Willingen. Tourismus-Chef Norbert Lopatta hat eine Zukunftsvision für Willingen. Wie der Ort es schaffen kann, sich von Party-Touristen zu lösen.
Willingen hat Strahlkraft - und das bis über Deutschlands Grenzen hinaus. Das erklärt Norbert Lopatta, Leiter des Tourismus und Kurbetriebs des Sauerländer Urlaubsortes, mit einem Selbstbewusstsein, dass er und der Ort sich durchaus leisten können und das sich nicht erst durch den Skywalk rechtfertigt. Vor rund 50 Jahren wurde das 3000-Betten-Hotel „Sauerlandstern“ ins ländliche Sauerland gebaut - der Beginn einer außergewöhnlichen Entwicklung eines Urlaubsortes. „Das Sauerland steht durchaus im Vergleich mit der Türkischen Riviera oder Mallorca“, sagt Lopatta. „Die Leute fragen sich: Mache ich vier Tage Kurzurlaub auf Mallorca oder fahre ich nach Willingen?“ Lopatta ist sicher: In Zukunft wird die Entscheidung viel öfter zugunsten von Willingen fallen. Das ist seine Zukunftsvision für den Ort.
Strahlkraft im Sauerland: Willingen, Medebach, Schmallenberg und Winterberg
Im Sauerland gibt es laut Norbert Lopatta vier Orte mit der nötigen touristischen Relevanz, um eine gewisse Strahlkraft zu entwickeln: Willingen, Medebach, Schmallenberg und Winterberg. „Diese Orte haben einen enormen Positivaspekt, der auch auf Orte wie Brilon ausstrahlt. Die können sich als Gastgeber hier gut positionieren.“ Jeder dieser vier Orte steht für sich, hat seinen eigenen Charakter. Willingen hing lange das Party-Image an. Schon seit Jahren arbeiten Stadt, Tourismus und größtenteils auch Gastronomen daran, dieses Image aufzubrechen. Der Sauerlandstern beispielsweise fokussiert sich neu, nur vier Partywochenenden sind laut Geschäftsführer André Altgen noch pro Jahr relevant, das Hotel ziehe nun vermehrt Familien und Aktivurlauber an - und vor allem Tagungsgäste. Gemeinsam arbeite man laut Altgen mittlerweile an einem Marketing, um den Ort ganzheitlich zu präsentieren. „Wir sind behaftet mit dem Partytourismus, das sind Menschen, die Geselligkeit wollen. Das ist ein gesunder Tourismus, der da ist und auch guten Umsatz bringt“, sagt Norbert Lopatta ehrlich.
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Willingen will weg vom Party-Image: Wie der Ort das schaffen will
1,2 Millionen Übernachtungen jährlich verzeichnet Willingen. Auf 6000 Einwohner kommen 11.000 Gästebetten. Lopatta geht davon aus, dass jährlich um die vier Millionen Tagesgäste Willingen besuchen. Manche Schätzungen kommen gar auf fünf bis sechs Millionen. Nur eine geringe Anzahl derjenigen, die zum Partymachen nach Willingen kommen, seien Menschen, die sich schlecht benehmen. Dann allerdings richtig, vom Grölen in der Nacht bis hin zum Wildpinkeln in den Ententeich im Park. Das, so Lopatta, strahle leider aus. Er beschreibt, welches Phänomen dahinter steckt: „Das sind Tagesgäste, die Vormittags mit dem Bus anreisen, unten am Berg aussteigen und pinkeln, hoch zu Siggis Hütte fahren und 1,5 Promille auftanken. Die kommen am frühen Abend im Ort selbst nirgends mehr an den Türstehern vorbei, gehen in den Rewe und holen sich eine Palette Bier, tanken auf auf 3 Promille und verbringen die Zeit bis 22 Uhr, wenn der Bus wieder heimfährt, auf der Straße.“ Der Partytourismus sei also Fluch, aber auch Segen zugleich. „Wenn jemand anreist, abends die Geselligkeit genießt und am nächsten Tag einen Ausflug mit dem Bike macht, das ist vollkommen in Ordnung.“ Das ‚Daneben-benehmen‘, das solle weg. Eigentlich muss dafür die Polizei-Präsenz verstärkt werden, ein hehrer Wunsch. Lopatta hofft auf einen Transformationsprozess in Zusammenarbeit mit den Gastronomen vor Ort. „Der Sauerlandstern hat viel dazu beigetragen, da er sich vom Partytourismus losgesagt hat. Es kommt stark darauf an, für wen die Hotels ihre Buchungsportale öffnen. Für Familien die am Wochenende buchen oder für diejenigen, die eine Nacht unter der Woche kommen?“ Mittlerweile merke er, wie Lopatta betont, dass die nächste Generation an Gastronomen, die die Betriebe nun übernehmen würde, dieses Klientel nicht mehr wolle. „Wir sind auf einem guten Weg. Da ist ganz viel in Bewegung.“
