Hongkong. . Die US-Konzerne Google, Microsoft und Facebook wollen nach der Aufdeckung des Internet-Überwachungsprogramms Prism Auskunft über Behördenanfragen geben. Edward Snowden, der Prism verriet, kündigte weitere Enthüllungen an. Snowden war externer Mitarbeiter beim Geheimdienst NSA – einer von vielen.

In der Debatte um das umstrittene Programm der US-Regierung zur Überwachung des Internets wollen die US-Konzerne Google, Microsoft und Facebook Auskunft über Anfragen der Behörden nach Nutzerdaten geben. Google veröffentlichte am Dienstag ein Schreiben an die Bundespolizei FBI und das US-Justizministerium, in dem es um Erlaubnis bat, entsprechende Angaben veröffentlichen zu dürfen. „Google hat nichts zu verbergen“, hieß es darin. Facebook und Microsoft schlossen sich in der Nacht zum Mittwoch dem Vorstoß von Google an.

Die Unternehmen sind unter Druck geraten, weil in Medienberichten seit vergangener Woche der Eindruck entsteht, der US-Geheimdienst NSA könne nach Belieben auf Informationen der Nutzer zugreifen. Dabei sind die Firmen mit ihren Geschäftsmodellen auf das Vertrauen der Nutzer angewiesen. Berichte in der Presse, dass das Unternehmen den Behörden aufgrund ihrer Anfragen ungehinderten Zugang zu Nutzerdaten gewähre, seien „einfach falsch“, so Google. Edward Snowden, der das Überwachungsprogramm der US-Behörden öffentlich gemacht hatte, kündigte unterdessen weitere Enthüllungen an.

Zwar war Snowden nicht direkt bei der National Security Agency (NSA) angestellt, doch der Computertechniker einer externen Beratungsfirma konnte problemlos auf vertrauliche Informationen zu den Überwachungsaktivitäten des US-Geheimdienstes zugreifen. „Tausende“ Dokumente habe ihm Snowden übergeben, sagte ein Journalist des britischen „Guardian“, der die umstrittenen Spähprogramme vergangene Woche enthüllte. Der Fall hat ein Schlaglicht auf die zunehmende Beteiligung privater Unternehmen an den Arbeiten der Geheimdienste in den Vereinigten Staaten geworfen.

Externe analysieren Geheimdienst-Informationen

Externe Mitarbeiter wie Snowden tragen in den US-Regierungsbehörden grüne Dienstausweise (“green badge“), die Staatsdiener haben dagegen blaue Ausweise (“blue badge“). Es sei nicht verwunderlich, dass das Leck ein „green badge“ gewesen sei, zürnt der frühere NSA-Beamte John Schindler, der nun am Naval War College im Bundesstaat Rhode Island lehrt. Das von außen eingekaufte Personal habe nicht das gleiche Berufsethos und die Verschwiegenheit von Geheimdienstlern, die ihre ganze Karriere den Sicherheitsbehörden verschrieben hätten.

NSA-Zentrale in Fort Meade im US-Staat Maryland: Immer mehr Externe arbeiten für US-Geheimdienste.
NSA-Zentrale in Fort Meade im US-Staat Maryland: Immer mehr Externe arbeiten für US-Geheimdienste. © dpa

Seit den 90er-Jahren haben immer mehr Angestellte von privaten Firmen Aufgaben im US-Geheimdienstkosmos übernommen, die lange für Beamte reserviert waren. Die Externen kümmern sich um die Verwaltung von Computersystemen, die Analyse von Geheimdienst-Informationen und sogar um die Ausbildung von Spionen. Der Grund für das Outsourcing waren vor allem die klammen Haushalte: Die vorübergehende Beschäftigung von externen Kräften ist für den Staat günstiger als die Einstellung von Heerscharen neuer Beamter. Heute sind fast 30 Prozent der Mitarbeiter von US-Geheimdiensten bei Subunternehmen angestellt.

