Netphen. Einmal der Talsperre buchstäblich auf den Grund gehen: Eine Besuchergruppe erlebt eine spannende Exkursion tief unter dem Wasserspiegel.

Sie ist wohl eines der beliebtesten Ausflugsziele im nördlichen Siegerland – die Obernautalsperre. Täglich sind zahlreiche Spaziergänger, Erholungssuchende und Hobbysportler auf dem neun Kilometer langen Weg rund um die Wasserfläche unterwegs. Doch wie sieht es eigentlich im Inneren der Talsperre aus? Im Staudamm und im Entnahmeturm, der sich über die Wasseroberfläche erhebt und den man nur vom Ufer aus betrachten kann? Antworten auf diese und viele weitere Fragen erhielten rund 25 interessierte Besucherinnen und Besucher bei einer Talsperrenführung, die der Heimatverein Netpherland und der Wasserverband Siegen-Wittgenstein (WVS) im Rahmen der Sonderausstellung „WasserWerk“ anboten.

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Dirk Müller, Geschäftsführer des WVS, begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf der Dammkrone unterhalb des Wanderparkplatzes. Hier gab er zur Einstimmung ein paar allgemeine Informationen zum Verband, seiner Historie und seinen Aufgaben, aber auch zur Wasserqualität im Siegerland. „Aufgrund unserer natürlichen Gegebenheiten und der Tatsache, dass es keine anthropogenen Belastungen in unseren Einzugsgebieten gibt, haben wir top Wasser“, so Dirk Müller. Eine Aufbereitung des hervorragenden Rohwassers sei dennoch nötig: „An das Trinkwasser werden in Deutschland sehr hohe Ansprüche gestellt. Die Trinkwasserverordnung ist unsere Maßregel, sie gibt uns ganz genau vor, was wir zu tun haben.“

Über den Steg geht es für die Gruppe in den Entnahmeturm der Obernautalsperre. WVS-Geschäftsführer Dirk Müller (rechts) gibt anhand einer Karte Informationen zu den Wassereinzugsgebieten.
Über den Steg geht es für die Gruppe in den Entnahmeturm der Obernautalsperre. WVS-Geschäftsführer Dirk Müller (rechts) gibt anhand einer Karte Informationen zu den Wassereinzugsgebieten. © Wasserverband Siegen-Wittgenstein | Ann Kathrin Müsse

Bei zu viel Regen wird Wasser abgelassen

Der WVS-Geschäftsführer ging in seiner Einleitung auch auf den Klimawandel und die aktuellen Wetterbedingungen ein. Im vergangenen Jahr habe man aufgrund des ausgiebigen Niederschlags vergleichsweise hohe Füllstände verzeichnen können. „Sie haben es sicher schon mitbekommen: derzeit sind unsere Talsperren voll.“ Doch der Klimawandel sei zweifellos da. Das hätten die Jahre 2018 bis 2020 mit den heißen, dürreähnlichen Perioden und dem daraus resultierten Waldsterben deutlich gezeigt. „Zu viel Wasser oder zu wenig Wasser? – das Thema bleibt spannend“, sagte Dirk Müller und führte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer weiter zur Hochwasserentlastungsanlage.

Diese ist dafür da, die Talsperre vor einem Überlaufen des Wassers über die Dammkrone und vor einem Dammbruch zu schützen. „Die Bauwerkssicherheit hat für uns als Betreiber oberste Priorität“, erklärte Dirk Müller und zeigte auf die drei großen Fischbauchklappen. Im Winter halte der WVS stets einen Hochwasserschutzraum frei, um für Niederschläge gewappnet zu sein. „Wenn aber so viel Regen fällt, dass auch dieser Schutzraum ausgeschöpft ist, läuft das Wasser über die Klappen der Hochwasserentlastungsanlage ab in das Tosbecken, wo es beruhigt und anschließend in den Obernaubach eingeleitet wird.“

Beeindruckend ist der rund 300 Meter lange Grundablasskanal am Grund der Obernautalsperre. Durch ihn geht es für die Besucherinnen und Besucher trockenen Fußes auf die andere Seite des Damms zum Schieberhaus.
Beeindruckend ist der rund 300 Meter lange Grundablasskanal am Grund der Obernautalsperre. Durch ihn geht es für die Besucherinnen und Besucher trockenen Fußes auf die andere Seite des Damms zum Schieberhaus. © Wasserverband Siegen-Wittgenstein | Ann Kathrin Müsse

In diesem Jahr wird der Beton saniert

In diesem Jahr stehe unter anderem die Betonsanierung der Anlage an. „Die Sicherheitsstandards für Talsperren in Deutschland sind ebenso hoch wie für das Trinkwasser“, so der WVS-Geschäftsführer. Neben den routinemäßigen und notwendigen Kontrollen im Alltag finde im zehnjährigen Rhythmus eine umfangreiche, vertiefte Prüfung des Talsperrenbauwerks statt.

