Hagen. Noch ist das letzte Wort zum einstigen Hochhaus der Agentur für Arbeit nicht gesprochen: Widerspruch seitens der Stadt ist möglich.
Über die Zukunft des einstigen Arbeitsamt-Hochhauses, das der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gerne unter Denkmalschutz stellen möchte, ist offenkundig das letzte Wort noch nicht gesprochen. Sowohl die Politik als auch Oberbürgermeister Erik O. Schulz machten zuletzt deutlich, dass sie mit einer solchen Entscheidung der Oberen Denkmalbehörde, die Hagen erhebliche stadtentwicklungstechnische Fesseln anlegen würde, keineswegs glücklich wären. Sollte es zu keinem Konsens zwischen Hagen und dem LWL in Münster kommen, steht eine finale Entscheidung durch NRW Heimat-, Bau- und Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) im Raum.
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Politik wird überrascht
In der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses formulierten die Spitzen von CDU, SPD, Hagen Aktiv, BfHo/Die Partei, FDP und Linken ihr Befremden darüber, dass sie über diese wichtige Maßnahme erst durch die Berichterstattung der Stadtredaktion informiert worden seien: „Der Hagener Rat war und ist nicht in den fachlichen Entscheidungsprozess eingebunden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Es seien allerdings die Ratsmitglieder, die von der erstaunten Bürgerschaft dazu befragt und dafür auch kritisiert würden.
„Die im Rat vertretenen Fraktionen und Gruppen haben großen Respekt vor der Aufgabe, architektonisch, städtebaulich, kulturell oder historisch bedeutende Bauwerke für die Zukunft zu bewahren“, machen die Parteien unisono deutlich. „Wir respektieren ausdrücklich auch die Ziele und die rechtliche Ausgestaltung des nordrhein-westfälischen Denkmalschutzgesetzes. Dennoch sehen wir im konkreten Fall bei der Güterabwägung den Aspekt der Schutzwürdigkeit des Gebäudes überbewertet, während wir den Aspekt der künftigen Stadtentwicklung an dieser Stelle unterbewertet sehen. Es braucht aus unserer Sicht auch beim Denkmalschutz eine sinnvolle Selbstbeschränkung, damit die inflationäre Verwendung des Begriffs ‚Denkmal‘ nicht am Ende zu einer Wertminderung dieser wertvollen Möglichkeit der Unterschutzstellung führt“, hüllt die Politik ihre durchaus massive Verärgerung in ein diplomatisches Formulierungskleid.
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OB ist noch nicht überzeugt
Parallel macht Oberbürgermeister Erik O. Schulz im Gespräch mit der Stadtredaktion deutlich: „Bei aller Affinität für Kunst und Kultur – auf den ersten Blick bin ich fachlich noch nicht überzeugt. Zumindest halte ich den Denkmalschutz in diesem Fall für zu hinterfragen“, verweist er auf eine derzeit im Rathaus laufende Prüfung, an deren Ende durchaus eine Ablehnung des bislang nur vorläufigen Denkmalschutz-Ansinnens stehen könne. Dann müsste der LWL einen finalen Ministerinnen-Entscheid in Düsseldorf erwirken. Schulz verweist dabei darauf, dass die von der Oberen Denkmalbehörde angeführten städtebaulichen, architektonischen und künstlerischen Aspekte ebenso bewahrt werden könnten, ohne gleich den Denkmalschutz über den gesamten Turm der einstigen Arbeitsagentur zu stülpen.
„Bei aller Affinität für Kunst und Kultur – auf den ersten Blick bin ich fachlich noch nicht überzeugt. Zumindest halte ich den Denkmalschutz in diesem Fall für zu hinterfragen.“
Zugleich fordert der Oberbürgermeister mit Blick auf das 14-seitige Gutachten bei den Denkmalschützern eine etwas nüchternere Betrachtungsweise ein. So sei es zwar entstehungshistorisch richtig, dass die Hochhäuser von Stadtverwaltung, Sparkasse und Arbeitsagentur die Silhouette der Stadt wesentlich geprägt hätten, doch mit dem Abriss des „Langen Oskars“ habe sich dieser Dreiklang ja ohnehin schon erledigt und sei somit ohne Relevanz. Zudem sei der Denkmalschutz eben nicht das einzige Instrument, um Bauhistorisches zu erhalten. Vielmehr werde dadurch eine eventuell anstehende Veräußerung erschwert. OB Schulz regt daher an, die prägnante Immobilie in das künftige Sanierungsgebiet rund um das Bahnhofsquartier (Eastside) aufzunehmen und im Rahmen dessen einen Investor zu finden, der im Rahmen der Bauberatung bereit ist, die wesentlichen Elemente des 80er-Jahre-Baus zu erhalten.
Der LWL in Münster hatte bereits im Jahr 2020 gegenüber den Hagener Denkmalschützern den Denkmalwert des Turms thematisiert, sich in den Folgejahren jedoch mit der Bezirksregierung in Arnsberg zu dem Thema ausgetauscht, weil es sich damals noch um Bundeseigentum handelte. Erst mit dem Verkauf an einen Berliner Betreiber von Low-Budget-Hotels kam wieder die Stadt Hagen zurück ins Boot, und das Objekt wurde im August dieses Jahres vorläufig in die Denkmalliste eingetragen. Zur Begründung heißt es unter anderem, dass das Gebäude das alltägliche Leben der Hagener geprägt und die sozialen Verhältnisse in den 1970er- und 1980er-Jahren symbolisiere. Es stehe zudem gestalterisch für die „vertikale Akzentuierung der Innenstadt“.
Viele Etagen ohne besonderes Interesse
Zudem seien die Prismen- als auch die Hohlspiegelinstallationen qualitätvolle, ortsspezifische Kunstwerke des international renommierten Künstlers Adolf Luther. Der LWL-Denkmalantrag verweist neben der Außenhülle des schwarzen Turms vor allem auf die Details und Qualitäten im Inneren der ersten und zweiten Etage sowie des 17. Obergeschosses, aber auch des Berufsinformationszentrums. Weniger bedeutend erscheinen den Münsteranern derweil die 3. bis 16. Etage, die Tiefgarage sowie die Außenanlagen. Insgesamt steht für den Oberbürgermeister vorbehaltlich der noch laufenden Prüfung fest: „Ich habe keine Angst davor, dem LWL-Antrag zu widersprechen.“
Zugleich unterstreicht Erik O. Schulz, dass die Stadt niemals eine Chance gehabt hätte, im Rahmen eines Vorkaufsrechts sich die Immobilie zu sichern. Es habe dafür aber auch keinerlei Planungsinteresse bestanden, sich an dem Bieterwettbewerb zu beteiligen: „Ohne konkrete Vorstellungen für eine Nutzung gab es keinerlei Anlass, sich einem unkalkulierbaren Sanierungsrisiko auszusetzen.“ Der Käufer aus der Übernachtungsbranche hat nach Informationen der Stadtredaktion für den Erwerb des Turms unter einer halben Million an die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg überwiesen.