Hagen. Betroffen sind 23.000 Gläubige in Hagen. Die einzelnen Kirchenvorstände sollen durch ein Gremium ersetzt werden. Eine Idee und der Protest.

Die neun katholischen Kirchengemeinden St. Marien (Innenstadt), Herz Jesu (Eilpe), Liebfrauen (Vorhalle), St. Bonifatius (Haspe), St. Josef (Altenhagen), St. Konrad (Haspe), St. Meinolf (Ischeland/Altenhagen), St. Michael (Wehringhausen) und St. Petrus Canisius (Eckesey) sollen in einer Großpfarrei St. Marien aufgehen. Im Pastoralen Raum Hagen-Mitte-West, so die Idee der Befürworter, würden damit auch acht Kirchenvorstände zugunsten eines Gesamtkirchenvorstandes gestrichen. Sieben Gemeinden haben sich dem Antrag an das Erzbistum in Paderborn angeschlossen. St. Meinolf will den Weg wohl prinzipiell mitgehen, es gibt aber noch Beschwerdeführer innerhalb des Kirchenvorstandes. St. Bonifatius in Haspe hat derweil sogar Beschwerde in Rom eingelegt.

Zwischen vergangenem Mai und vergangenem Juli fanden in den neun Gemeinden Versammlungen statt. „Mein Eindruck war und ist, dass keiner der Kirchenvorstände mit großem Jubel auf eine Gesamtpfarrei zugeht und bei vielen der Beschluss eine Entscheidung der Vernunft ist“, formulierte Pfarrer Dirk Salzmann in einem Brief an den Paderborner Erzbischof, der öffentlich auf der Seite des Pastoralen Raumes im Internet einsehbar ist.

Einpfarrung in „St. Marien“

Die „aufnehmende Pfarrei St. Marien“ habe ihre Bereitschaft beschlossen. Die Pfarreien Herz Jesu, St. Josef, St. Petrus Canisius, Liebfrauen, St. Michael und St. Konrad hätten beschlossen, den Antrag zur „Einpfarrung“ zu stellen und die Pfarreien St. Bonifatius und St. Meinolf hätten beschlossen, den Antrag nicht zu stellen und ihre Gründe schriftlich erklärt. Salzmann bat den Erzbischof darin, auf Grundlage der vorhandenen Voten, eine Entscheidung zu treffen.

Die St. Meinolf-Kirche an der Boeler Straße: Die gleichnamige Gemeinde würde mehrheitlich für eine Einpfarrung nach St. Marien stimmen. Es gibt aber auch Beschwerdeführer.
Die St. Meinolf-Kirche an der Boeler Straße: Die gleichnamige Gemeinde würde mehrheitlich für eine Einpfarrung nach St. Marien stimmen. Es gibt aber auch Beschwerdeführer. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Nicht alle Zweifel ausgeräumt

Aber: Der ursprüngliche Plan, die neue Pfarreistruktur zum 1. Januar wirksam werden zu lassen, musste verworfen werden. Denn die Gemeinde St. Bonifatius in Haspe hat nicht nur auf Bistumsebene Protest eingelegt, sondern sich auch an das zuständige Dikasterium in Rom gewendet. Das ist die Zentralbehörde der vatikanischen Kurie (detailliertere Berichterstattung folgt).

In der Hasper Gemeinde will man eigenständig und auch weiter Herr über die Verwaltung des eigenen Vermögens bleiben. Überdies sind in St. Meinolf - wie eingangs beschrieben - noch nicht alle Zweifel ausgeräumt. Nach Informationen der WP würde der Vorstand der Einpfarrung wohl folgen, es soll aber zwei einzelne Beschwerdeführer geben.

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„Ich ganz persönlich bin für den Weg der Einpfarrung“, sagt St. Meinolf-Kirchenvorstandsmitglied Iris Hasken. „Es wird künftig immer schwieriger, Kirchenvorstandsmitglieder zu finden. Man braucht sehr viel Zeit dafür und muss eingearbeitet werden. Das macht man nicht von heute auf morgen“, beschreibt Hasken, dass der Weg des Zusammenschlusses für sie der bessere wäre. Die Redaktion hat sich bemüht, auch die kritischen Stimmen in St. Meinolf abzubilden. Bislang ist das aus Gründen der Erreichbarkeit nicht gelungen. Die Redaktion bleibt aber dran.

