Hagen. Die Historiker Dr. Ralf Blank, Andreas Korthals und Dr. Marcus Weidner haben die Eroberung der Stadt Hagen durch die Amerikaner erforscht.
Rund 200 Zivilisten, Soldaten, Kriegsgefangene und ausländische Arbeitskräfte kamen bei der Befreiung Hagens vom Nationalsozialismus zu Tode. Die Eroberung und Besetzung der Stadt durch US-amerikanische Truppen spielte sich zwischen dem 13. und 18. April 1945 ab, sie fand also heute vor 75 Jahren ihren Abschluss.
Die beteiligten Einheiten rückten in schneller Abfolge durch das Ennepetal, entlang der Volme sowie der Lenne in Hagen ein. Dabei kam es nach Forschungen der Historiker Dr. Ralf Blank und Andreas Korthals vom Stadtarchiv sowie Dr. Marcus Weidner vom Institut für westfälische Regionalgeschichte in Münster, die ein Buch über das Kriegsende in Hagen veröffentlicht haben, immer wieder zu Gefechten mit deutschen Soldaten, die den sinnlosen Kampf fortsetzten: „Einzelne deutsche Scharfschützen, die sich in Ruinen und entlang von Verkehrsstraßen versteckt hielten, nahmen US-Soldaten ins Visier, bis auch sie aufgaben oder ausgeschaltet werden konnten.“
Provisorische Sammellager
Die Amerikaner befreiten zahlreiche Lager mit vorwiegend französischen und sowjetischen Kriegsgefangenen sowie ausländischen Arbeitskräften. Darunter waren auch die großen „Gemeinschaftslager“ mit über 1200 Arbeitskräften der Hagener Akkumulatoren Fabrik an der Voerder Straße in Haspe und am Kuhlerkamp sowie die der Gestapo unterstehenden Straflager auf dem Betriebsgelände der Hasper Hütte. Auf den Lenne- und Ruhrwiesen sowie in Schulen und Werkshallen richteten die US-Truppen provisorische Sammellager für Kriegsgefangene ein.
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Zwischen 13. und 19. April verstarben infolge „Feindeinwirkung“ im damaligen Hagener Stadtgebiet nicht weniger als 91 Personen. Im Gebiet von Hohenlimburg wurde der Tod von 35 Personen beurkundet. Besonders folgenschwer war anscheinend der Einschlag einer Granate am 14. April in das Haus Bismarckstraße 28 in Wehringhausen, dem sechs Bewohner des Gebäudes zum Opfer fielen. Sowohl deutsche als auch amerikanische Geschütze feuerten bis zum 17. April immer wieder in die Stadt.
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Hinzu kam in Hohenlimburg am 15. April der Selbstmord des Bürgermeisters Dr. Friedrich Pott, der vorher seine Ehefrau Ilse und den dreijährigen Sohn Ernst-Friedrich erschossen hatte. Vier Jugendliche wurden in einem Waldstück bei Oege durch Granattreffer getötet. Zwischen die Fronten geriet auch die Bevölkerung in Dahl, Priorei und Rummenohl. Mindestens 15 Personen fanden im Volmetal den Tod.
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Klaus Barbie verhaftet
Auf der Hauptstraße zwischen Hagen und Hohenlimburg, der heutigen B 7, wurde am 18. April der ehemalige Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie (1913 bis 1991), festgenommen. Er war damals bei der Sicherheitspolizei (KdS) in Dortmund eingesetzt. Als Angehöriger der Waffen-SS wurde Barbie in ein Sammellager für deutsche Kriegsgefangene überstellt, das US-Truppen in einer Hohenlimburger Schule eingerichtet hatten. Er flüchtete noch in der Nacht, tauchte in Hessen unter und setzte sich nach Bolivien ab. 1987 wurde er in Frankreich für seine Mordtaten in Lyon zu lebenslanger Haft verurteilt.
Neue Schriftenreihe
Die Informationen zu diesem Text stammen aus dem Buch „Hagen. 15. März 1945“ von Ralf Blank, Andreas Korthals und Marcus Weidner.
Es ist im Klartext-Verlag erschienen und begründet die neue Schriftenreihe „Hagener Beiträge zur Kultur und Geschichte“.
Der geplante zweite Band behandelt unter dem Titel „111 Hagener Fundstücke“ die 200-jährige Sammlungs- und Forschungsgeschichte in Hagen.
Die Amerikaner suchten zunächst vergeblich nach Heinrich Vetter. Der Hagener Oberbürgermeister hatte noch in den Mittagsstunden des 14. April im Hof des Rathauses eine letzte Besprechung abgehalten und von Wehrmacht und Polizei die Verteidigung der Stadt „bis zum letzten Mann“ gefordert. Danach tauchte er unter, wurde aber zehn Tage später auf einem Bauernhof bei Halver aufgespürt und mehrere Jahre interniert. Bis zu seinem Tod 1969 bleibt er ein unbelehrbarer Nazi und gilt als Spiritus Rector der regionalen Nazi-Szene.