Essen. Von Geheimdiensten überwachte US-Unternehmen speichern auch Millionen Informationen deutscher Kunden. Einen Verwendungsnachweis oder ein Löschdatum gibt es nicht. Die riesigen Datenmengen, die weltweit unterwegs sind, nennt die Branche „Big Data“.
„Information wird das Erdöl des 21. Jahrhunderts“, hat Peter Sondergaard von der IT-Beratungsfirma Gartner einmal gesagt. Wer die Informationen besitzt, hat die Macht. Je mehr Informationen, desto mächtiger. Die Branche nennt diese riesigen Datenmengen einfach nur „Big Data“.
Die IT-Experten verstehen darunter die sekundenschnelle Auswertung eben jenes Datenhaufens – aus sozialen Netzwerken, von Internet-Verkaufsplattformen wie Amazon oder Ebay oder aber einfach nur aus E-Mails. „Entscheidend ist dabei, dass die Informationen aus vielfältigen Quellen stammen und unterschiedlichste Formate haben können“, ließ der IT-Branchenverband Bitkom kurz vor der diesjährigen Computermesse Cebit wissen. In den Rechenzentren der IT-Firmen werden all diese Infos gebündelt. So entstehen detaillierte Nutzerprofile. Ein gefundenes Fressen nicht nur für Werber – auch für Geheimdienste.
Ämter wollten Daten verkaufen
In der jüngsten Vergangenheit erschütterten zahlreiche Datenskandale Deutschland. Die Kreditauskunftei Schufa wollte Facebook-Profile auswerten, um die Bonität von Kreditnehmern zu bestimmen. Der US-Elektronikkonzern Apple ließ seine Handys fleißig Bewegungsprofile der Nutzer erstellen. Vorher nachgefragt hatte Apple aber nicht. Auch der deutsche Staat wollte sich ein Stück vom riesigen Datenkuchen abschneiden. Als die Einwohnermeldeämter 2010 Adressen verkaufen wollten, gab es einen riesigen Aufschrei.
Die letztere Aktion flog auf. Ansonsten wäre daraus vermutlich ein lukratives Geschäft geworden. Branchenkenner sprechen von bis zu 37 Millionen „Qualitätsadressen“ deutscher Haushalte, zählen bis zu 1000 professionelle Adresshändler in Deutschland. Pro Datensatz, so hieß es damals, wollten die Ämter zwischen fünf und 15 Euro nehmen. In den USA sind persönliche Infos übrigens noch günstiger zu haben. Dort kostet eine Adresse nur 50 Cent, ein Geburtsdatum gibt es für zwei Dollar. Und wer einen Blick ins Vorstrafenregister werfen möchte, muss dafür laut Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD gerade einmal 15 Dollar, also 11 Euro, hinlegen.
Empörung über Datenmissbrauch
Vielen Amerikanern ist egal, was mit ihren Daten passiert, rund die Hälfte sagt, sie habe sowieso nichts zu verbergen. In Deutschland ist das anders. Wird Datenmissbrauch publik, reagiert die Öffentlichkeit empört. Umso erstaunlicher ist es, dass viele Menschen hierzulande den großen US-Firmen Unmengen an Daten anvertrauen.
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Fotos, Videos, persönliche Nachrichten: Sie alle werden in der Regel nicht in Deutschland, sondern in Übersee gespeichert. In riesigen Rechenzentren, fernab deutscher Gesetze und Gerichtsbarkeit. Wer seine Rechte verletzt sieht, muss sie mühsam einfordern – notfalls vor einem US-Gericht. Oder in Fernost: Auch dort stehen die Rechnerfarmen von Google, Apple und Co.
Und es werden mehr. Facebook etwa baut für rund 300 Millionen Dollar ein riesiges Datenzentrum im US-Bundesstaat Iowa. Google betreibt 13 Rechenzentren, sieben stehen in den USA. Jedes Jahr steckt der Suchmaschinenbetreiber, so heißt es, rund zwei Milliarden Euro in den Ausbau seiner Rechnerfarmen. Genug Festplattenplatz, um die Daten der Nutzer für sehr lange Zeit zu sichern. Dagegen wirkt die von Deutschland geplante, aber vom Verfassungsgericht 2010 gestoppte Vorratsdatenspeicherung wie eine Randnotiz.
BND fängt 37 Millionen Mails ab
Was genau mit all den Daten passiert, die in den USA und anderswo auf der Welt gespeichert werden, darüber schweigen sich die US-Konzerne bis heute aus. Es gibt kein Löschdatum, wie es etwa bei deutschen Telekommunikations-Anbietern der Fall ist, die Verbindungsdaten für maximal 80 Tage speichern dürfen. Umso mehr verwundert es, dass sich die US-Firmen im jüngsten Überwachungsskandal so lautstark zu Wort melden. Man habe nicht aktiv mit den Geheimdiensten zusammengearbeitet, ließen Facebook, Google und Microsoft schnell wissen. Und die Firmen fordern sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, beim Besuch von US-Präsident Barack Obama deutliche Worte für das Gebaren der US-Schnüffler zu finden.
Dabei sind die deutschen Geheimdienste auch nicht ganz untätig gewesen: So soll der BND allein 2010 rund 37 Millionen E-Mails zur Terrorabwehr abgefangen haben. Am jetzt aufgeflogenen US-Programm „Prism“ habe man sich aber nicht beteiligt.