Washington/Hongkong/Peking. Das FBI ermittelt gegen Edward Snowden: Der Internet-Spezialist hatte in der vergangenen Woche das geheime Überwachungsprogramm “Prism“ öffentlich gemacht. Der US-Geheimdienst NSA erklärte, die Überwachung des Internets habe Dutzende Terrorattacken verhindert.

Die US-Bundespolizei FBI hat strafrechtliche Ermittlungen gegen den in Hongkong untergetauchten Enthüller des US-Spähprogramms Prism, Edward Snowden, eingeleitet. Die Behörden würden "alle notwendigen Schritte" unternehmen, um Snowden zur Verantwortung zu ziehen, sagte FBI-Chef Robert Mueller am Donnerstag bei einer Anhörung im Kongress in Washington. Die Weitergabe vertraulicher Informationen habe "großen Schaden für unser Land und unsere Sicherheit" angerichtet.

Snowden wirft dem Geheimdienst vor, das Internet nahezu flächendeckend zu überwachen. Die britische Zeitung "Guardian" und die "Washington Post" deckten in der vergangenen Woche mit Snowden als Informant die Existenz des Prism-Programms auf, bei dem der US-Geheimdienst NSA die Nutzerdaten großer Internetkonzerne wie Google, Facebook und Microsoft auswertet.

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Die betroffenen Unternehmen bestreiten aber einen direkten Zugriff der Geheimdienste auf ihre Server. Der "Guardian" veröffentlichte außerdem einen geheimen Gerichtsbeschluss, der es der NSA erlaubt, im Anti-Terror-Kampf wahllos Daten über die Handyverbindungen von Millionen Menschen in den USA zu sammeln.

NSA-Chef: Überwachung hat Terrorattacken verhindert

Die US-Regierung hat unterdessen das weltweit kritisiertes Internet-Spionageprogramm vehement verteidigt. Es habe geholfen, Dutzende Terrorattacken zu verhindern, sagte der Chef des Geheimdienst NSA, Keith Alexander. Der auf elektronische Spionage spezialisierten NSA wird vorgeworfen, das Internet nahezu flächendeckend zu überwachen. Die Bundesregierung will am Freitag mit Internetunternehmen über die Auswirkungen sprechen. Einer Umfrage zufolge halten viele Menschen in Deutschland eine Überwachung der Internetkommunikation für richtig.

In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die Nachrichtenseite "Zeit Online" fanden es 40 Prozent der Befragten richtig, dass Staaten die Kommunikation im Internet überwachen, um sich zu schützen. Knapp die Hälfte der Befragten (49 Prozent) gab an, Internetdienste wie Skype von Microsoft und Facebook weiter nutzen zu wollen.

Diese Unternehmen sollen neben Google und Yahoo an dem Geheimprogramm "Prism" teilnehmen. In den USA ist das Meinungsbild noch enger: Knapp die Hälfte der Befragten (45 Prozent) erklärte in einer aktuellen Umfrage, die Regierung solle E-Mails überwachen dürfen, wenn es dem Schutz vor Terrorismus diene. Ebenso viele (47 Prozent) waren dagegen.

Die Bundesregierung will mit den Internetunternehmen über die Auswirkungen der Überwachungsaktion sprechen. Dazu wurde für Freitag ein Treffen verabredet, wie ein Sprecher des Justizministeriums am Donnerstag in Berlin mitteilte und einen entsprechenden Bericht des "Handelsblatt" bestätigte. Wirtschaftsminister Philipp Rösler und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (beide FDP) seien dabei, ebenso Google, Microsoft und die Verbände Bitkom und eco. Facebook kommt allerdings nicht. Leutheusser-Schnarrenberger wandte sich ebenso wie Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bereits schriftlich an US-Behörden und forderte weitere Informationen.

Snowden: US-Dienste hacken sich in chinesische Computer

Der Informant Edward Snowden, der Geheimdokumente an die Medien gegeben hatte, erzählte an seinem Fluchtort Hongkong, die US-Dienste hackten sich schon seit Jahren in chinesische Computer. China, das über eine Auslieferung an die USA entscheiden müsste, äußerte sich bisher nicht zu seinem Schicksal.

Nach den Angaben von Snowden hat die NSA weltweit mehr als 61.000 Hacking-Aktionen durchgeführt, darunter Hunderte gegen China. In einem Interview mit der Hongkonger Zeitung "South China Morning Post" sagte Snowden, dass der US-Abhördienst NSA seit 2009 versucht habe, sich Zugang zu hunderten von Zielen in China und Hongkong zu verschaffen. "Wir hacken uns in die Datenübertragungsleitungen der Netzwerke, so etwas wie große Internetrouter im wesentlichen, die uns Zugang zu der Kommunikation von hunderttausenden Computern geben, ohne jeden einzelnen hacken zu müssen", sagte Snowden. Der IT-Techniker hatte für die Beratungsfirma Booz Allen Hamilton gearbeitet, die im Auftrag der NSA an der Internet-Überwachung beteiligt war.

"Vergangene Woche arbeitete die amerikanische Regierung noch zufrieden im Schatten ohne Rücksicht auf eine Zustimmung der Regierten - aber das ist jetzt vorbei", sagte Snowden. "Jede Ebene der Gesellschaft verlangt Rechenschaft und Aufsicht." Er habe diese Informationen veröffentlicht, um die "Scheinheiligkeit" der US-Regierung aufzuzeigen, wenn sie behaupte, dass sie - anders als ihre Feinde - nicht auf die zivile Infrastruktur abziele.

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"Sie tut es nicht nur, sondern ist derart besorgt, dass dies bekannt wird, dass sie bereit ist, alle Mittel wie etwa diplomatische Einschüchterung einzusetzen, um ein Bekanntwerden dieser Informationen zu verhindern", sagte der 29-Jährige, der sich nicht als Verräter, sondern als amerikanischer Patriot sieht. "Ich glaube an die Meinungsfreiheit", sagte Snowden. Die Öffentlichkeit solle sich ihre eigene Meinung bilden.

China kritisiert Computerspionage grundsätzlich

NSA-Chef Alexander hatte am Mittwoch vor einem Senatsausschuss in Washington ausgesagt. Es war das erste Mal, dass er sich öffentlich zu den Programmen zur massiven Daten-Sammlung äußerte, seit der "Whistleblower" Snowden sie vergangene Woche enthüllt hatte. "Dies hat geholfen, Dutzende terroristische Ereignisse zu verhindern", sagte der General. Er versprach, eine genaue Zahl zu veröffentlichen. Im einzelnen erwähnte der NSA-Chef bereits zwei Fälle, in denen PRISM-Informationen zur Verhinderung oder Aufklärung von Terroraktionen beigetragen hätten. "Ich glaube, wir tun hier das Richtige, um die amerikanischen Bürger zu beschützen", sagte Alexander.

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Chinas Regierung übte grundsätzlich Kritik an Computerspionage, äußerte sich am Donnerstag aber nicht zum Fall Snowden. "Wir sind gegen alle Formen von Cyber-Attacken", sagte die Außenamtssprecherin dazu nur allgemein. China sei selbst "eines der großen Opfer" von Computerangriffen und befürworte Dialog mit anderen Ländern, um die Sicherheit im Internet zu gewährleisten. Die USA warfen China zuletzt immer schärfer vor, hinter massiven Cyber-Attacken im Westen zu stecken. Die chinesische Regierung bestritt dies stets. (dpa/afp)