Hagen. Politik in Hagen zeigt sich alarmiert: Bis zum Sommer könnten die versandten Bescheide alle noch einmal neu berechnet werden.

Der immer lauter werdende Unmut in der Hagener Bevölkerung angesichts der zum Teil enormen Grundsteuer-Erhöhungen hat jetzt auch die lokale Politik aus dem seit Wochen anhaltenden, zähen Weihnachts- und Winterschlaf erweckt: Allen voran die SPD-Ratsfraktion, die jetzt nach vorne prescht und für die kommende Woche eine Sondersitzung des Rates zu der Thematik einfordert. Dabei soll frühzeitig auf den Weg gebracht werden, dass die bereits versandten Bescheide bis zum Sommer noch einmal unter veränderten Berechnungsansätzen unter die Lupe genommen, eventuell nachberechnet, angepasst und neu verschickt werden.

„Die jetzt offensichtlich gewordenen Unwuchten müssen neu ausbalanciert werden.“

Claus Rudel
Fraktionschef, über die Grundsteuer

„Die jetzt offensichtlich gewordenen Unwuchten müssen neu ausbalanciert werden“, fordert Fraktionschef Claus Rudel die Verwaltung auf, wie in anderen Städten auch mit intelligent ausdifferenzierten Hebesätzen zu operieren und somit sämtliche Bürger – egal ob Hausbesitzer oder Mieter – mit fair austarierten Grundsteuerzahlungen zu belasten.

Auch interessant

Dabei betont Rudel noch einmal ausdrücklich, dass es bei der Debatte im Frühjahr vergangenen Jahres, als der Kämmerer zur Deckung der sich auftuenden Haushaltslöcher eine Erhöhung der Grundsteuer in den Raum stellte, lediglich darum gegangen sei, diese Steuererhöhung zu verhindern und das Gesamtvolumen dieser wichtigen kommunalen Einnahmequelle auf dem Level von etwa 50 Millionen Euro zu belassen. Ex-Finanzdezernent Christoph Gerbersmann fand seinerzeit im Rat tatsächlich keine Mehrheit dafür, hier künftig zehn Prozent mehr – also 55 Millionen Euro – verbuchen zu dürfen.

Weitere Themen aus Hagen

Entscheidung der Verfassungsrichter

Bei den Ratsbeschlüssen zum Jahresende 2024 ging es hingegen um die Frage, mit welchem Hebesatz man auf die vom Bundesverfassungsgericht eingeforderte Reform der Grundsteuer reagiere. Hier hatte sich die Berechnungsgrundlage geändert, weil die höchsten Richter verfügt hatten, dass die Datenbasis aus den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts heute kaum mehr realistisch sei. Dabei blieb es in Hagen weiterhin bei dem finanzpolitischen Ziel, die Einnahmen von 50 Millionen Euro keineswegs in die Höhe zu treiben. Allerdings verteilen sich jetzt die Lasten durch den einheitlichen Hebesatz von 1139 Prozentpunkten deutlich zu Ungunsten der reinen Wohngebäudebesitzer, während die Eigner von Gewerbeimmobilien und gemischten Objekten (unten Ladenzeile, oben Wohnen) profitieren.

Wie sich die Grundsteuer berechnet.
Wie sich die Grundsteuer berechnet.

Inzwischen gibt es erhebliche Zweifel und ein ausgeprägtes Störgefühl bei den Hagener Sozialdemokraten, ob diese Einheitsbetrachtung tatsächlich die klügste Lösung war: „Obwohl das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 stammt, mussten wir als Lokalpolitik am Ende der Entscheidungskette im Herbst innerhalb weniger Wochen eine Lösung finden“, ärgert sich Rudel über den aufgekommenen Zeitdruck im Rat. Dabei habe der frühere Kämmerer stets deutlich gemacht, dass sich eine Kommune mit differenzierten Hebesätzen auf juristisch ganz dünnes Eis stelle und somit die gesamte Grundsteuereinnahme von 50 Millionen Euro in Gefahr bringe.

Politik fühlt sich falsch informiert

Gleichzeitig sandte der Hagener Finanzchef das Signal, dass auch die meisten anderen Städte der Empfehlung des NRW-Städtetages folgten und auf eine Differenzierung verzichten würden. Inzwischen stellt sich heraus, dass durchaus eine nennenswerte Anzahl an Kommunen – beispielsweise Dortmund und Iserlohn – das Risiko für eher überschaubar erachtete, anders und somit verträglicher für die Geldbeutel der Bürger entschieden hat. „Die Aussage des Kämmerers war schlichtweg falsch“, meint Rudel heute. „Aber noch ist ja auch für Hagen das Kind nicht endgültig in den Brunnen gefallen“, erinnert Rudel daran, dass der Rat ja ein Monitoring der Entwicklung beschlossen habe.

Claus Rudel

„Die Aussage des Kämmerers war schlichtweg falsch. Aber noch ist ja auch für Hagen das Kind nicht endgültig in den Brunnen gefallen.“

Claus Rudel
über die Grundsteuerreform

Demnach könnten noch bis zum 30. Juni rückwirkend zum 1. Januar 2025 die Bescheide rückabgewickelt werden. „Hier lässt sich auf Grundlage der aktuellsten Messzahlen eine differenzierte Nachberechnung noch umsetzen“, hält der SPD-Fraktionschef diese Arbeitsmehrbelastung für die Hagener Stadtverwaltung für leist- und zumutbar. Dabei plädiert er angesichts diverser Rechtsgutachten und mehrerer Expertengespräche inzwischen ausdrücklich dafür, sich auch in Hagen noch einmal mit einer differenzierten Betrachtung der Hebesätze zu beschäftigen: „Wenn wir das jetzt schon anstoßen, können wir bereits im Februar im Haupt- und Finanzausschuss in die politischen Beratungen einsteigen“, will er die Debatte diesmal ohne operative Hektik und auf Grundlage realistischer Messzahlen führen.