Blick in die St. Canisius-Kirche in Eckesey. Auch diese Gemeinde gehört zu dem Gebiet des Pastoralen Raumen Hagen-Mitte-West.
Blick in die St. Canisius-Kirche in Eckesey. Auch diese Gemeinde gehört zu dem Gebiet des Pastoralen Raumen Hagen-Mitte-West. © WP | Michael Kleinrensing

Bündelung von Ressourcen

„Die Kleinteiligkeit um die Kirchtürme ist nach unserer Auffassung nicht mehr das, was gebraucht wird, um unseren aktuellen Herauforderungen zu begegnen“, sagt Markus Vetter, Verwaltungsleiter im Pastoralen Raum Hagen-Mitte-West. „Wir blicken nun auch darauf, wie sich die Bevölkerungsstruktur verändert hat. Auch Milieustudien spielen eine Rolle, die Lebensstile in den einzelnen Quartieren.“ Das Ziel, das über der gewünschten Gesamtpfarrei stehe, sei die Bündelung von Ressourcen, Expertise, Menschen und Inhalten, um zukünftig Dienst für die Gläubigen leisten zu können.

„Die Kleinteiligkeit um die Kirchtürme ist nach unserer Auffassung nicht mehr das, was gebraucht wird, um unseren aktuellen Problemen zu begegnen.“

Markus Vetter
Verwaltungsleiter des Pastoralen Raumes Hagen-Mitte-West

Der Pastorale Raum stellt sich als sehr diverses Konstrukt dar. Haspe und Eckesey, Altenhagen und Wehringhausen, Innenstadt und Vorhalle – die Gegensätze sind groß. Traditionen, sublokale Besonderheiten, identitätsstiftende Orte, völlig unterschiedliche Menschentypen prallen aufeinander. Ein einziger Gesamtkirchenvorstand solle künftig die Belange, Interessen und auch Vermögen der einzelnen Gemeinden abbilden.

Haspe ist die größte Gemeinde

Während Befürworter aus betriebswirtschaftlicher Sicht sehr gut nachvollziehen können, dass die große Gesamtstruktur auch die Arbeit des lediglich zwölf Personen großen hauptamtlichen Teams (sechs Priester und sechs Gemeindereferenten) des Pastoralen Raumes erleichtern könnten, fürchten die Gegner um Einfluss, Zugriff und Gestaltungshoheit mit dem ganz konkreten Blick auf die „eingepfarrte“ Gemeinde. Konkret: St. Bonifatius in Haspe. Mit rund 4800 Mitgliedern die größte Gemeinde im 23.000 Gläubige großen Pastoralen Raum.

„Ich sehe hier auch überhaupt keine Entmachtung von Kirchenvorständen, sondern das, was mir auch in vielen Gemeindeversammlungen gespiegelt worden ist. Nämlich, dass die Großpfarrei eine Entlastung sein kann.“

Dirk Salzmann
Pfarrer

Im Pastoralen Raum „Ruhrseen-Hagen-Nord“ ist die Gesamtverwaltung in weiten Teilen bereits Wirklichkeit. Boele, Boelerheide, Helfe und Kabel haben einen gemeinsamen Kirchenvorstand. Im Pastoralen Raum „Am Hagener Kreuz“ (Heilig Geist Emst, Heilig Kreuz in Halden, Sankt Bonifatius in Hohenlimburg und Sankt Elisabeth in Hagen) gibt es weiterhin eigenständige Kirchenvorstände. Was wohl auch mit der Hohenlimburger Historie zu tun haben dürfte.

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Kirchturmdenken soll enden

„Wir hauptberuflichen Mitarbeiter bewegen uns ja schon seit 2016 im Pastoralen Raum, die Ehrenamtlichen hingegen nicht“, beschreibt Pfarrer und Raumleiter Dirk Salzmann das logische Spannungsfeld zwischen Kirchturmdenken und Handeln in Großstrukturen. „Das ist auch ganz natürlich so. Ich sehe hier auch überhaupt keine Entmachtung von Kirchenvorständen, sondern das, was mir auch in vielen Gemeindeversammlungen gespiegelt worden ist. Nämlich, dass die Großpfarrei eine Entlastung sein kann.“

Rom hat nun das letzte Wort

Nun wartet man auf die Entscheidung aus Rom mit Blick auf die Hasper Beschwerde. Der Paderborner Erzbischof Markus Bentz, der die Entscheidung für die Großpfarrei unterstützt, wird mit dem Dekasterium in Rom die Beschwerde erörtern. Drei Monate bleiben Zeit für die römische Entscheidung.

Die Strukturreform schlägt in vielen deutschen Bistümern durch. Ab 2026 wird es zum Beispiel im Erzbistum Freiburg statt 1000 Einzelpfarreien nur noch 36 Großpfarreien geben. Im Bistum Mainz wurden drei neue Großpfarreien gegründet. Im Bistum Aachen verhinderte die Initiative „Kirche bleibt hier“ vorerst, dass 326 Pfarreien zu 44 zusammengeschlossen werden.