Hagen-Mitte. Auch der Verlust eines Auges bremst nicht seinen Lebensmut. „Ich habe zwei Augen. Es geht also weiter“, sagt er.
Die Sache mit seinem Auge sollte gar nicht im Mittelpunkt stehen. Genau genommen war es noch nicht mal das Ziel, überhaupt darüber zu schreiben. Erst recht nicht am Anfang dieses Textes. Und doch hilft es, den Menschen Felix Lang (58) zu verstehen, der eines der bekanntesten Gesichter der Hagener Innenstadt hat, weil er so oft im Stadtbild und in einer seiner zwei Backwerk-Filialen zu sehen ist. Wer er ist und was seine Geschichte ist, ist dabei den meisten völlig unbekannt. Ein Gespräch mit einem mutigen und hilfsbereiten Menschen.
Drei Operationen helfen nicht
Dann also erst das Auge. Von ihm aus gesehen links. Es ist völlig eingetrübt, die Strukturen nicht mehr sichtbar. Während der Corona-Pandemie (aber nicht wegen Corona) löste sich die Netzhaut ab und ein Sehnerv wurde zerstört. Drei Operationen bei den als Koryphäen geltenden Augenärzten im Josefs-Hospital konnten nicht verhindern, dass Felix Lang dieses Auge für immer verloren hat. Ganz ohne die Albernheit eines Frustrierten sagt er: „Es gibt Dinge, die ich nicht ändern kann. Ich habe zwei Augen. Und auf dem anderen kann ich sehen. Es geht also weiter.“
Das ist kein Augen-Thema. Das ist eine Lebenseinstellung. Eine, die inspirierend wirkt. Felix Lang ist ein City-Gesicht. Man sieht ihn häufig vor den Backwerk-Filialen stehen, wenn er draußen eine raucht oder zwischen den beiden Filialen hin- und herläuft. Ein schlanker Mann mit kurzem schwarzen Haar, und leicht struppigem Bart. Um seinen Hals hängt meistens eine Brille an Bändern und er trägt eine Art Arbeitsweste, aus der ein Phasenprüfer lugt. Diese Schraubenzieher, mit denen man fließenden Strom nachweisen kann.
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„Es gibt Dinge, die ich nicht ändern kann. Ich habe zwei Augen. Und auf dem anderen kann ich sehen. Es geht also weiter.“
Filialen kaufte er 2007
Die Beschreibung kommt etwas wie der Hausmeister daher. Dabei ist Felix Lang der Chef. In Hagen betreibt er zwei Backwerk-Filialen. Die dritte in der Mittelstraße hat er geschlossen, nachdem nach der langen Schließung der Rathaus-Galerie durch die Flutkatastrophe hier die Frequenz ausblieb. In der Spitze führte Lang im Ruhrgebiet mal fünf Backwerke parallel. Vor 18 Jahren stieg er als Franchisenehmer bei der großen Kette ein. Die vormals drei Filialen in Hagen kaufte er 2007.
Verliebt in das Bäckerhandwerk
Lang stammt vom Bodensee. Aus Hilzingen. Sieben Stunden weg von hier, 9000 Einwohner. Als junger Mann ging er von dort nach Sylt als gelernter Koch zur Marine und bildete zum Beispiel U-Bootköche aus. In Flensburg war er später Proviantmeister der Marine, ehe er noch mal Lebensmittelwirtschaft studierte und sich einem Konzern in Düsseldorf anschloss, der Krankenhaus- und Unigroßküchen baut und steuert. Felix Lang war in leitender Position. Als es eines Tages um die Schließung einer Bäckerei ging, beschäftigte er sich mit diesem Handwerk. „Da war mir klar: Wenn ich noch mal etwas anderes mache, dann Bäcker.“
Als er sich wirklich entschied, noch einmal etwas anderes machen zu wollen, nahm er ein Angebot an, eine Backwerk-Filiale als Franchise-Nehmer zu übernehmen. Die erste führte er in Bochum mitten in der Fußgängerzone. In einer Zeit, in der es noch hieß, dass „Billigbäcker“ die lokalen Meister kaputtmachen würden. Sicherlich finden die Angestammten immer noch nicht gut, was Ketten wie Backwerk tun. Und auch nicht, dass jeder Discounter eine Brötchen-Auslage hat. Verschwunden ist vom lokalen Markt aber keiner der Meister-Bäcker. Sie alle bestehen wegen ihrer Qualität.
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Jeden Tag eine Apfelecke
Um kurz nach fünf Uhr morgens rückt Felix Lang an und backt los. Die hauseigene Apfelecke isst er jeden Tag, mittags manchmal Hotdogs oder Käsebrötchen. Der Verkaufsschlager ist übrigens der Crunchy-Chicken und der Kaffee von Tchibo. Das soll reichen aus der Backwerk-Welt. Hier geht es um Felix Lang.
Seine Frau Christel ist ebenso bekannt. Sie führt die Filiale an der Volme-Galerie, gleich vor dem Netto-Eingang. Die beiden leben in der Elberfelder Straße in einer Wohnung über „TK Max“. Da sind sie gern, die beiden, wenn sie mal nicht arbeiten. „Wir waren nie die Urlaubstypen“, sagt Felix Lang. Und das meint er auch so. Wenn sie mal wegfahren, dann zum Bodensee, wo sie beide herkommen. Oder zu den Kindern, einer Kostümbildnerin und einem Callcenter-Chef. Beide Mitte 30.
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Eine Zigarette auf dem Balkon
Herunterzukommen und abzuschalten, bedeutet für Felix Lang, eine Zigarette auf seinem Balkon in der City zu rauchen und seine Ruhe zu haben. Obwohl Geld nie eine Rolle gespielt hat, lebt Felix Lang recht minimalistisch. Sein Nissan Micra fristet in einer Garage in der City ein ziemlich unbewegtes Dasein. Fünf Jahre, 10.000 Kilometer. Fast nur zum Bodensee. Er daddelt gern auf dem Smartphone herum und spielt „Primitive Era“. Da geht es um die Entstehung der Menschheit.
Vielen Geflüchteten geholfen
Vor allem ist der Mann mit der Arbeitsweste ein hilfsbereiter Mensch. Er hat schon vielen Geflüchteten beispielsweise eine Jobmöglichkeit geboten – und ihnen auch finanziell geholfen, wenn es nötig war. „Viele waren richtig gute Mitarbeiter und Menschen. Für die meisten war ich ein Sprungbrett. Das ist auch okay so. Wer gut ist, hat es verdient, weiterzukommen“, sagt Felix Lang.
Gleich geht er mal kurz raus, eine rauchen. Dann steht er wieder vor der Filiale und nickt und nickt und nickt Bekannten zu. So kennen ihn die meisten, diesen Felix Lang.