Hagen. Die Stadt Hagen verschickt die Bescheide für die Grundsteuer. Viele Bürger erleben ihr blaues Wunder. Was die Bürger jetzt tun können.
Dass der Rat der Stadt Hagen mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen, FDP und Hagener Aktivistenkreis beschlossen hat, den Hebesatz für die Grundsteuer B auf 1139 Punkte (vorher 750) festzulegen, liegt jetzt gut einen Monat zurück. Was das aber in Kombination mit den landesweit angepassten Messbeträgen genau bedeutet, erfährt der Hagener erst dieser Tage. Da landen die Steuerbescheide für das Jahr 2025 in den Briefkästen. Und viele sind auf dem Baum.
Von erheblichen Steigerungen sind vor allem die Besitzer von Wohngrundstücken betroffen. Und eine Tendenz zeichnet sich ab: Je jünger die Häuser sind, desto höher der Wert des Grundstücks - und umso höher fallen die Steigerungen aus.
„Man fühlt sich als Bürger nur noch verarscht, anders kann ich es nicht ausdrücken.“
Auch interessant
Steigerung um 125 Prozent
Nur eines von vielen Beispielen, die dieser Tage die Redaktion erreichen: Michael Berghaus lebt in einer Eigentumswohnung an der Langenkampstraße in Hohenlimburg. Statt bisher 457 Euro soll er nun 1031 Euro an Grundbesitzabgaben zahlen (Straßenreinigung ausgenommen), wobei der Löwenanteil der Steigerung bei der Grundsteuer liegt. „Das entspricht 125 Prozent“, sagt Michael Berghaus und macht seinem Ärger gleich Luft: „Man fühlt sich als Bürger nur noch verarscht, anders kann ich es nicht ausdrücken“, sagt er. Und: „Diese Erhöhung kann ich nicht nachvollziehen.“ Zumal zu seiner Wohnung auch noch ein kleineres Apartment im gleichen Haus gehöre. Auch dafür soll Berghaus jetzt mehr zahlen - allerdings nur 40 Prozent.
Von 550 Euro mehr berichtet Sandra Heusinger und fügt ironisch hinzu: „Wir sind schwer begeistert.“ Am Ende treffen Erhöhungen aber nicht nur Eigentümer, sondern die wiederum geben sie an ihre Mieter weiter: „Ich verwalte in Hagen vier Häuser“, sagt Charline Billa, „für ein Mehrfamilienhaus reden wir über ein Plus von 1663,77 Euro, beim zweiten über 1525 Euro mehr und beim dritten über 1118 Euro. Da werden sich die Mieter freuen.“
Beiblatt erläutert Hintergründe
Immerhin: Die Stadt Hagen, die mit der Grundsteuer fast 50 Millionen Euro pro Jahr einnimmt, versucht in einem Beiblatt zu den Steuerbescheiden noch einmal die Hintergründe der Änderungen (im Falle von Gewerbeimmobilien kann die Steuerlast auch sinken) zu erklären. Dabei verweist sie zunächst darauf, dass ein Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2018 eine Reform des Grundsteuerrechts nötig gemacht habe.
Mehr zum Thema Grundsteuer
- Schock per Post: Hagen verschickt die Grundsteuerbescheide
- Was die neuen Bescheide für Breckerfelder bedeuten
- Grundsteuer: Einige Hausbesitzer haben Grund zur Freude
- Das wird teuer: Grundsteuer trifft die Hagener mit voller Wucht
- Grundsteuer-Keule: Das kann für Hagener teuer werden
- Grundsteuer: EN-Bürgermeister schreiben gepfefferten Brief ans Land
„Die Reform der Grundsteuer ist Murks. Wir hätten uns gewünscht, dass NRW wie andere Bundesländer auch ein eigenes Modell umsetzt.“
Bevor die Stadt die Bescheide verschickt hat, hatte bereits das Finanzamt einen Grundsteuerwert- und einen Messbescheid verschickt. Wer dagegen Einspruch eingelegt habe, so die Stadt, müsse nun nichts weiter veranlassen. Änderungen, die sich eventuell ergeben würden, würden automatisch angepasst. Die Grundsteuer müsse allerdings auch im Falle eines Einspruchs auf jeden Fall bezahlt werden.
Bund der Steuerzahler gibt Tipps
Beim Bund der Steuerzahler NRW in Düsseldorf ist das Thema Grundsteuer ein riesiges. „Die Reform der Grundsteuer ist Murks“, sagt Bärbel Hildebrand, Sprecherin des Vereins. „Wir hätten uns gewünscht, dass NRW wie andere Bundesländer auch ein eigenes Modell umsetzt.“
So aber führe die Reform, so der Bund der Steuerzahler auf seiner Homepage, zu einer massiven Belastung der Wohnkosten. „Differenzierte Hebesätze, also eigene Hebesätze für Wohn- und Gewerbeimmobilien, hätten die Belastung mildern können“, so Hildebrand weiter. Darauf allerdings hatte die Stadt Hagen (wie zahlreiche andere Kommunen auch) verzichtet. Zu groß war die rechtliche Unsicherheit - die der Bund der Steuerzahler nicht teilt.
