Brilon. Debatte um Windenergieanlagen im Sauerland: Wie nachhaltig sind Windkraftanlagen wirklich? Ein Faktencheck zur Klimabilanz und Umwelteinflüsse.

Auch im Sauerland gibt es immer wieder Diskussionen über Windkraftanlagen. Neben dem Einfluss der Anlagen auf das Landschaftsbild stellen viele sich auch die Frage, wie nachhaltig sie wirklich sind. Wie steht es um die tatsächliche Klimabilanz? Wie sieht es mit den Einflüssen auf Umwelt und Natur aus? Was passiert mit den Anlagen, wenn sie wieder abgebaut werden? Ein kleiner Faktencheck zum Überblick:

CO2-Ausstoß durch Baumaterialien

Um die Klimabilanz von Windenergieanlagen (WEA) zu bestimmen, eignet sich der Wert des CO2-Ausstoßes pro erzeugter Kilowattstunde (kWh) Strom. Da dadurch eine einheitliche Bewertungsgrundlage zum Vergleich mit anderen Energieträgern entsteht. WEA produzieren allerdings kein CO2 bei der Stromerzeugung – zumindest nicht während des Betriebs. Der CO2-Ausstoß der Anlagen entsteht bei der Herstellung der Materialien für den Bau. Dabei handelt es sich um Beton für Fundamente, Stahl für die Masten und Verbundwerkstoffe für die Rotorblätter.

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Die Berechnung der CO2-Bilanz erfolgt auf Grundlage von Durchschnittswerten. An dieser Stelle wird nur ein Ausschnitt am Beispiel des notwendigen Zements betrachtet. Aufgrund seiner Herstellung aus Kalkstein, bei dessen Verbrennen größere Mengen CO2 freigesetzt werden, ist Zement eine der klimaschädlichsten Bausubstanzen, die für das Fundament jedes Windrads benötigt wird. Im Windpark Olsberg-Mannstein stehen WEA des Anlagentyps Vestas V126 mit einer Nabenhöhe von 137 Metern. Christian Hinsch vom Betreiberkonzern JUWI hat auf eine Anfrage bekanntgegeben, dass etwa 670 Kubikmeter Beton für ein Fundament dort benötigt wurden. Der Anteil des Zements könne nicht mehr genau angegeben werden, jedoch könne man von einem Fünftel Zement ausgehen, was in etwa 480 bis 500 Kilogramm Zement pro Kubikmeter betragen würde. Nach Angaben des Verbands Deutscher Zementwerke werden bei der Herstellung einer Tonne Zement etwa 600 Kilogramm CO2 verursacht.

Grundwasser

Kritik richtet sich mitunter auch auf die durch Fundamente entstehende Bodenversiegelung, sowie den Einfluss auf das Grundwasser. In diesem Bereich gibt es tatsächlich bislang wenige Untersuchungen. Jedoch sind die Flächen, die durch Windkraft versiegelt werden, im Vergleich zu anderen Flächen wie Gebäuden oder Straßen verschwindend gering. Besonders im Hochsauerlandkreis gibt es bisher eine vergleichsweise geringe Bodenversiegelung. Siedlungs- und Verkehrsflächen machen laut Statistikatlas gerade einmal etwa 13 Prozent des Gebiets aus, was den zweitniedrigsten Wert in NRW darstellt. Laut Umweltbundesamt sind deutschlandweit etwa 45 Prozent solcher Flächen versiegelt. Für den etwa 1.960 Quadratkilometer großen HSK würde dies eine Bodenversieglung von etwa 115 Quadratkilometern bedeuten.

Das Fundament einer modernen WEA mit drei MW Leistung umfasst laut Angaben des Bundesverbands Boden etwa 350 bis 500 Quadratmeter - die Anlagen am Mannstein in Olsberg haben laut Christian Hinsch eine Fundamentfläche von jeweils etwa 391 Quadratmeter. In einem Quadratkilometer sind eine Millionen Quadratmeter enthalten. Es bräuchte daher 2.000 bis 2.875 Windräder im HSK, um die Bodenversiegelung um einen Quadratkilometer zu erhöhen.

CO2-Bilanz

Dennoch verursacht allein der Zement für das Fundament einer einzelnen Anlage etwa 294 Tonnen CO2. Um zu ermitteln, wie lange eine Windkraftanlage laufen muss, um diese Emissionen auszugleichen, lohnt ein Blick auf den deutschen Strommix. Laut Umweltbundesamt fallen in Deutschland durchschnittlich etwa 380 Gramm CO2 pro erzeugter kWh Strom an.

Dieser Wert entspricht daher dem CO2-Ausstoß von etwa 773.684 kWh Strom in Deutschland. Das ist so viel wie der durchschnittliche Verbrauch von 175 Zwei-Personen-Haushalten im Jahr 2021. Das klingt zunächst nach viel. Doch auch die Stromerzeugung der WEA muss betrachtet werden. Eine Vestas V126 Anlage, wie sie am Mannstein in Olsberg steht, erreicht eine Leistung von 3.45 MW. Laut Angaben des Science Media Center Germany liegt die durchschnittliche Auslastung von WEA bei etwa 20 Prozent.

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Die WEA müsste demnach etwa 1.121,3 Stunden oder rund 47 Tage in Betrieb sein, um die CO2-Emissionen des Zements auszugleichen. Damit die gesamte Klimabilanz der Anlagen zu bestimmt werden kann, müssen solche Berechnungen für alle Bauteile durchgeführt werden. Berechnungen der FH Münster zeigen, dass es zwischen sechs und 14 Monate dauert, bis eine WEA klimaneutral ist.