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Über den Steg setzte die Gruppe ihren Weg anschließend fort zum Entnahmeturm. Hier konnten die Anwesenden ganz neue Ausblicke auf die Talsperre genießen. Normalerweise dürfen diesen Bereich nur Mitarbeitende des WVS betreten. Für die Führung öffnete Dirk Müller jedoch das Tor und die Gruppe nutzte sofort die Gelegenheit, die Landschaft von der Wasserseite aus zu fotografieren.

WVS-Geschäftsführer Dirk Müller (links) verrät Wissenswertes rund um das Bauwerk und die Trinkwasserversorgung.
WVS-Geschäftsführer Dirk Müller (links) verrät Wissenswertes rund um das Bauwerk und die Trinkwasserversorgung. © Wasserverband Siegen-Wittgenstein | Ann Kathrin Müsse

Dann ging es in den Entnahmeturm und über eine Wendeltreppe an den Einläufen der Trinkwasserentnahme vorbei mehr als 50 Meter in die Tiefe bis auf den Grund der Talsperre. Die Armaturen und Rohre beeindruckten die Gäste allein durch ihre Größe und Massivität. Hier etwas auszutauschen bedürfe nicht nur einiges an Arbeit, sondern auch jede Menge Planung, schilderte Dirk Müller. „Wir können nicht warten, bis etwas kaputtgeht, sondern müssen vorher aktiv werden. Doch wie viele andere spüren auch wir die Auswirkungen der momentanen geopolitischen Situation deutlich in Form von Materialengpässen, Verteuerungen und langen Lieferfristen. An der Breitenbachtalsperre werden wir in diesem Jahr die Armaturen am Grundablass austauschen, da gibt es eine Lieferzeit von 26 Wochen.“

Wir sind an erster Stelle Trinkwasserversorger und kein Energielieferant.
Dirk Müller - Wasserverband

Vielleicht kommen schwimmende Photovoltaikanlagen

Die interessierten Besucher und Besucherinnen hörten gespannt zu und hatten auch einige Fragen. Wie steht es beispielsweise um das Thema Energiegewinnung an Talsperren? Dirk Müller erklärte, dass dies für den WVS derzeit nicht wirtschaftlich sei. Im Hinblick auf den Klimawandel müsse man sich jedoch mit alternativen Energien auseinandersetzen. Gerade die Entwicklung von Floating-PV-Anlagen, also schwimmenden Photovoltaik-Anlagen, beobachte man intensiv. Jedoch müsse alles, was in dieser Richtung gemacht werde, trinkwasserverträglich sein, denn: „Wir sind an erster Stelle Trinkwasserversorger und kein Energielieferant.“

Die zweistündige Führung endete schließlich auf der anderen Dammseite am Schieberhaus, nachdem die Anwesenden den rund 300 Meter langen Weg durch den Grundablasskanal zurückgelegt hatten. Hier öffnete der WVS-Geschäftsführer zur Demonstration noch kurz den Grundablasskanal. Gemeinsam beobachtete die Gruppe, wie 20.000 Liter Wasser pro Minute gegen die frisch sanierten Wände des Tosbeckens peitschten.

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Ausstellung im Heimatmuseum Netphen

Die Ausstellung „WasserWerk“ ist noch bis Anfang März im Heimatmuseum Netpherland zu sehen. Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Obernautalsperre im vergangenen Jahr behandelt sie das Thema Wasser. So widmet sich ein Teil der Ausstellung der Obernautalsperre, während ein anderer die Badekultur im Netpherland erläutert. Auch die Wasserkraft und die im Siegerland früher häufig zu findenden Mühlen werden in den Blick genommen. Besucht werden kann die Ausstellung jeden 1., 3. und 4. Sonntag im Monat von 15 bis 17 Uhr, jeden 2. Sonntag im Monat von 10 bis 12 Uhr sowie nach Vereinbarung (heimatmuseum@heimatverein-netpherland.de).

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