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Konkurrenz zu Winterberg? Darauf setzt Willingen nun
Das liegt auch an der außergewöhnlichen Infrastruktur des Ortes, die laut Lopatta ein riesiges Potenzial hat. „Touristen können hier zwei Wochen Urlaub mit der Familie machen und jeden Tag zu Fuß die verschiedensten Freizeitangebote erreichen. Nachhaltiger geht es nicht. Nirgends gibt es ein derartiges Freizeitangebot so gebündelt wie hier.“ Wichtig sei, im Wandel zu bleiben. „Die Gemeinde ist regiegebend, was die Infrastruktur angeht“, sagt Lopatta. Natürlich, gerade in der Ski-Saison ist Winterberg ein Konkurrent für Willingen. „Klar, schauen wir drauf, gerade die Gastronomen. Aber in Summe müssen wir über die Region hinaus denken. Das Sauerland hat tolle Ausflugsziele und unsere Aufgabe ist es, einen Ort zu schaffen mit einer Infrastruktur, zu dem die Menschen immer wieder kommen. Das ist eine Mammutaufgabe, die ist nicht so einfach, aber enorm wichtig.“
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Lagunenbad, Eishalle, Bikepark: Willingen will ein ganzjähriges Angebot schaffen
Es gibt viele Stellschrauben an denen der Tourismus-Leiter, die Gemeinde und die Gastronomen drehen, um Willingen attraktiv zu machen. „Wir sind ein Heilbad und das halten wir auch stets vor. Ein Grund, wieso Investoren im Bereich Freizeit dann auch herkommen“, erklärt Norbert Lopatta. Das Lagunenbad ist dabei ein wichtiger Baustein für Einwohner und Gäste. „Wir kalkulieren mit 230.000 Besuchern“, so Lopatta. In Willingen gibt es die Eishalle - „Die zieht bombastisch und ist nicht alltäglich“ - es gibt eine Kletterhalle, den Bikepark, ein Kino, Abenteuergolf oder Mountaincart. Die Skilifte laufen ganzjährig, als zweites Standbein. Da kommt Lopatta doch noch einmal kurz auf Winterberg zurück: „Winterberg hängt an den Skiliften. Wir werden auch beschneien, aber nicht auf Teufel komm raus. In Zeiten des Klimawandels wollen wir uns auch auf einen Sommerbetrieb konzentrieren.“ Nachhaltigkeit, immer wieder klingt das bei Lopatta durch. Für ihn scheinbar ein extrem wichtiger Punkt im Wintersport. „Man muss die Abhängigkeit vom Wintersport entkräften. Klar, der Wintergast lässt monetär viel im Ort, Skipass, Winterkleidung, Skiverleih, Mahlzeiten. Aber wenn kein Schnee liegt, müssen die Jugendlichen auf Skifreizeit vor Ort eben auch andere Angebote finden und das schaffen wir in Willingen.“ Trotzdem denkt Lopatta nicht, dass Wintersport zum Luxus wird. „Wintersport packt dich. Das ist Leidenschaft. Wer gern fährt, der gönnt sich das auch ab und zu.“
Skywalk Willingen: Ein Glücksgriff für den Urlaubsort
Und dann ist da noch der Skywalk. Ein Glücksgriff für die Stadt. „Der hat dermaßen eingeschlagen. Der hat nachhaltigere Effekte als der Skiweltcup. Klar, der ist weltbewegend, aber jemand der zum Skisprung-Weltcup kommt, kommt nicht unbedingt als Tourist wieder. Vom Skywalk hat jede Ritze in Willingen profitiert.“
Reibung zwischen Einwohnern und Urlaubern in Willingen
Dabei hat Norbert Lopatta nicht nur den Tourismus im Blick. Er will, dass Willingen auch ein Lebensort ist. Ein Ort, an dem Menschen mit ihren Familien zufrieden leben können. Mit bezahlbaren Wohnungen, einer tollen Gegend. „Unsere Region hat über das ganze Jahr hinweg ein Angebot, hier lässt sich etwas entwickeln, das auch für den Fachkräfte-Zuzug sinnvoll sein kann.“
Welche Vision hat Norbert Lopatta für Willingen?
Norbert Lopatta hat eine Vision für Willingen. Er will einen Zentralen Ort etablieren, in einer Urlaubsregion in der Mitte Deutschlands, der sich stark im Markt positionieren kann. Mit Wander-, Radel- und Mountainbikeangeboten. Mit Innovationskraft. Und vor allem einem guten Miteinander zwischen Anwohnern und Touristen. „Keiner darf unter dem anderen leiden“, sagt er bestimmt. „Das muss man in den Griff kriegen.“
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