Hagen. 800 Geflüchtete im Max-Bahr-Baumarkt: Nur geringes Interesse der Bürger an Informationsveranstaltung der Bezirksregierung.
Ja, es gibt Skepsis, Ängste, Zweifel und Besorgnis: Wird die neue NRW-Landesunterkunft für Geflüchtete in der ehemaligen Max-Bahr-Baumarkthalle in Eckesey das Leben und Miteinander in Hagen verändern? Kann diese Stadt es überhaupt noch gesellschaftlich verkraften, dass an einem Ort bis zu 800 Frauen, Männer und Familien über Monate zusammengepfercht werden, um sie im Anschluss auf die Kommunen des Landes zu verteilen? Gibt es eigentlich genügend Betreuungspersonal? Werden durch diesen Schritt antimuslimische, aber auch antisemitische Tendenzen in der Stadt weiter befeuert? Steigen die Risiken für die Hagener, wenn Menschen aus den bildungsfernsten und gewaltgeprägtesten Regionen dieser Welt an einem Ort zusammengebracht werden? Wird die Toleranz der Bürger nicht irgendwann überstrapaziert? Malt die Stadt abseits allen Realitätssinns sich die Lage nicht längst rosarot?
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Etwa 70 Personen saßen am Mittwochabend im Hagener Ratssaal zusammen, weil die Arnsberger Bezirksregierung gemeinsam mit der Hagener Stadtverwaltung über das informieren wollte, was das Leben zwischen Altenhagen und Eckesey in den nächsten Jahren sicherlich beeinträchtigen wird: die Eröffnung einer Landesunterkunft, in der über Monate und Jahre Menschen nach Erstaufnahme, Registrierung und Gesundheitsprüfung auf die Abarbeitung ihres Asylantrages warten, bevor sie dann auf die Städte und Kreise in NRW weiterverteilt werden. Abzüglich der zahlreichen Mandatsträger, Verwaltungsmitarbeiter und Offiziellen von Polizei und Bezirksregierung waren es am Ende nur etwa 40 Bürger, die sich direkt vor Ort über die Details informieren und ihre Befindlichkeiten formulieren wollten.
Atempause für die Stadtverwaltung
Einleitend machte Andreas Hohlfeld, Leiter der Abteilung Ordnungsrecht bei der Bezirksregierung und damit zugleich zuständig für Asylangelegenheiten, deutlich, dass die Zahl der Asylanträge im Vergleich zu 2023 zwar zurückgegangen sei, allerdings der Flüchtlingsstrom der Schutzsuchenden aus der Ukraine eher zunehme. Daher sei Arnsberg gehalten, 8240 Plätze in Landesunterkünften im Regierungsbezirk vorzuhalten, die zurzeit auf 13 Standorte verteilt sind – zum Jahreswechsel dann auch in Hagen.
„Diese Menschen werden komplett auf unsere Erfüllungsquote angerechnet, aber wir müssen eben keine Turnhallen und Notunterkünfte mehr belegen. Das hat uns zuletzt an unsere Grenzen gebracht.“
Hagens Sozialdezernentin machte erneut deutlich, dass die 800 Plätze in der Baumarkthalle keineswegs eine Mehrbelastung für Hagen bedeuten, sondern dem Pflichtkontingent zugerechnet werden und der Stadt sogar eine Atempause verschaffen: „Diese Menschen werden komplett auf unsere Erfüllungsquote angerechnet, aber wir müssen eben keine Turnhallen und Notunterkünfte mehr belegen. Das hat uns zuletzt an unsere Grenzen gebracht“, erinnerte die Erste Beigeordnete daran, dass Hagen sich im Krisenmodus bewegt habe. „Die Landeseinrichtung bedeutet für uns eine deutliche Entlastung und wir können uns ein wenig konsolidieren.“ Zudem müsse Hagen für die Geflüchteten bei Max Bahr sich auch nicht um Betreuungsfragen wie Kita- und Schulplätze oder Gesundheitsvorsorge kümmern.
Keine Extra-Kosten für Hagen
Denn an der Eckeseyer Straße wird komplett die Bezirksregierung die Regie übernehmen – organisatorisch und finanziell. Der Arnsberger Einrichtungsdezernent Giovanni Lo Re, unter dessen bewährter Regie bereits zahlreiche weitere Landesunterkünfte im Regierungsbezirk gemanagt werden, skizzierte den Alltag und die Angebote in dem Baumarkt so anschaulich, dass die Asyl-Skeptiker im Saal schon über eine Ferien-Camp-Atmosphäre schwadronierten. Ob dies zu einer gelben, mit Gitterzäunen komplett eingehausten Riesen-Blechbüchse passt, in der zuletzt Covid-Materialien lagerten, wurde im Rahmen des Info-Abends nicht weiter vertieft.
