländischen Gebirgsverein als Gästehaus übernommen und ist heute ein Wohnhaus. Ein Alleinstellungsmerkmal hat Ebi’s (Eberhard Buschs) Hofladen. Was der auf einer Fläche von geschätzt zwei mal zwei Metern in seinen Regalen, im Kühlschrank und tiefgekühlt alles bietet, ist rekordverdächtig: Kartoffeln, Honig, Nudeln, Gewürze, Eingemachtes, Konserven, Getränke … Da muss der Feriengast, der eine der reichlich in Sohlbach vorhandenen Ferienwohnungen gebucht hat, nicht nach Netphen fahren, um satt zu werden. Die Besitzer können dabei voll auf die Ehrlichkeit der Kunden setzen.

Ein Bild aus dem Jahr 1930: Heute ist die Jugendherberge zum Wohnhaus umgebaut.
Ein Bild aus dem Jahr 1930: Heute ist die Jugendherberge zum Wohnhaus umgebaut. © Otto Arnold | Otto Arnold

Hält das Dorf zusammen: der Schützenverein

Der Schützenverein ist der zentrale Verein Sohlbachs. Er führt die Menschen nach dem Motto: „Nur gemeinsam sind wir stark“ und „Alle ziehen an einem Strang“ zusammen. Diese Sätze stehen auf einer Informationstafel am Ortseingang und beschreiben das Wesen der Dorfgemeinschaft. Besonders lebendig wird dieser Zusammenhalt beim Schützenfest, das traditionsgemäß immer am ersten Wochenende im August stattfindet und Besucher von nah und fern nach Sohlbach zieht.

Dieser rührige Verein zeichnet auch für die Grillhütten hoch oberhalb des Dorfes mit bestem Blick auf die Siegerländer Bergwelt verantwortlich. Auch das alljährliche Kartoffelbratfest, die Maifeier finden hier statt – und das völlig unabhängig vom Wetter: Es gibt eine überdachte Hütte mit schützenden Schiebetüren und seit einigen Jahren eine frei stehende mit Blick auf die Dächer des Dorfes und die Alte Burg. Alles komfortabel und bestens gepflegt: Die dort Feiernden haben Strom, fließendes Wasser und zeitgemäße Toiletten. Das Schöne ist: Der Schützenverein Sohlbach vermietet diese Anlagen auch.

Die Befestigung des Sohlbacher Weihers ist erst in den letzten Jahren vom Wasserverband Siegen-Wittgenstein erneuert worden.
Die Befestigung des Sohlbacher Weihers ist erst in den letzten Jahren vom Wasserverband Siegen-Wittgenstein erneuert worden. © Jürgen Schade | Jürgen Schade

Das Waldhaus Sohlbach: Der erste „Chinese“ im Siegerland

Man muss schon einige Höhenmeter mit dem Auto oder auch zu Fuß überwinden, um eine besondere Attraktion Sohlbachs zu erreichen: das Restaurant Waldhaus, das seit 2016 von Dirk Heindrichs in dritter Generation geführt wird. 1943 von Opa Willi Heindrichs gegründet, erhielt es in 1952 die Schankgenehmigung. Eine Wende der besonderen Art trat Mitte der 60er Jahre ein, als Willis Sohn Klaus Dieter das Waldhaus übernahm. Der hatte als Schiffskoch die Welt kennengelernt und war fasziniert von der Küche Chinas.

„Ohne vorherige Reservierung einen Tisch zu ergattern, war unmöglich.“

Dirk Heindrichs, Waldhaus

Chinesisches Essen im Siegerland mit seiner damaligen Schnitzelseligkeit anzubieten und noch dazu im abgelegenen Sohlbach war sicherlich ein Risiko, aber eins, das sich lohnte: Es gab in weitem Umkreis damals noch kein China-Restaurant und durch die Gründung der Hochschulen kamen viele Studenten ins Siegerland. Und weil sich die Kochkunst von Klaus Dieter Heindrichs schnell herumsprach, wurde das Waldhaus zu einem Mekka für Freunde fernöstlicher Speisen und Gewürze. Dirk Heindrichs: „Ohne vorherige Reservierung einen Tisch zu ergattern, war unmöglich.“ In dieser Boomzeit erweiterten die Heindrichs ihr Restaurant zu einem Hotel mit elf Zimmern, Schwimmbad und kleinem Wellnessbereich.

Doch Corona und seine Folgen veränderten einiges. Dirk Heindrichs: „Wir konnten durch ‚Außer-Haus-Verkauf‘ den Betrieb einigermaßen über diese Zeit retten, doch das Restaurantgeschäft ist wackelig geworden.“ Damit meint er die rasant gestiegenen Nebenkosten, die manchem eingesessenen Betrieb das Genick gebrochen haben. Auch er will aufgeben und in Zukunft nur noch Catering und Buffets oder sein Restaurant für Feiern anbieten. Auf die Kochkünste von Dirk Heindrichs und seinem bald 86-jährigen Vater, der immer noch gerne mitarbeitet, werden die Siegerländer also nicht verzichten müssen.    

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