Hagen-Haspe. Geplante Bildung einer Großpfarrei im Pastoralverbund Hagen-Mitte-West stößt bei St. Bonifatius auf erbitterten Widerstand.

Das Maß scheint voll: Wenn die Hasper St.-Bonifatius-Gemeinde zur Rettung ihrer Existenz nicht bloß den Paderborner Erzbischof Udo Markus Benz anruft, sondern die jüngste Korrespondenz zugleich den Vatikan in Rom erreicht, macht dies unmissverständlich deutlich, dass bei den Katholiken im Hagener Westen reichlich Feuer unter dem Kirchendach lodert.

Hintergrund des Protestes ist die angedachte Vereinigung mit den anderen acht Gemeinden des Pastoralverbundes Hagen-Mitte-West zu etwa 23.000 Gläubigen in einer einzigen Großpfarrei. Ein Schritt, den sowohl die Hasper Gemeindeversammlung als auch der Kirchenvorstand als eine Zwangsmaßnahme empfinden. „Es wurde befürchtet, unsere um geistliches und diakonisches Leben bemühte Gemeinde würde mit Aufhebung und Zusammenlegung ihre engagierte Arbeit nicht mehr in der bewährten Weise fortsetzen können“, formuliert Hermann-Josef Liley, Geschäftsführender Vorsitzender des St.-Bonifatius-Kirchenvorstands, in einer zehnseitigen, juristisch tiefgründigen Beschwerde-Korrespondenz, die der Stadtredaktion vorliegt.

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Sorge um Gemeindearbeit

Die Hasper sind überzeugt, dass in einer Großgemeinde echte Gemeinschaft kaum mehr gelebt werden könne. Obwohl die Katholiken ja da Prinzip der Subsidiarität, also der Selbstbestimmung und Eigenverantwortung, als hohes Gut betrachten, empfinden die Hasper die drohende Entwicklung, als ob ihnen mit dieser drohenden Zwangsvereinigung Vertrauen, Zutrauen und Mündigkeit entzogen werde.

„Es wurde befürchtet, unsere um geistliches und diakonisches Leben bemühte Gemeinde würde mit Aufhebung und Zusammenlegung ihre engagierte Arbeit nicht mehr in der bewährten Weise fortsetzen können.“

Hermann-Josef Liley
Geschäftsführender Vorsitzender des St.-Bonifatius-Kirchenvorstands

„Es geht um die Pastorale vor Ort, also eine gut funktionierende Gemeinde mit 4600 Mitgliedern und agilem Kirchenvorstand“, verweist Liley zugleich auf die umfassende Jugend-, Familien- und Altenarbeit. Das Spektrum reicht von „Corbacher 20“, Kleiderkammer, Kinderzeltlager, ausreichend Messdienern und aktiven Sternsingern bis hin zu verschiedenen Musikgruppen. „Das Leben passiert nun mal in den Gemeinden“, sieht der Kirchenvorstandsvorsitzende für Haspe keinerlei Handlungsbedarf. Zugleich betont er, dass sich diese Haltung weder gegen Pfarrer Dirk Salzmann, Leiter des Pastoralen Raumes, noch gegen dessen St.-Marien-Gemeinde richte.

Verletzung von verbrieften Rechten

Mit Dekreten hatte der Erzbischof zunächst Ende November die Aufhebung der Pfarrei St. Bonifatius Haspe angeordnet und zugleich die Bildung einer Gesamtpfarrei verfügt. Damit einher ging die Bestellung eines gemeinsamen Vermögensverwaltungsrates, mit denen den Haspern zugleich die bisherige Vermögensbefugnis entzogen wurde. „Die Dekrete verletzen nicht nur unsere Vermögensrechte“, sieht Liley durch diese Enteignung sogar rechtsstaatlich und verfassungsrechtlich verbriefte Rechte mit Füßen getreten.

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Dabei geht es weniger um stattliche Vermögensbeträge, sondern vielmehr um die Besitztümer auf dem 11.000 Quadratmeter großen Areal auf dem „Heiligen Berg“ in Haspe, wo neben dem stattlichen Gotteshaus auch das Pfarrhaus mit Gemeindebüro sowie das Gemeindehaus stehen. Letzteres wird regelmäßig auch von der portugiesischen und indischen Gemeinde in Haspe genutzt. Hinzu kommen natürlich die revitalisierte Lioba-Kapelle am Spielbrink, der katholische Friedhof sowie ein Wohnhaus in der Heilig-Geist-Straße. Unter dem Dach einer Großgemeinde würden die Hasper ihren direkten Einfluss auf diese Einrichtungen verlieren. Und dies nach mehr als 160 Jahren selbstständigem Pfarrei-Leben.

