Hagen. Familie beklagt den hohen Hebesatz in Hagen und startet eine Online-Petition. Tausende Hagener haben sich dort schon eingetragen.
Diesen Artikel hat sie auf dem Handy abgespeichert. Immer wieder hat sie ihn in den letzten Tagen gelesen. Er ist erschienen am 12. April 2024 auf der Homepage der Hagener SPD. Und in diesem Text feiern sich die Sozialdemokraten dafür, dass sie es geschafft haben, eine Erhöhung der Grundsteuer zu verhindern. „Mit dem neuen Haushalt für die Jahre 2024 und 2025 wird es keine Steuererhöhungen (Grundsteuer B/Gewerbesteuer) geben“, heißt es da. Von einer „bürgerfreundlichen Haushaltssatzung“ ist die Rede. Von einem „Erfolg für die Fraktion und für die Bürgerinnen und Bürger“. Damals wurde ein Vorstoße des Kämmerers abgewehrt, die Gesamteinnahmen der Stadt aus der Grundsteuer um zehn Prozent anzuheben.
Keine acht Monate später kann von einer nicht erhöhten Grundsteuer für viele Hagener nicht mehr die Rede sein. Denn mit den Stimmen von CDU, Grünen, FDP, HAK und auch denen der Sozialdemokraten wurde im Dezember im Rat der Stadt Hagen beschlossen, den Hebesatz für die Grundsteuer anzuheben. Verbunden mit den Auswirkungen der Grundsteuerreform halten auch Jasmin und Marcel Alfter das Ergebnis mit ihrem Steuerbescheid nun in der Hand: 1200 statt 712 Euro Grundbesitzabgaben.
Das Fass läuft über
Für das Ehepaar, das sich vor vier Jahren in Hohenlimburg mit den beiden Kindern Nico (10) und Liana (4) den Traum vom Eigenheim erfüllt hat, ist dieser Bescheid über die Grundbesitzabgaben für die Familie der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Gemeinsam mit Christian Uhler hat Jasmin Alfter jetzt eine Online-Petition gegen die Erhöhung der Grundsteuer in Hagen gestartet. Innerhalb kurzer Zeit sind bereits mehr als 5000 Unterschriften eingegangen.
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„Mein Mann hat sich schon im Vorfeld intensiv mit dem Thema beschäftigt“, sagt Jasmin Alfter, „er hat herumgerechnet, ist dann zu mir gekommen und hat mir gesagt, dass wir künftig rund 500 Euro mehr pro Jahr zahlen müssen. Ich konnte das zunächst gar nicht glauben.“
„Anfangs hat sich kaum jemand für das Thema interessiert. Aber in den letzten Tagen, nachdem die ersten Bescheide durch die Stadt verschickt worden sind, haben sich Tausende eingetragen.“
Widerspruch beim Finanzamt
Also legt das Ehepaar schon früh Widerspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid, den das Finanzamt verschickt hat, ein. Und stellte die Petition schon am 13. Dezember online - kurz nachdem der Rat der Stadt die Erhöhung des Hebesatzes beschlossen hatte. „Anfangs hat sich kaum jemand für das Thema interessiert“, sagt Jasmin Alfter, „aber in den letzten Tagen, nachdem die ersten Bescheide durch die Stadt verschickt worden sind, haben sich Tausende eingetragen.“
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Dabei geht es Jasmin und Marcel Alfter nicht alleine um die Erhöhung der Grundsteuer. „Man muss mal in Summe sehen, was da in den letzten Jahren auf Familien zugekommen ist“, sagt die Mutter, „die Kosten für einen Wocheneinkauf haben sich gefühlt verdoppelt. Im Offenen Ganztag zahlen wir pro Monat 75 statt 53 Euro für das Mittagessen, die Kita-Gebühren sind gestiegen. Wir sind beide berufstätig - aber irgendwann geht das alles einfach nicht mehr.“
„Bei vielen älteren Menschen, die jeden Cent zweimal umdrehen müssen, fragt man sich, wie sie diese Erhöhung wegstecken sollen.“
Familie fühlt sich ausgenommen
Sie habe mittlerweile den Eindruck, dass sich das Arbeiten kaum noch lohne, sagt Jasmin Alfter, die selbst im Kundenservice tätig ist. Ihr Mann arbeitet bei Stora in der Papierfabrik in Kabel. „Ganz ehrlich - wir fühlen uns ausgenommen wie Gänse. Unser Haus ist Baujahr 1869, da müssen wir eigentlich auch Geld für Reparaturen und Sanierung zurücklegen. Manchmal wissen wir nicht, wie das noch gehen soll.“
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Die 500 Euro, die jetzt noch einmal obendrauf kommen, entsprechen für die Familie mit Hund einem Camping-Urlaub. „Das muss man sich mal ausmalen“, sagt Jasmin Alfter. „Und ich weiß mittlerweile von Fällen, in denen es andere in der Stadt noch weitaus härter trifft als uns. Eine Freundin, die in Berchum auf einem Bauernhof lebt, ist fast vom Glauben abgefallen. Sie soll jetzt 1600 Euro mehr pro Jahr zahlen. Bei vielen älteren Menschen, die jeden Cent zweimal umdrehen müssen, fragt man sich, wie sie diese Erhöhung wegstecken sollen. Viele Mieter ahnen noch gar nicht, was an Kosten demnächst auf sie zukommt.“
Unterschriftenlisten werden ausgelegt
Jasmina Alfter, ihr Mann und Christian Uhler jedenfalls wollen all das nicht ohne weiteres schlucken. Neben der Online-Petition wollen sie bei Vereinen und in Geschäften in Hohenlimburg, Berchum, Garenfeld und auch in anderen Stadtteilen Unterschriften-Listen auslegen. „Es kann nicht sein, dass die Bürger jetzt ausbaden müssen, dass in dieser Stadt über Jahrzehnte hinweg so beschissen gewirtschaftet worden ist“, findet die Mutter deutliche Worte.
Auch die SPD hat sie übrigens angeschrieben und mit dem Artikel konfrontiert. Die Antwort war eine Einladung zur nächsten Fraktionsversammlung.
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