Willingen. Willigen und der Partytourismus: Tausende Schlagerfans ziehen bei Viva Willingen durch den Ort. Augenzeugen berichten von unglaublichen Szenen.
Für Doris Emde ist am Wochenende ein Punkt erreicht, an dem sie nicht mehr schweigen möchte. „Wir sind sehr verärgert“, macht sie sich in einem Facebook-Posting Luft. 80 Mal wurde der Beitrag bisher geteilt, mehr als 50 Menschen kommentieren ihn. Doris Emde führt mit ihrem Mann die Pension Haus Waldfrieden in Willingen. Bunte Blumen vor den Holzbalkonen, saubere Zimmer, ruhige und familiäre Atmosphäre im Zentrum der Tourismusstadt – und damit im Zentrum der Party-Touristen, die nicht nur wegen der Veranstaltung „Viva Willingen“ am Wochenende für Chaos in der Stadt sorgen. „Es ist jedes Wochenende dasselbe“, sagt Doris Emde.
Bilder von nackten Männern im Willinger Kurpark
Als erstes fallen bei ihrem Beitrag auf Facebook die Bilder auf. Drei Männer stehen in einer Reihe und urinieren auf einen Parkplatz. Ein Bild zeigt, wie zwei nackte Männer im Teich des Kurparks baden gehen und sich später – immer noch nackt – auf eine Bank setzen. Tische und Sitzgelegenheiten sind mit Müll überhäuft. Doris Emde schreibt: „Wir sind sehr verärgert, darüber, dass viele Party-Gäste in Willingen meinen Sie können machen und tun was sie wollen.“ Wildpinkeln, Baden im Kurpark – dazu noch unbekleidet, Grölen bis früh in die Morgenstunden, am Nachmittag volltrunkene schlafende Menschen im Ort. „Benehmt ihr euch zu Hause auch so? Uriniert ihr dort auch in die Vorgärten eurer Nachbarn, schwimmt nackig in eurem Stadtteich, wo Kleinkinder die Enten füttern oder ältere Menschen auf einer Bank die Ruhe genießen? Schlaft ihr volltrunken an einer Laterne oder im Vorraum der Bank?“, schreibt Emde. „Reißt ihr Blumenkübel auseinander oder knickt ihr Verkehrsschilder um? Mal abgesehen von den ganzen leeren Flaschen und Gläsern, die einfach in den Gärten oder am Wegesrand entsorgt werden. Einfach nur ärgerlich für die Anwohner!“ Sie appelliert in dem Beitrag an die Touristen, sich auch in Willingen so zu benehmen, wie auch daheim. Und fragt: „Wo ist unsere Ortspolizei oder die Security? Ist das Qualitätstourismus? Sicherlich nicht!“
Nicht nur ein Problem wegen Viva Willingen
Im Gespräch mit der WP Brilon erklärt Doris Emde, wieso sie den Beitrag so veröffentlicht hat. „Wir sind hier nicht unmittelbar betroffen von Wildpinklern oder dem Müll. Aber es staut sich einfach eine Menge Ärger an.“ Besonders das Grölen in der Nacht sei ein Problem. „Im Ort lebt das Reinigungspersonal und das Servicepersonal, die können sich in der Nacht nicht erholen.“ Die Probleme, die Doris Emde anspricht, sind schon lange Thema in der öffentlichen Diskussion rund um den Tourismusort. In den Gastgeberversammlungen hat Doris Emde schon viel von den Konzepten gehört, die Anwendung finden sollen, um den Partytourismus in Willingen einzudämmen. „Das Problem sind die Busunternehmen aus dem Ruhrgebiet, die Willingen in den Blick nehmen und die Touristen teilweise nur für einen Tag hier herfahren.“
Dori Emde ist bewusst, dass der Ort von den Touristen lebt. Nicht nur die Hotels und die Gastronomie, sondern auch Bäckereien, Tischlereien – ein ganzer Ort lebt von den Gästen. Und sie betont auch, dass nur eine Minderheit der Menschen Fehlverhalten zeige, Motorradfahrer, Biker oder Wanderer seien gerngesehen und ruhige Gäste. Der Grund für den Vandalismus sei meist der ausufernde Alkoholkonsum – durch alle Altersschichten durch. Der 18-Jährige genauso wie der 60-Jährige. „Aber wenn sich doch jeder Gast so verhalten würde, wie er es Zuhause auch tut, dann hätten wir kein Problem“, sagt Emde.