Nach dem 11. September boomte Markt für private Dienstleister

Vor allem nach den Anschlägen vom 11. September 2001, als dringender Personalbedarf für die Jagd nach Terroristen herrschte, boomte der Markt für private Dienstleister in der Geheimdienst- und Verteidigungsbranche. Rund um Washington entstand eine Vielzahl von Firmen, die an dem Milliardengeschäft mitverdienen wollten. Etwa in dieser Zeit begann Snowden seine Tätigkeit in der abgeschirmten Welt der Sicherheitsbehörden - zunächst als Computertechniker beim Auslandsgeheimdienst CIA und ab 2009 dann beim Beratungsunternehmen Booz Allen. Das setzte ihn fortan bei der NSA ein.

Viele Angestellte von Firmen wie Booz Allen sind frühere Geheimdienstler, auch ein Wechsel zurück in den Staatsdienst ist nicht selten. Der Nationale Geheimdienstkoordinator James Clapper etwa, der Snowdens Enthüllungen als „verwerflich“ und Gefahr für die Sicherheit der USA verurteilt hat, stand eine Zeit lang auf der Gehaltsliste von Booz Allen. Kritiker warnen, diese Nähe öffne Korruption Tür und Tor.

Auch der frühere US-Verteidigungsminister Robert Gates sah die zunehmende Abhängigkeit von externen Mitarbeitern skeptisch. „Wir wollen Leute, die dabei sind, weil sie leidenschaftlich sind und sich um ihr Land sorgen - und nicht wegen des Geldes“, sagte er 2010 in einem Interview mit der „Washington Post“.

Snowden wollte „Überwachungsmaschine“ bloßstellen

James Lewis, Experte für Cybersicherheit am Washingtoner Think-Tank Center for Strategic and International Studies, hält dagegen externe Mitarbeiter nicht grundsätzlich für unzuverlässiger als Staatsbedienstete. Lewis erinnert an den Soldaten Bradley Manning, dem derzeit wegen des größten Geheimnisverrats der US-Geschichte der Prozess gemacht wird. Der 25-jährige Manning hatte vor drei Jahren hunderttausende Geheimdokumente von Militär und Diplomatie an die Enthüllungswebseite Wikileaks weitergeleitet.

Brachte US-Präsident Obama in Bedrängnis und beherrschte die Nachrichten: der externe NSA-Techniker Edward Snowden (links).
Brachte US-Präsident Obama in Bedrängnis und beherrschte die Nachrichten: der externe NSA-Techniker Edward Snowden (links). © REUTERS

Lewis sieht eher ideologische Gründe hinter den jüngsten Enthüllungen. Teile der jungen Generation hätten ein tiefes Misstrauen gegenüber der Regierung in Washington, sagt der Experte. Der 29-jährige Snowden hatte als Motiv angegeben, die „massive Überwachungsmaschine“ der US-Regierung bloßstellen zu wollen. Während des Vorwahlkampfes um die republikanische Präsidentschaftskandidatur spendete er für den ultraliberalen Bewerber Ron Paul, der die USA auf dem Weg in die Tyrannei sieht und einen radikalen Rückzug des Staates fordert.

Direkter Zugriff auf Server der großen Internet-Firmen

Die Überwachungsaffäre hält die USA und zahlreiche Staaten der Welt seit Tagen in Atem. Die britische Zeitung „Guardian“ und die „Washington Post“ hatten die Existenz eines Spähprogramms namens PRISM aufgedeckt, mit dem der US-Geheimdienst NSA angeblich direkt auf Server großer Internetkonzerne wie Google, Facebook, Yahoo!, Microsoft und Apple zugreifen und Netznutzer weltweit überwacht. Zudem veröffentlichte der „Guardian“ einen geheimen Gerichtsbeschluss, der es der NSA erlaubt, im Antiterrorkampf wahllos Daten über die Handyverbindungen von Millionen Menschen in den USA zu sammeln. (AFP)