Furcht vor Einsprüchen
Bei einer hohen Anzahl an Einsprüchen fürchtete man in Hagen letztlich um Steuereinnahmen in erklecklicher Höhe. Mit einem lokalen, differenzierten Hebesatzrecht würde sich eine weite Flanke für Widerspruchs- und Gerichtsverfahren auftun - so hatte Ex-Kämmerer Christoph Gerbersmann argumentiert. Der NRW-Städtetag hatte diese Sorge unterfüttert, indem er von zwei Hochschullehrern ein entsprechendes Gutachten fertigen ließ, dem von der Landesregierung prompt widersprochen wurde.
So berechnet sich die Grundsteuer
Die Grundsteuerbelastung für Immobilien wird in drei Schritten ermittelt:
1. Bewertung des Grundstückswerts: Im ersten Schritt werden die Grundstücke bewertet. Bislang waren hier die Herstellungskosten zum Bewertungsstichtag entscheidend. Im Bundesmodell wird jetzt ein Ertragswert ermittelt, der sich am möglichen Mieteinnahmenpotenzial einer Wohnimmobilie orientiert. Die Bewertung baut auf den Bodenrichtwerten und der statistisch ermittelten Nettokaltmiete auf.
2. Errechnung des Grundsteuermessbetrags: Wie bisher wird der ermittelte Grundstückswert mit einer Steuermesszahl multipliziert und daraus der Grundsteuermessbetrag errechnet. Die Formel lautet also: Grundsteuermessbetrag = Einheitswert x Grundsteuermesszahl. Die Grundsteuermesszahl wird im Zuge der Grundsteuerreform erheblich gesenkt. Sie sinkt auf etwa ein Zehntel des bisherigen Wertes. Für Grundstücke mit Ein- oder Zweifamilienhäusern oder Miet- und Eigentumswohnungen liegt sie bei 0,031 Prozent, für Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke, Teileigentum und sonstige bebaute Grundstücke bei 0,034 Prozent.
3. Einberechnung des kommunalen Hebesatzes: Zum Schluss wird das Ergebnis (Grundsteuermessbetrag) mit dem Hebesatz multipliziert, der von der jeweiligen Gemeinde definiert wird. Das Produkt ist dann die Höhe der Grundsteuer, die ab dem 1. Januar 2025 zu zahlen ist. Die Formel lautet: Grundsteuermessbetrag × Hebesatz der Gemeinde = Grundsteuer.
Der Bund der Steuerzahler - der von einem Fall berichtet, in dem in einer Kommune die Grundsteuer für einen Betroffenen von 350 auf 3900 Euro gestiegen sei - gibt zahlreiche Hinweise darauf, wie Bürger mit den jetzt erlassenen Steuerbescheiden umgehen sollen. Zunächst sollten Betroffene die Bescheide genau prüfen: Stimmen Art, Baujahr, Fläche und Angaben zu Stellplätzen und Garagen? „So kann man unter Umständen eine Korrektur des Grundsteuerwerts begründen und dann auch beantragen“, so Hildebrand.
Rechtlich aussichtslos ist es nach Ansicht des Steuerzahlerbunds, gegen die Bescheide Widerspruch einzulegen. Möglich sei es auch, Formate der Bürgerbeteiligung zu nutzen und so Einwohneranträge oder Einwendungen gegen die kommunalen Haushalte zu stellen. Letztlich verweist der Bund der Steuerzahler auf eine Härtefallregelung, die greifen könne, wenn Existenzen oder die Sicherung des täglichen Lebensunterhalts von Steuerpflichtigen gefährdet seien.
Mehr aus Hagen und Breckerfeld
- Hohenlimburg: Liebe Buchhandlung, ich muss dir was sagen
- Ex-Finanzminister Lindner in Hagen: Alle Fotos vom Besuch
- Test: Künstliche Intelligenz erspäht Müll auf den Straßen
- Winter in Hagen: Wie lang der Schnee noch erhalten bleibt
- Mit vielen Fotos: Legenden-Kick begeistert in der Ische
- Karneval nimmt Fahrt auf: Alle Fotos vom Prinzenball
- Ein Abend voller Emotionen: Sabin Tambrea kehrt heim
- Rathaus-Galerie: Infos zu Tchibo und neuem Mieter
- Auch bei Schnee: Warum Busse besser vorankamen
Petition online gestartet
Für Hagen ist über die Onlineplattform „change.org“ mittlerweile eine Petition gegen den Anstieg der Hebesätze der Grundsteuer B gestartet worden. 4225 Nutzer haben dort mittlerweile unterschrieben. Nach Angaben des Portals allein in der Zeit von 0 Uhr bis 13.30 Uhr am Montag waren es 637.