Die gängigere Praxis ist jedoch, den CO2-Ausstoß über die gesamte Lebensdauer der Anlage hochzurechnen. Laut einem Themenpapier des Umweltbundesamts kommen unterschiedliche Studien zu dem Ergebnis, dass pro erzeugter kWh Strom etwa zehn bis 20 Gramm CO2 anfallen. Im Vergleich zu anderen Energiequellen ist das beeindruckend: Solarstrom verursacht 43 bis 63 Gramm CO2 pro kWh, Erdgas 490 Gramm und Braunkohle ganze 1.140 Gramm.

Recycling und Abbau

Nach Ende der Lebensdauer einer Windkraftanlage, die in der Regel 20 bis 30 Jahre beträgt, stellt sich die Frage des Rückbaus. Die meisten Bauteile lassen sich relativ einfach recyceln. Laut Umweltbundesamt können etwa 90 Prozent der Materialien leicht wiederverwertet werden. Die größte Herausforderung ist das Recycling der Rotorblätter, die aus faserverstärkten Kunststoffen bestehen.

Nach Schätzungen des Umweltbundesamtes fallen in den 2020er Jahren jährlich bis zu 20.000 Tonnen Rotorblattmaterial an, in den 2030er Jahren könnten es bis zu 50.000 Tonnen jährlich sein. Für die Wiederverwertung dieser Stoffe gibt es bereits Verfahren, die im Einsatz sind. Zusätzlich entwickeln Forscher neue Methoden. Struktur- und Verbindungselemente können zurückgewonnen werden, und hochwertige Carbonfasern lassen sich in aufwendigen Prozessen trennen und profitabel wiederverwerten. Glasfaserverstärkte Kunststoffe werden aktuell in Zementwerken mitverarbeitet. Eine Deponierung der Rotorblätter ist seit dem Deponieverbot 2005 nicht mehr erlaubt.

Umwelteinfluss

Die Datenlage bezüglich der Umwelteinflüsse von WEA ist aktuell zu spärlich, um genaue Aussagen über die Ausmaße zu treffen. Fest steht jedoch, dass Windräder einen Einfluss auf die lokale Vogelwelt haben. Das Landesamt für Umwelt Brandenburg sammelt dazu Daten zu Vogelverlusten durch WEA, das bedeutet Vögel, die nachweislich durch eine Kollision mit Rotorblättern ums Leben kamen.

Insgesamt wurden dabei deutschlandweit bisher 4.990 Fälle erfasst, 278 davon in NRW. Besonders betroffen sind Greifvögel wie der Mäusebussard oder Rotmilan, die auch im Sauerland heimisch sind. Ähnliche Zahlen wurden auch für Fledermäuse ermittelt. Die wahren Zahlen dürften allerdings höher sein, da nur gefundene Tiere in die Zählungen aufgenommen werden können. Anhand der Daten sollen jedoch Empfehlungen für die Planungspraxis von WEA entwickelt werden. Auch das Umweltbundesamt sieht die Notwendigkeit einer Rücksichtnahme auf die Vogelwelt, wobei nicht nur die Gefahr von Kollisionen, sondern auch Einflüsse auf Flugrouten, Habitate und Brutstätten in Betracht gezogen werden. In der Regionalplanung der Bezirksregierung Arnsberg finden solche Überlegungen sich in Leitlinien wieder.

Der NABU geht von jährlich bis zu 100.000 toten Vögeln durch Windkraft aus. Dabei handelt es sich jedoch um Schätzungen. Zugleich werden Hauskatzen, Glasscheiben, dem Verkehr, Stromleitungen und der Jagd weitaus größere Opferzahlen im Millionenbereich vom NABU zugeschrieben. Wobei jedoch auch darauf verwiesen wird, dass der Windkraft vor allem größere Vogelarten zum Opfer fallen – was für einige existenzbedrohend sein könnte. Nichtsdestotrotz plädiert auch der NABU für einen Ausbau der Windkraft zum Zwecke des Klimaschutzes, wobei jedoch die Standortwahl für den Artenschutz berücksichtigt werden sollte.

Versorgungssicherheit

Ein weiterer Kritikpunkt an der Nachhaltigkeit von Windkraft betrifft die sichere Stromversorgung. Was passiert, wenn der Wind nicht weht? Hierzu gibt es Pläne der Bundesregierung: Der Bau neuer Gaskraftwerke ist vorgesehen, die später auf Wasserstoff umgestellt werden können. Dabei soll insbesondere grüner Wasserstoff zum Einsatz kommen, der mithilfe erneuerbarer Energien – beispielsweise aus überschüssiger Windenergie – produziert wird. Auch andere Speichermethoden wie zum Beispiel Pumpspeicherkraftwerke oder Batteriespeicher sind Möglichkeiten, die Energieversorgung verlässlicher zu gestalten. In Brilon befindet sich aktuell ein solcher Batteriespeicher in Bau.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) beruft sich auf Berechnungen des Fraunhofer-Instituts, wonach in Deutschland bis zum Jahr 2030 etwa 104 Gigawattstunden Speicherkapazität benötigt werden. Nach aktuellen Angaben des BMWK werden derzeit rund 50 Gigawattstunden erreicht, davon 39 durch Pumpspeicherkraftwerke und elf durch Batteriespeicher.

Anmerkung

Alle Berechnungen sind anhand von Beispiels- oder Durchschnittswerten durchgeführt worden.