Stadtteilarbeit in Gefahr

Zudem werde die Gemeinde in Zukunft vor allem daran gehindert, ihre um Kirche, Glaube und Haspe bemühte Arbeit fortzusetzen: „Angesichts der Erwartungshaltung der Menschen in einem in weiten Teilen prekären Stadtteil sowie angesichts des Niederganges von Kirche und Glaube ist es der Gemeinde wichtig, in ihren Aufgaben durch Erhalt der pfarrlichen Struktur gestützt und gestärkt zu werden.“ Die Hasper berufen sich mit ihrer Argumentation sogar auf den „Heiligen Vater“ sowie seine päpstlichen Vorgänger, die stets die Nähe zu den Menschen und die Gemeinschaft der Gläubigen postuliert hätten. „Wir wollen nicht wie in einer Aufsichtsratssitzung über neun Filialen entscheiden, die uns nicht mehr am Herzen liegen“, befürchtet Liley, dass die Mitglieder des aktuellen Hasper Kirchenvorstandes für eine solche Aufgabe in einer Großpfarrei nicht mehr zur Verfügung stehen.

„Angesichts der Erwartungshaltung der Menschen in einem in weiten Teilen prekären Stadtteil sowie angesichts des Niederganges von Kirche und Glaube ist es der Gemeinde wichtig, in ihren Aufgaben durch Erhalt der pfarrlichen Struktur gestützt und gestärkt zu werden.“

Hermann-Josef Liley
Geschäftsführender Vorsitzender des St.-Bonifatius-Kirchenvorstands
M. Kleinrensing WP Hagen Katholische Kirche Haspe
Die katholische Kirchengemeinde St. Bonifatius in Hagen-Haspe gehört mit ihrem markanten Gotteshaus zu den festen Säulen des gesellschaftlichen Lebens im Hagener Westen..  © WP | Michael Kleinrensing

Die Hasper Gemeinde hatte gegen die Dekrete bereits im November ausführlich ihren Widerspruch formuliert, der jedoch vom Erzbischof mit einem weiteren Dekret Ende Dezember abgelehnt wurde. Der entsprechende Bescheid aus Paderborn erreicht Haspe übrigens einen Tag vor Heiligabend – wohl wissend, dass zwischen den Jahren die Gemeindeämter in der Regel geschlossen bleiben. „Ein Schuft, der Böses dabei denkt“, vermuten die Hasper dahinter auch in Richtung Rom eine Geisteshaltung, die nachdenklich stimme.

Wenig respektvolles Miteinander

Die betroffenen Gemeinden, so die Lesart der Hasper, hätten nämlich einen Anspruch, dass ihnen in konkreter und detaillierter Form alle Gründe dargelegt würden, die den Erzbischof dazu bewogen haben, ihre pfarrliche Struktur aufzuheben. Stattdessen fühlen sich die Hasper mit pauschalen Textbausteinen abgespeist, wie sie auch an die übrigen Gemeinden gleichlautend herausgegangen seien. Dabei sieht die maßgebliche Pfarr-Instruktion in solchen Fällen ausdrücklich individuelle Begründungen vor. „Der Hirte möge seine Schafe nicht wie Schafe behandeln“, empfinden die Hasper sich wenig respektvoll behandelt.

„Der Hirte möge seine Schafe nicht wie Schafe behandeln.“

Kirchenvorstand der Hasper St.-Bonifatius-Gemeinde

Liley argumentiert: „Die Zusammenlegung von Pfarreien bei gleichzeitiger Bildung von Untergemeinden, die ihrer pfarrlichen Strukturen entkleidet sind, verstößt gegen das Kirchenrecht und gegen die von diesem Recht konstituierte Struktur der Kirche.“ Zudem sind die Hasper fest davon überzeugt, dass das jüngste Dekret aus Paderborn keinerlei stichhaltige Begründung enthalte, die eine Aufhebung der größten Gemeinde (ca. 20 Prozent) des angedachten Pastoralverbundes rechtfertige.

In Richtung Rom erinnert die St.-Bonifatius-Gemeinde daher an das, „was Papst Franziskus sich in Bezug auf die ,Pastorale Umkehr der Pfarrgemeinden‘ wünscht – nämlich Nähe zu den Menschen, Gemeinschaft mit Gott und den Menschen, ein Apostolat der Güte“. Seit Wochen liegt der Ball jetzt im Vatikan – eine Erwiderung lässt auf sich warten.