Hagen. Die Grundsteuer-Bescheide werden 2025 in Hagen für reichlich Unmut bei Hausbesitzern und Mietern sorgen. Alle Informationen im Überblick

Das Wohnen dürfte im kommenden Jahr für die meisten Menschen in Hagen wieder einmal deutlich teurer werden. Mit der anstehenden Reform der Grundsteuer und der Umsetzung vor Ort werden die ab Februar 2025 versandten Bescheide sicherlich für reichlich Unmut bei Hausbesitzern und Mietern sorgen. Denn der Rat hat in seiner letzten Sitzung vor der Weihnachtspause sich mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen, FDP und HAK auf einen einheitlichen Grundsteuer-B-Hebesatz für alle Wohn- und Nicht-Wohngrundstücke von 1139 Prozentpunkten (vorher: 750) verständigt.

Hagen Grundsteuer
Eine Übersicht, wie sich die Grundsteuer errechnet - mit Beispielrechnung. © WP Hagen | Funkegrafik NRW / Manuela Nossutta

Damit hat die Verwaltung – wie angekündigt – auf die von der Landesregierung eröffnete Chance der differenzierten Hebesätze verzichtet. Eine Blitzumfrage des Städte- und Gemeindebundes NRW hat ergeben, dass 81 Prozent der Kommunen im Lande es ebenso halten. Hagen nimmt fast 50 Millionen Euro über die Grundsteuer ein.

Keine Mehreinnahmen

„Wir haben immer gesagt, dass wir die Grundsteuer-Reform nicht als Gelddruckmaschine nutzen wollen, sondern sie aufkommensneutral gestalten und somit nicht durch die Hintertür mehr verdienen werden“, macht der neue Hagener Kämmerer Bernd Maßmann kein Hehl daraus, dass – von wenigen Mietern in Mehrfamilienhäusern mal abgesehen – vorzugsweise für Eigenheimbesitzer tendenziell höhere Belastungen entstehen, während die Wirtschaft entlastet wird. Ähnlich die Einschätzung von Konrad Adenauer, Präsident von Haus & Grund Rheinland Westfalen: „Das neue Berechnungsmodell für die Grundsteuer führt dazu, dass Wohngrundstücke eine deutliche Mehrbelastung zu spüren bekommen, während Gewerbegrundstücke entlastet werden.

Auch interessant

So berechnet sich die Grundsteuer

Die Grundsteuerbelastung für Immobilien wird in drei Schritten ermittelt:

1. Bewertung des Grundstückswerts: Im ersten Schritt werden die Grundstücke bewertet. Bislang waren hier die Herstellungskosten zum Bewertungsstichtag entscheidend. Im Bundesmodell wird jetzt ein Ertragswert ermittelt, der sich am möglichen Mieteinnahmenpotenzial einer Wohnimmobilie orientiert. Die Bewertung baut auf den Bodenrichtwerten und der statistisch ermittelten Nettokaltmiete auf.

2. Errechnung des Grundsteuermessbetrags: Wie bisher wird der ermittelte Grundstückswert mit einer Steuermesszahl multipliziert und daraus der Grundsteuermessbetrag errechnet. Die Formel lautet also: Grundsteuermessbetrag = Einheitswert x Grundsteuermesszahl. Die Grundsteuermesszahl wird im Zuge der Grundsteuerreform erheblich gesenkt. Sie sinkt auf etwa ein Zehntel des bisherigen Wertes. Für Grundstücke mit Ein- oder Zweifamilienhäusern oder Miet- und Eigentumswohnungen liegt sie bei 0,031 Prozent, für Geschäftsgrundstücke, gemischt genutzte Grundstücke, Teileigentum und sonstige bebaute Grundstücke bei 0,034 Prozent.

3. Einberechnung des kommunalen Hebesatzes: Zum Schluss wird das Ergebnis (Grundsteuermessbetrag) mit dem Hebesatz multipliziert, der von der jeweiligen Gemeinde definiert wird. Das Produkt ist dann die Höhe der Grundsteuer, die ab dem 1. Januar 2025 zu zahlen ist. Die Formel lautet: Grundsteuermessbetrag × Hebesatz der Gemeinde = Grundsteuer.

In die gleiche Kerbe schlug zuletzt auch der Verband für Wohneigentum NRW, der sich selbst als die größte gemeinnützige Verbraucherschutzorganisation für selbstnutzende Wohneigentümer versteht und dafür einsetzt, die Kosten für die eigene Immobilie bezahlbar zu halten, beim Blick auf den Hagener Einheitshebesatz: Der Appell von Sprecher Niklas Buhr, den Grundsteuer-Anstieg fürs Wohnen zu verhindern und differenzierte Hebesätze zu schließen, verhallte letztlich ungehört.

