Hohenlimburg. Die Autokrise zwingt die Bilstein Group in Hagen zum Stellenabbau. Der Betriebsrat will Alternativen ausloten - und sich dafür Hilfe holen
Es sind schwierige Wochen für die Mitarbeiter der Bilstein Group. Als Vorsitzender des Gruppenbetriebsrates hat Harry Kanzler in den vergangenen Jahren bereits mit der Geschäftsführung des heimischen Kaltwalzunternehmens über personelle Einschnitte verhandeln müssen, doch die Folgen der aktuellen Absatzkrise haben selbst ihn überrascht.
Von bis zu 300 Mitarbeiter müsse man sich trennen, das hat die Geschäftsführung auf einer Belegschaftsversammlung verkündet. „Als Betriebsrat fanden wir es dennoch gut, dass die Geschäftsführung unserem Wunsch entgegengekommen ist und die Mannschaft frühzeitig mit ins Boot geholt hat“, sagt Kanzler. „So hart das in dieser schweren Zeit auch ist, aber wir hatten im Vorfeld um Offenheit gebeten. Das ist ein Gebot der Ehrlichkeit und wurde von der Geschäftsführung auch ernst genommen.“
„Der Wegfall von bis zu 300 Arbeitsplätzen ist eine mögliche Maximalgrenze und wir wollen jede Möglichkeit nutzen, diese Zahl zu reduzieren.“
Gespräche über Stellenabbau
Eine Grundlage, auf der man nun in konkrete Gespräche über den Stellenabbau eintreten will. „Der Wegfall von bis zu 300 Arbeitsplätzen ist eine mögliche Maximalgrenze und wir wollen jede Möglichkeit nutzen, diese Zahl zu reduzieren.“ Die Geschäftsführung habe bereits signalisiert, dass man für jeden Vorschlag offen sei - „und hier nehmen wir sie beim Wort.“
Für den 11. November ist ein erstes Treffen mit der Geschäftsführung angesetzt. Dabei gehe es auch darum, welche Mitarbeiter nicht übernommen oder weiter befristet werden sowie welche Mitarbeiter in Altersteilzeit oder Rente gehen. Zudem soll ausgelotet werden, welche Kollegen angesprochen werden könnten, um diesen ein Angebot für ein freiwilliges Ausscheiden zu unterbreiten.
Freiwilligen- und Rentenangebote
Rund 237 Personen mussten das Unternehmen beim letzten großen Stellenabbau verlassen, der 2021 mit den Betriebsräten der drei betroffenen Gesellschaften - Bilstein GmbH & Co. KG, Bilstein Service GmbH und Hugo Vogelsang GmbH &Co. KG, - verhandelt wurde. Damals habe man „nur“ drei betriebsbedingte Kündigungen nicht verhindern können, den Rest habe man über sozialverträgliche Wege wie großzügige Freiwilligenangebote und Rentenangebote für ältere Mitarbeiter abfangen können. „Trotz allem haben diese Menschen ihre Arbeitsplätze verloren, aber für uns steht Sozialverträglichkeit dabei an oberster Stelle. Wenn wir schon Arbeitsplätze verlieren, dann versuchen wir, diesen Kollegen noch einen gut gefüllten Rucksack mitzugeben.“
„Gespräche werden dauern“
Wie viele seiner Kollegen wegen der aktuellen Absatzkrise letztlich das Unternehmen verlassen müssen, das könne man noch nicht abschätzen. In jedem Fall wolle man sich zeitlich nicht unter Druck setzen lassen, um die Details mit der Geschäftsführung zu verhandeln, betont Harry Kanzler. „Wir müssen uns die Zeit nehmen, die wir brauchen, um das Beste für die Mannschaft herauszuholen.“
Ende November werde die Geschäftsführung mit dem Beirat weitere Maßnahmen beschließen, erst danach steht fest, welche Anlagen in welchem Umfang weiter betrieben werden sollen. „Die Gespräche werden eine gewisse Zeit dauern.“
Alternativen ausloten
Um gut vorbereitet in die anstehenden Verhandlungen zu gehen, sucht der Betriebsrat mit Unterstützung der IG Metall aktuell nach einem Beratungsunternehmen, das Alternativen zum Jobabbau aufzeigen kann. Zum Beispiel seien Kurzarbeit oder ein Joint-Venture mit anderen Unternehmen, um das technologische Know-how eines der größten Kaltwalzhersteller Deutschlands zu nutzen, denkbar. „Wir wollen jede Möglichkeit ergreifen, und wenn durch unsere Vorschläge ein Abbau von Stellen verhindert werden kann, dann werden wir dafür kämpfen, dass wir diese Vorschläge durchkriegen.“
Die IG Metall steht für die Gespräche an der Seite des Betriebsrates, sichert Jens Mütze, erster Bevollmächtigter der IG-Metall-Verwaltungsstelle Hagen, auf Anfrage zu. „Wir werden darum ringen, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten. Ob uns das gelingt, das werden wir sehen müssen.“
Krise in der Autobranche
Als einer der weltweit größten Hersteller von kaltgewalztem Bandstahl produziert die heimische Bilstein Group in ihren Werken hauptsächlich Vormaterial für die Autobranche. Die Absatzkrise in der Branche, die viele Autobauer und Zulieferer zu personellen Einschnitten zwingen, beobachten die Belegschaft der Bilstein Group schon längst. „Wir sind ja nicht blind und sehen, dass die Auslastung zurückgeht. Leider hören wir auch von immer mehr Kunden, dass Stellen abgebaut werden“, sagt der Gruppenbetriebsratvorsitzende Harry Kanzler.
Auch interessant
Umso mehr fehlten ihm bislang klare Signale aus der Politik. „Seit Monaten haben Klein- und Mittelständler versucht, ihre Sorgen und Nöte an die Politik zu adressieren. Doch erst jetzt, wo Volkswagen betroffen ist, da wird die Politik wach“, sagt Harry Kanzler. „Das ärgert mich maßlos.“