Hagen. Der über Hagen hinaus bekannte Künstler Erwin Hegemann war Mitglied der Waffen-SS. Derzeit werden seine Bilder im Osthaus-Museum gezeigt.

Die Stadt Hagen lässt - so teilt sie mit - die Vita des bekannten Künstlers Erwin Hegemann, nach dem in Altenhagen eine Grundschule benannt ist, dessen Werke gerade im Osthaus-Museum ausgestellt werden und der durch Kunst am Bau ebenso wie durch sein Engagement im sozialen Bereich Spuren in seiner Heimatstadt hinterlassen hat, jetzt untersuchen. Ein externer Kunsthistoriker soll klären, welche Rolle der Künstler in der Zeit des Nationalsozialismus gespielt hat. Dabei ist unbestritten, dass Hegemann Mitglied der Waffen-SS war.

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Zeitgenossen und Weggefährten haben gegenüber unserer Zeitung erklärt, dass der 1999 verstorbene Künstler selbst aus der Waffen-SS-Mitgliedschaft nach dem Krieg kein Geheimnis gemacht hätte. Hegemann habe später in seinen Werken der Serie „Hört auf zu Morden“ und in seinen Aussagen eine pazifistische Haltung an den Tag gelegt. Im Laufe der Zeit geriet dieses Kapitel des über die Grenzen der Stadt hinaus angesehenen Künstlers offenbar weitestgehend in Vergessenheit.

„Er hat diese Beitritte weder geleugnet noch vertuscht, sondern seine Vergangenheit immer im Sinne einer aktiven Erinnerungskultur offen und kritisch dargestellt. “

Stellungnahme der Hegemann-Kinder

Kinder nehmen Stellung

Seine Kinder erklären dazu gegenüber unserer Zeitung: „Dass unser Vater (*26.02.1924) als Junge der HJ und später als Jugendlicher der Waffen-SS beigetreten war, ist seit vielen Jahren öffentlich bekannt. Er hat diese Beitritte weder geleugnet noch vertuscht, sondern seine Vergangenheit immer im Sinne einer aktiven Erinnerungskultur offen und kritisch dargestellt. Es ist dabei dem Einzelnen überlassen, diese Beitritte im Rahmen der gesamten politischen Situation und unter Beachtung seines Alters zu bewerten. Man bedenke jedoch, dass er während der gesamten Zeit kein politisches Mandat innehatte.“

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Die Galerie der Hagener Bürgermeister im Rathaus an der Volme: Viele dieser Porträts hat Erwin Hegemann gemalt.
Die Galerie der Hagener Bürgermeister im Rathaus an der Volme: Viele dieser Porträts hat Erwin Hegemann gemalt. © WP | Michael Kleinrensing / Hegemann / Will

Erwin Hegemann, so die Kinder weiter, sei genauso wie viele junge Männer ausschließlich Front-Soldat gewesen. „Nach der Erfahrung des Zweiten Weltkrieges hat er uns gegenüber den Beitritt zu diesen Organisationen immer wieder als ,den größten Fehler meines Lebens‘ bezeichnet. Wir – und genauso viele andere seiner Freunde und Bekannten – haben ihn als offenen, globalen und äußerst sozialen Menschen und Menschenfreund kennengelernt.“

Geschichtsverein bereitet Buch über Täter der NS-Zeit vor

Der Hagener Geschichtsverein erklärt derweil, dass er ein Buch über die NS-Zeit vorbereite. In dem gehe es nicht um die Opfer, sondern um die Täter. In diesem Zusammenhang betont Pablo Arias, selbst Geschichtslehrer am Rahel-Varnhagen-Kolleg und Historiker, dessen Ausstellungen zur Geschichte des Nationalsozialismus große Beachtung gefunden haben, dass Hegemann freiwillig in die SS eingetreten sei. Das sei insbesondere in späteren Jahren längst nicht bei allen Mitgliedern der Fall gewesen. Bei Hegemann aber sehr wohl.

„Aus heutiger Sicht ist es ein absoluter Skandal, dass ein ehemaliger SS-Mann lukrative öffentliche Aufträge bekam - auch in Schulen und Kindergärten.“

Pablo Arias
Historiker

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„Aus heutiger Sicht ist es ein absoluter Skandal, dass ein ehemaliger SS-Mann lukrative öffentliche Aufträge bekam - auch in Schulen und Kindergärten“, sagt Arias und hebt dabei auch auf die Galerie der Oberbürgermeister im Rathaus an der Volme ab, zu der Hegemann zahlreiche Porträts beigesteuert hat: „Ein ehemaliges Mitglied der SS-Totenkopf malte mit Fritz Steinhoff einen KZ-Überlebenden - das wusste man. Das ist, was der Holocaust-Überlebende Ralf Giordanno aus Hamburg ,Die 2. Schuld nannte‘.“ Darunter, so Arias, verstehe man den beschämenden, schäbigen Umgang mit den Opfern und die unglaubliche Großzügigkeit gegenüber den Tätern. „Beides ist miteinander verbunden. Die ,Heilig-Sprechung‘ ehemaliger Nazis dauert bis heute an.“

Kunst ist allgegenwärtig

Die Kunst Hegemanns in Hagen ist allgegenwärtig: Neben den zahlreichen Porträts der Ex-Oberbürgermeister in der bekannten Bürgermeister-Galerie zieren seine Glasfenster und Skulpturen viele öffentliche Gebäude. Hegemann, der sowohl in den USA als auch in der damaligen Sowjetunion ausstellte, so geht aus seiner Vita hervor, arbeitete in seiner Heimatstadt eng mit dem Stadttheater zusammen. Er förderte das Haus, gestaltete Bühnenbilder und trat selbst bei Live-Performances auf der Bühne auf. Darüber hinaus engagierte er sich sozial, war Mitglied im Lions Club Hagen, dem ältesten Serviceclub der Stadt.