Starke Lobby der Wirtschaft

Umgekehrt argumentierte wiederum die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer (SIHK) und sprach sich als Lobby-Vertretung für Wirtschaft und Handel gegen die mögliche Einführung differenzierter Grundsteuerhebesätze aus. In einem Schreiben an Spitzen der Kommunen im Kammerbezirk appellierte zuletzt Christoph Brünger, Geschäftsbereichsleiter ‚Interessen bündeln‘, an alle Entscheidungsträger in den Räten, „die Signalwirkung hoher Grundsteuerhebesätze und ihre Entscheidungsbedeutung für zukünftige Investitionen nicht zu verkennen und im Rahmen einer verantwortungsvollen Beschlussfassung die ganze Tragweite sorgfältig abzuwägen.“

M. Kleinrensing WP Hagen Stadt Hagen
Der neue Hagener Kämmerer: Bernd Maßmann (CDU). © WP | Michael Kleinrensing

Der SIHK-Standortexperte konstatierte: „Leider müssen wir feststellen, dass die Bedeutung der kommunalen Steuern für die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Unternehmen häufig immer noch unterschätzt wird. Im Bundesvergleich haben wir mit die höchsten Realsteuerhebesätze. Für viele Betriebe im SIHK-Bezirk bilden Grund- und Gewerbesteuer daher seit langem den Hauptteil der Gesamtsteuerlast. Hohe differenzierte Grundsteuerhebesätze für Geschäftsgrundstücke würden damit einen unmittelbaren, weiteren Standortnachteil mit sich bringen.“

Mehr aus Hagen und Breckerfeld

Idee des Verfassungsgerichts

Zum Hintergrund: Mit dem bislang angewendeten Grundsteuerrecht wurden Grundstücke auf Basis eines längst überholten Einheitswertes aus dem Jahr 1964 (!) taxiert. Da sich Grundstücke seither jedoch sehr unterschiedlich in ihrem Wert entwickelten, ergaben sich hier inzwischen gravierende Ungleichbehandlungen bei der Erhebung der Grundsteuer. Dies war ausschlaggebend für das Bundesverfassungsgericht, eine Reform des Grundsteuerrechts anzumahnen.

„Wir haben immer gesagt, dass wir die Grundsteuer-Reform nicht als Gelddruckmaschine nutzen wollen, sondern sie aufkommensneutral gestalten und somit nicht durch die Hintertür mehr verdienen werden.“

Bernd Maßmann
Finanzdezernent der Stadt Hagen

In NRW kommt somit das neue Bundesmodell zur Anwendung. Basis für die neuen Hebesätze sind Messbeträge, die wiederum vom Finanzamt festgesetzt wurden. Diese errechneten sich aus den Steuererklärungen zur Grundsteuer, welche die Grundstückseigentümer zuletzt alle einreichen mussten. Doch beim genaueren Hinsehen wurde im Finanzministerium festgestellt, dass die Immobilienwerte für Wohnen und Gewerbe aufgrund der Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten deutlich auseinanderklaffen.

Hohes Risiko für Städte

Der frühere Hagener Finanzdezernent Christoph Gerbersmann hatte jedoch bereits im Sommer im Rat deutlich gemacht, dass er die von der Landesregierung angeregten differenzierten Hebesätze für kaum umsetzbar halte. Dabei handele es sich nicht etwa um eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, wie das Finanzministerium die Regelung den Städten schmackhaft zu machen versuchte, sondern eher um ein vergiftetes Angebot voller Unwägbarkeiten, auf das Hagen nicht eingehen werde, so der Ex-Kämmerer: „Ich bin nicht bereit, mit einer eigenen Lösung etwa 50 Millionen Euro an Steuern zu riskieren“, hielt Gerbersmann das Gesetz auf kommunaler Ebene keinesfalls für rechtssicher umsetzbar: „Keine Gemeinde wird hier eine verfassungskonforme Regelung finden.“

Mit einem lokalen, differenzierten Hebesatzrecht würde sich eine weite Flanke für Widerspruchs- und Gerichtsverfahren auftun. Der NRW-Städtetag hatte diese Sorge unterfüttert, indem er von zwei Hochschullehrern ein entsprechendes Gutachten fertigen ließ, dem von der Landesregierung prompt widersprochen wurde.

Alle Fakten im Bürgerinformationssystem

Wer weitere Details zu den Redebeiträge in Rat sucht oder das detaillierte Abstimmungsergebnis nachschauen möchte, kann dies auf der Homepage der Stadt Hagen im Bürgerinformationssystem finden. Der Tagesordnungspunkt 6.8. der Ratssitzung vom 12. Dezember 2024 beschäftigt sich mit der Grundsteuer-Thematik.

Hinweis: Der Original-Artikel wurde aufgrund einer Leser-Anregung im Nachgang ergänzt.