Sicher ist allerdings, dass in der einstigen Baumarkthalle aus Wänden und Containern in Holzbauweise inzwischen ein kleines Dorf gestaltet wurde, dessen Herzstück Schlafparzellen ohne Decke mit jeweils vier Doppelstockbetten bilden. Hier müssen die 800 Menschen ihr Privatleben fristen. Familien sollen nach sechs Monaten von dort aus weiterverteilt werden, bei allen anderen Personengruppen kann der Aufenthalt auch schon mal 18 bis 24 Monate dauern.
„Es handelt sich ja nicht um ein Gefängnis.“
Neben den Schlafkabinen gehören zum Angebot ein Speisebereich mit Küche, Kleiderkammer, Sport- und Freizeitflächen, Sanitätsstation, WC- und Duschzone, Empfang, ein Spielbereich mit Betreuung, TV-Raum, WLAN-Versorgung, Gebetsraum sowie Frauen- und Männercafés. Ein Sicherheitsdienstleister (All Service) sorgt rund um die Uhr für geregelte Abläufe und kontrolliert den Zugang zum Gelände, das von den Bewohnern jederzeit verlassen werden kann. „Es handelt sich ja nicht um ein Gefängnis“, betonte Lo Re, dass es durchaus erwünscht sei, dass die Geflüchteten Kontakte zu ihrem Umfeld aufnehmen, sich dort auch Ehrenamtliche in der Hagener Stadtgesellschaft engagieren und sich in die Abläufe einbringen.
Freizeit- und Sozialbetreuung
Begleitet wird der Alltag der Menschen, die absehbar vorzugsweise aus Syrien, Afghanistan, der Türkei, dem Iran und der Ukraine erwartet werden, zudem durch tagesstrukturierende Angebote, um die sich vorzugsweise ein DRK-Team rund um Jana Biesenbach kümmert. Hier werden etwa 70 Mitarbeiter sowie ein sozialer Dienst mit ganz unterschiedlichen Kompetenzen und Sprachbefähigungen Integrationskurse, Beschulung, psychosoziale Betreuung, aber auch Freizeitaktivitäten anbieten. „Parallel haben die Bewohner die Chance, sich in die Alltagsabläufe einzubringen oder auch den Hausmeister bei Wartungs- und Pflegearbeiten sowie beim Heckenschneiden zu unterstützen“, informierte Biesenbach.
„Die Bewohner haben die Chance, sich in die Alltagsabläufe einzubringen oder auch den Hausmeister bei Wartungs- und Pflegearbeiten sowie beim Heckeschneiden zu unterstützen.“
Bürgermeisterin Karin Köppen betonte in Richtung der besorgten Bürger, dass es rund um die anderen Sammelunterkünfte in Hagen bislang stets geräuscharm geblieben sei und seitens der Polizei auch keinerlei Auffälligkeiten gemeldet würden. Oberbürgermeister Erik O. Schulz erinnerte zudem daran, „dass es in diesen Zeiten eben eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, Verantwortung für die Geflüchteten zu übernehmen“. Hagen habe sich, ganz ohne rosarote Brille, für diese Einrichtung entschieden, weil eben genau an diesem Standort die leerstehende Ex-Baumarkt-Immobilie zur Verfügung gestanden habe.
Bislang keine Sicherheitsprobleme
Zugleich erinnerte auch der OB daran, dass die Sorgen der Bürgerschaft, dass es rund um derartige Einrichtungen vermehrt zu kriminellen Übergriffen komme, aufgrund der bisher gemachten Erfahrungen unbegründet seien. Bislang sei es immer gelungen, bei drohenden Verwerfungen durch frühzeitigen Austausch und schnelle Kommunikationen potenzielle Reizthemen aus der Welt zu schaffen. „Wir werden im engen Dialog mit den Bürgern und der Bezirksregierung bleiben“, versicherte Schulz, dass in der Einrichtung auch ein sogenannter Umfeldmanager zur Verfügung stehe, der von Anwohnern mit allen Fragen und Nöten direkt angesprochen werden könne.
„Wir werden im engen Dialog mit den Bürgern und der Bezirksregierung bleiben.“
Wer sich ehrenamtlich in die Begleitung und Betreuung der Geflüchteten einbringen möchte, kann sich bereits heute bei der Hagener Freiwilligenzentrale per E-Mail melden unter info@fzhagen.de.