Erwin Hegemann ist im Alter von 19 Jahren in die Waffen-SS eingetreten. Er selbst bezeichnete das später als größten Fehler seines Lebens.
Erwin Hegemann ist im Alter von 19 Jahren in die Waffen-SS eingetreten. Er selbst bezeichnete das später als größten Fehler seines Lebens. © WP Michael Kleinrensing | KLEINRENSING, Michael

Maßgeblich eingesetzt hat er sich für die ehemalige Knappschafts- und heute nach ihm benannte Grundschule an der Boeler Straße im Stadtteil Altenhagen - eine Einrichtung, die in einem sozialen Brennpunkt einen der höchsten Migrantenanteile unter allen Schulen in Hagen hat. Hegemann durch persönliche Spenden und der Lions-Club haben dazu beigetragen, dass der Schulhof komplett neu gestaltet werden konnte. Dieses Engagement war auch der Grund dafür, dass die Schulkonferenz einst den Wunsch an die Stadt herantrugen, die Schule nach ihrem größten Förderer, dem Hagener Künstler Erwin Hegemann, zu benennen. Eine weitergehende Überprüfung seiner SS-Vergangenheit gab es nach Auskunft der Stadt seinerzeit nicht.

Vorwürfe in Internet-Blog

Aufgegriffen wurde diese Thematik allerdings in einer Veröffentlichung in einem Blog im Internet. Der Hagener Künstler soll freiwillig im Alter von 19 Jahren in die Waffen-SS eingetreten sein. Die Organisation hatte zwischen 1939 und 1945 mehr als 900.000 Mitglieder. Hegemann sei in Frankreich als Zugführer einer Division und später als Ausbilder in Wien im Einsatz gewesen.

Die Bilder von Erwin Hegemann werden derzeit im Osthaus-Museum in Hagen gezeigt. Der Künstler, der über Hagen hinaus bekannt ist, war Mitglied der Waffen-SS.
Die Bilder von Erwin Hegemann werden derzeit im Osthaus-Museum in Hagen gezeigt. Der Künstler, der über Hagen hinaus bekannt ist, war Mitglied der Waffen-SS. © WP | Jens Stubbe

Die Waffen-SS war eine eigenständige militärische Einheit, deren Mitglieder Seite an Seite mit Wehrmachtssoldaten kämpften. Von der Nazi-Propaganda wurde sie gern als Elite-Truppe dargestellt. Die Waffen-SS steht heute auch als Synonym für Gräueltaten und Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg. Darüber hinaus wird in dem Blog der Eindruck erweckt, Hegemann habe auch nach dem Krieg nicht komplett mit seiner Vergangenheit gebrochen. Belege werden dafür nicht geliefert.

Werke im Osthaus-Museum

Brisanz gewinnt dieser Teil der Hegemann-Biografie, da seine Werke unter dem Titel „Erwin Hegemann - 100 Jahre“ gerade im Osthaus-Museum gezeigt werden. Es ist die insgesamt fünfte Hegemann-Ausstellung im Haus. Die erste fand 1957 statt. Die jüngste Ausstellung in Hagen hat im Wesentlichen Holger Hegemann, Galerist in München und eines seiner fünf Kinder, konzipiert. „Unser Vater hat uns Werte vermittelt, Menschen zu lieben, ohne jede Art der Voreingenommenheit“, hatte Holger Hegemann zur Eröffnung der Ausstellung gesagt. „Er hat uns aus seiner Erfahrung heraus, die er im Zweiten Weltkrieg gemacht hat, gezeigt, dass es der richtige Weg ist, Pazifist zu sein.“

Ein Bild von Erwin Hegmann und seiner Frau hängt derzeit im Osthaus-Museum.
Ein Bild von Erwin Hegmann und seiner Frau hängt derzeit im Osthaus-Museum. © WP | Jens Stubbe

„Die Stadt Hagen wird zeitnah eine externe historische und insbesondere auch kunsthistorische Einordnung der in der Berichterstattung angedeuteten Quellen und Querverweise vornehmen lassen. “

Thomas Bleicher
Leiter des Büros des Oberbürgermeisters

Welche Auswirkungen die jetzt aktuell erhobenen Vorwürfe gegen den Hagener Künstler haben, ist völlig offen: „Die Stadt Hagen nimmt die aufgeworfenen Fragestellungen in einer aktuellen Berichterstattung zur Rolle von Erwin Hegemann in der Zeit des Nationalsozialismus sowie in den Nachkriegsjahren ernst“, so Sprecher Thomas Bleicher. „Vor diesem Hintergrund wird die Stadt Hagen zeitnah eine externe historische und insbesondere auch kunsthistorische Einordnung der in der Berichterstattung angedeuteten Quellen und Querverweise vornehmen lassen. Eine Kontaktaufnahme mit ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet ist bereits auf den Weg gebracht worden.“

Neben besagter Einordnung erwartet die Stadt zudem eine fundierte Empfehlung, wie künftig mit dem Künstler Erwin Hegemann und seinem Werk umzugehen ist.